Schiffe, geschützt durch Luft
Einem Forschungsverbund ist es gelungen, ein System zu entwickeln, das Schiffsrümpfe quasi mit Luft umhüllt. Im nächsten Schritt sollen daraus umweltfreundliche bionische Schiffsbeschichtungen entstehen.
Materialien für den Schiffsbau sind großen Belastungen ausgesetzt. Die drei größten Probleme heißen Reibung, Korrosion und Biobewuchs. Eine wichtige Aufgabe der Schiffsbeschichtungen besteht also darin, genau diesen Faktoren entgegenzuwirken. Das Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie die Universitäten Bonn und Rostock suchen im Forschungsvorhaben „Air-Retaining Surfaces“ (ARES) gemeinsam an einer Lösung. Vereinfacht gesagt arbeiten sie an einem System, das dauerhaft Luft hält und die Schiffe auf diese Weise besser schützt und gleiten lässt.
Salvinia-Effekt stammt aus der Natur und hilft der Umwelt
Vorbild für die neue Entwicklung ist, wie so oft, die Natur. Der Schwimmfarn Salvinia molesta ist einer der Pflanzen, denen es gelingt, Luft unter Wasser zu halten, um sie für den Gasaustausch zu nutzen – daher hat dieses Prinzip den Namen Salvinia-Effekt erhalten. Der Farn schafft das durch eine spezielle Struktur seiner Härchen. Sie sind bogenartig geformt und erinnern an einen Schneebesen. Dabei sind sie auf der einen Seite wasserabweisend, auf der anderen Seite zieht die Spitze jedes Härchens Wasser an und haftet daher im Grunde genommen wie ein Klebepunkt am Wasser. Das stabilisiert die Konstruktion. Die in der Mitte eingeschlossenen Luftschichten entweichen nicht.
„Nachdem wir den Salvinia-Effekt verstanden hatten, erkannten wir das enorme ökonomische und ökologische Potenzial einer technischen Umsetzung“, sagt Thomas Schimmel, der das Projekt am KIT koordiniert. Denn eine Lufthülle könnte einen Schiffsrumpf schützend umschließen, ohne selbst beispielsweise durch Reibung Schaden zu nehmen. Und laut Aussage der Forscher werden etwa 90 % des weltweiten internationalen Handels über Schiffe abgewickelt.
Die Wissenschaftler entwickelten also künstliche Oberflächen, die den Salvinia-Effekt nachahmen. Tatsächlich ist es ihnen gelungen, komplexe Strukturen herzustellen, die Luft auch unter Wasser festhalten. Dabei glänzt die Luft auf den eigentlich blauen Trägern unter Wasser silbern – genau wie beim Schwimmfarn. Entscheidend für die Forscher war aber ein anderes Ergebnis: „Frühe Prototypen, die wir vor mehr als fünf Jahren unter Wasser gesetzt haben, sind immer noch mit einer dauerhaften Luftschicht bedeckt“, sagt Schimmel.
Weniger Gifte und mehr Effizienz durch geringere Reibung
Der Mantel aus Luft hat verschiedene Effekte: Er verringert den Reibungswiderstand der Oberflächen deutlich. Gleichzeitig verhindert er, dass toxische Substanzen aus Schiffslacken ins Meer gelangen, weil es keinen direkten Kontakt zum Wasser gibt. Umgekehrt werden aus dem gleichen Grund Korrosion und Biobewuchs (Fouling) vermieden. Gerade beim Thema Fouling stellt das AirCoating sein Potenzial für den Umweltschutz unter Beweis. Denn die herkömmliche Maßnahme gegen diesen unerwünschten Belag – das Antifouling – besteht darin, die Schiffsrümpfe mit schwermetallhaltigen Farben zu behandeln, um den Bewuchs mit Algen und Muscheln zu verhindern. Dabei können Gifte ins Meer freigesetzt werden.
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: „Wir konnten zeigen, dass durch die AirCoating-Technologie eine Reibungsreduktion von circa 20% erzielt werden konnte, da die Reibung zwischen Schiff und Wasser gegen die Reibung zwischen Schiff und Luft ersetzt wird“, erklärt Schimmel. „Die innovativen Oberflächen könnten damit zukünftig für eine Steigerung der Energieeffizienz sorgen und einen wichtigen Beitrag für unsere Umwelt leisten.“ Für die Schiffseigner wäre das natürlich gleichzeitig mit geringen Kosten verbunden. Bis zu 25% Treibstoffeinsparung könnte durch die Luftfolie erzielt werden, berichteten wir im vergangenen Jahr.
Luftmantel entsteht aus Folien
Für die Forscher steht jetzt der nächste Schritt an. Im EU-Projekt Aircoat, das Nanotechnologieexperte Thomas Schimmel wissenschaftlich koordiniert, entwickeln die Kooperationspartner ein Foliensystem, mit dem es möglich sein soll, die neuen Schiffsbeschichtungen im größeren Stil umzusetzen und verhältnismäßig unkompliziert anzuwenden. Parallel prüfen die Wissenschaftler bereits, auf welche weiteren Industriebereiche sich diese Systematik übertragen ließe.
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