Automatisiertes Fahren: Neue Technik kontrolliert Aufmerksamkeit der Fahrer
Britische Forschende haben ein System entwickelt, um die potenzielle Reaktionsgeschwindigkeit von Fahrern und Fahrerinnen und autonomen Fahrzeugen zu ermitteln. Das könnte die Sicherheit im Autopilot-Modus erheblich erhöhen.
Die technischen Möglichkeiten wachsen rasant. Immer mehr Fahrzeuge verfügen über automatisierte Systeme, die es erlauben, zumindest zeitweise die Hände vom Lenkrad zu nehmen. Autonomes Fahren auf dem Level 5 ist allerdings rechtlich noch nicht zugelassen. Das heißt, es muss derzeit immer jemand hinter dem Lenkrad sitzen, der in den entsprechenden Situationen das Steuer übernehmen kann. Da stellt sich eine Frage: Wie gut kann das gelingen, wenn der Fahrer oder die Fahrerin beispielsweise gerade dabei ist, WhatsApp-Nachrichten zu schreiben? Ein Team vom University College London (UCL) hat einen Weg gefunden, um den aktuellen Aufmerksamkeitsgrad zu messen. Daraus lassen sich auf der einen Seite wichtige Erkenntnisse ableiten. Auf der anderen Seite könnte die Technik als Basis dienen, um eine Art Frühwarnsystem zu entwickeln – und den Fahrer oder die Fahrerin beispielsweise über Töne darauf aufmerksam zu machen, wie abgelenkt sie sind.
Autonomes Fahren: Das bedeuten die fünf Stufen
Wie gut wird das Übernahme-Signal beim autonomen Fahren wahrgenommen?
Das ist die Ausgangslage: Im Autopilot-Modus kann der Fahrer oder die Fahrerin die Hände vom Lenkrad nehmen und sich anderen Aktivitäten widmen, wie zum Beispiel dem Spielen auf dem im Auto integrierten Bildschirm. Bei aktuellen Modellen muss der Fahrer jedoch an bestimmten Stellen die Kontrolle über das Fahrzeug zurückerlangen. Beispielsweise ist es in Deutschland erlaubt, automatisierten Funktionen auf der Autobahn die Führung zu überlassen, aber nur bis zu einer Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern. Das Auto bleibt also in der Spur und hält ausreichend Abstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen ein. Ist das aufgrund der Verkehrsentwicklung nicht mehr möglich, muss der Mensch übernehmen.
Die britischen Forschenden wollten nun wissen, ob es möglich ist, zu erkennen, ob eine Person zu sehr in eine andere Aufgabe vertieft ist, um schnell auf ein solches Übernahme-Signal zu reagieren. Zu diesem Zweck entwickelten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ein System, das ein Übernahme-Szenario nachahmte. Sie testeten es mit 42 Teilnehmenden.
Test-System ahmt Szenario nach
Die Probanden mussten einen Computerbildschirm mit vielen farbigen Formen nach bestimmten Zielobjekten durchsuchen und ihren Blick auf den Zielen verweilen lassen, um zu zeigen, dass sie diese gefunden hatten.
Ein Teil der Suchaufgaben war einfach gestaltet: Die Teilnehmenden mussten lediglich eine L-Form unter mehreren T-Formen erkennen. Andere Aufgaben erforderten mehr Konzentration: Die Testpersonen mussten eine bestimmte Anordnung der Formteile und deren Farbe erkennen.
Zu einem späteren Zeitpunkt der Suchaufgabe setzte das System einen Ton ab, und die Teilnehmenden mussten so schnell wie möglich aufhören, den Bildschirm zu betrachten und stattdessen eine bestimmte Taste drücken.
KI kann vorhersagen, ob der Mensch beim autonomen Fahren zu abgelenkt ist
Die Forschenden analysierten die Zeit, die zwischen dem Ton und dem Drücken der Taste verging, und überprüften gleichzeitig, wie sich die Augen der Probanden während der Suche über den Bildschirm bewegten. Dabei stellte sich heraus, dass die Teilnehmenden, die mit einer schwierigen Aufgabe beschäftigt waren, länger brauchten, um den Blick vom Bildschirm zu nehmen und auf den Ton zu reagieren.
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Dieses Ergebnis überrascht nicht. Interessant ist dabei aber, dass es den Forschenden gelang, den Aufmerksamkeitsgrad der Testpersonen anhand ihrer Augenbewegungen zu bestimmen. Ein Augenbewegungsmuster, das längere Fixierungen und kürzere Augenabstände zwischen allen Elementen beinhaltete, deutete darauf hin, dass die Aufgabe eine höhere Aufmerksamkeit erforderte.
Daraufhin trainierten die Forschenden ein maschinelles Lernmodell auf diese Daten und stellten fest, dass sie anhand der Augenbewegungsmuster vorhersagen konnten, ob die Teilnehmenden mit der leichten oder der anspruchsvollen Aufgabe beschäftigt waren.
Weitere Datensätze werden benötigt
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, den Aufmerksamkeitsgrad eines Fahrers und seine Bereitschaft, auf ein Warnsignal zu reagieren, allein durch die Beobachtung seines Blickverhaltens zu erkennen“, sagt Nilli Lavie, Professorin am UCL Institute of Cognitive Neuroscience. „Es ist erstaunlich, dass Menschen so sehr mit ihrer Bildschirmtätigkeit beschäftigt sind, dass sie den Rest der Welt um sich herum ignorieren. Selbst wenn sie sich bewusst sind, dass sie bereit sein sollten, ihre Aufgabe zu unterbrechen und so schnell wie möglich auf Töne zu reagieren, brauchen sie länger dafür, wenn ihre Aufmerksamkeit in den Bildschirm vertieft ist.“
Anders gesagt: Warnsignale werden womöglich nicht schnell genug wahrgenommen, was die Sicherheit in autonomen Fahrzeugen faktisch herabsetzen könnte. Die Forschenden wollen jetzt größere Datensätze generieren, um die künstliche Intelligenz (KI) besser trainieren zu können. Am Ende dieser Entwicklung könnte eine Art Vorwarnsystem stehen, dass bereits darauf hinweist, wenn der Mensch sich zu stark mit anderen Aufgaben beschäftigt.
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