Schwerer Start für die fahrerlosen Fahrzeuge am Hockenheimring
Die Entwicklung des autonomen Fahrens ist längst nicht nur etablierten Herstellern vorbehalten. Der Konstruktionswettbewerb Formula Student Germany hat Studierende erstmals dazu aufgefordert, fahrerlose Fahrzeuge zu entwickeln. Doch aller Anfang ist schwer, wie sich am Wochenende zeigte.
Am Wochenende sollten sie über den Hockenheimring pesen und die Zuschauer in Stauen versetzen – die autonomen Rennboliden, entwickelt von Studierendenteams aus aller Welt. Für den alljährlich stattfindenden Konstruktionswettbewerb Formula Student Germany wurde extra ein Teil der Motorsport-Rennstrecke abgesperrt, eigene Teststrecken und mobile Prüflabore aufgebaut.
Für die Wettbewerbsklasse der fahrerlosen Fahrzeuge (FSD) hatten sich 15 Teams angemeldet, darunter auch deutsche Hochschulen, die auf eine langjährige und erfolgreiche Formula-Student-Historie blicken konnten. Kurzum: Alles war für einen erfolgreichen Rennstart der studentischen Autonomen vorbereitet. Doch es kam alles ganz anders.
Die Schnelligkeit alleine entscheidet nicht über Sieg und Niederlage
Bei der Formula Student müssen die studentischen Rennwagen nicht nur schnell fahren, sondern sie müssen auch verschiedene Wettbewerbe überstehen. Sie beginnen zunächst mit den statischen Prüfungen der Teammitglieder, bei denen etwa der Business- und Kostenplan abgefragt wird. Highlight in der zweiten Hälfte der Wettbewerbswoche sind dann die dynamischen Prüfungen, bei denen das selbst konstruierte Auto sein Kurvenverhalten, seine Beschleunigung, seinen Umgang mit nasser Fahrbahn und seine Parcoursleistung unter Beweis stellen muss.
Und dazwischen liegt eine Prüfung, die der Sicherheit dient und für viele Teams bereits das Aus bedeutet: die technische Abnahme der Fahrzeuge. Dabei testen Dekra-Ingenieure, ob die Fahrzeuge in Kurvenlage umzukippen drohen, ob ihre Bremsen den Belastungen der Rennen standhalten werden oder ob die Konstruktionen bei nasser Fahrbahn eine Gefahr darstellen. Schon in der Vergangenheit hat dieser erste Härtetest viele Studierendenteams zur Strecke gebracht, bevor das Rennen startete und so sollte es auch beim ersten internationalen Start der neuen Wettbewerbsklasse, der Formula Student Driverless (FSD), sein.
Erste Ausfälle schon vor Rennstart
Von den 15 angemeldeten FSD-Teams bekamen sagenhafte elf kein grünes Licht von den Dekra-Prüfern. Die technische Abnahme galt damit als nicht bestanden, die Fahrzeuge wurden zu den Fahrwettbewerben gar nicht erst zugelassen. Von den restlichen vier starteten schließlich drei in den ein Kilometer langen Parcours.
Das Fahrzeug des Karlsruher Instituts für Technik, KA-Racing Driverless, schaffte es in Schrittgeschwindigkeit über die Startlinie, leider aber nicht sehr viel weiter. Danach kam das Auto der Hochschule Augsburger, StarkStrom Driverless, das flott aus den Startlöchern kam, um dann ebenfalls nach wenigen hundert Metern auf der Strecke liegen zu bleiben. Schließlich schaffte es der Bolide der ETH Zürich mit dem Team AMZ Driverless in 117,29 Sekunden tatsächlich über die Ziellinie. Ein Erfolgserlebnis für die jungen Konstrukteure ebenso wie für die junge Wettbewerbsklasse Formula Student Driverless.
Die Probleme der autonomen Fahrzeuge
Dass so viele Autos nicht durch die technische Abnahme kamen, hängt nicht nur mit den Erfordernissen des fahrerlosen Fahrens zusammen. Den Studierendenteams in der FSD blieb es selbst überlassen, welcher Motor ihre autonomen Fahrzeuge antreibt. Sie alle entschieden sich aber für elektrische Antriebe und damit einhergehend einem höheren Risiko, dem kritischen Blick der Dekra-Prüfer nicht standzuhalten.
Hinzu kamen zwei Hürden, die den Driverless-Teams vorbehalten waren: Sie mussten eine Sensorik für die Umfelderkennung entwerfen und die Aktuatorik so auslegen, dass das Fahrzeug der gesetzten Strecke tatsächlich folgt. Im Interview mit den VDI nachrichten hatte FSG-Vorstandsmitglied Ludwig Vollrath bereits auf diese beiden Knackpunkte hingewiesen. Und er sollte recht behalten.
Neben durchgebrannten Batterien kämpften die Autonomen-Teams tatsächlich mit ihrer Sensorik und mit einem Phänomen, das viele noch auf der Strecke hätte scheitern lassen. Der Regensommer hatte die Fahrbahnen nämlich in Wasserpisten verwandelt, die Hütchen gingen in einem herbstlichen Grau in Grau nahezu unter. Die Fahrbahn und ihre Begrenzung zu erkennen, wurde für die Technik der kleinen Rennwagen zur Herkulesaufgabe.
Mehr technische Details der autonomen Fahrzeuge und ihrer Teams, gibt es in unserer Bildergalerie.
Autonome Autos als neue Wettbewerbsklasse etablieren
Trotz dieses bescheidenen Beginns wird die autonome Fahrzeugklasse ihren Weg in der Formula-Student-Geschichte fortsetzen, dafür hat das Team des FSG e.V. gesorgt. „Die Formula Student Germany übernimmt eine Vorreiterrolle und hat ein englischsprachiges Regelwerk aufgesetzt, das künftig von den anderen Wettbewerben weltweit übernommen werden wird“, gibt sich Vollrath im Interview mit den VDI nachrichten optimistisch.
Was ist die Formula Student?
Die Formula Student Germany (FSG) gibt es seit 2006, zunächst waren allerdings nur Verbrenner zugelassen. Im Jahr 2010 ließ die deutsche Ausführung des internationalen Studentenwettbewerbs dann als erstes Land elektrische Boliden zu. Mittlerweile haben auch andere Länder die Formula Student Electric (FSE) in ihre Wettbewerbe übernommen. Doch der FSG e.V. geht schon einen Schritt weiter und hat 2017 zum ersten Mal fahrerlose Fahrzeuge auf die Strecke gelassen. Die neue wettbewerbsklasse untermauert den Anspruch der Formula-Student-Serie, kein klassischer Rennwettbewerb zu sein, sondern ein Konstruktionswettbewerb, der Studierende auf die Herausforderungen der Mobilität der Zukunft vorbereitet.
Und die Wettbewerbe der Formula Student Germany bieten Studierenden nicht nur die Möglichkeit, sich intensiv und in einem hoch professionellen Umfeld am Entwurf, an der Planung, der Konstruktion und Weiterentwicklung eines kompletten Fahrzeugs zu beteiligen. Die FSG auf dem Hockenheimring ist auch ein großes Schaulaufen – von motivierten Studierenden und interessierten Industrieunternehmen. Die Unternehmen der deutschen Autohersteller- und Zuliefererindustrie treten zum einen als Berater und finanzielle sowie materielle Unterstützer der Teams auf, sie knüpfen aber ihrerseits auch Kontakt zu potenziellen künftigen Mitarbeitern, Werkstudenten und Praktikanten.
Ein Beitrag von: