Sekundärluft-Einblasung optimiert Ottomotorbetrieb
Die etwas in Vergessenheit geratene Sekundärlufteinblasung könnte angesichts immer strengerer Abgasgrenzwerte beim Ottomotor eine Renaissance erleben. Sie unterstützt die rasche Oxidation von Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid im Abgasstrang, verbessert das Leerlaufverhalten des kalten Motors und verringert den Benzinverbrauch.
Die Abgasstandards EU6 und SULEV in Europa und den USA könnten schon bald den Einsatz einer Sekundärlufteinblasung bei Ottomotoren forcieren, meint Dr. Holger Paffrath, Produktentwicklungsleiter Sekundärluftsysteme im Bereich Automotive Emission Systems der Pierburg GmbH. „Zwar werden die Automobilhersteller vermutlich auch mit anderen Techniken die geforderten Grenzwerte unterbieten können“, sagte Paffrath den VDI nachrichten, „aber mit einem Sekundärluftsystem können wir diese Bemühungen zu geringen Kosten sehr effizient unterstützen.“
Technisch geschieht das durch die Einleitung von Frischluft in den Abgasstrang. Die sauerstoffreiche Frischluft oxidiert dann die im Abgas enthaltenen Kohlenwasserstoffe (HC) und Kohlenmonoxide (CO), wobei gleichzeitig Wärme frei wird.
Durch das zusätzliche Wärmeangebot (in Versuchen ermittelte ein deutscher Autohersteller bis zu 80 oC höhere Abgastemperaturen) springt der nachfolgende Katalysator beim Kaltstart schneller an und beginnt schon einige Sekunden früher mit der Reinigung der Abgase. Die Versuche zeigten, dass beispielsweise in den ersten 45 s des Motorlaufs die HC-Emissionen um bis zu 60 % reduziert werden.
Der Katalysator muss durch das höhere Wärmeangebot nicht mehr motornah eingebaut sein, um früh anzuspringen. Deshalb entfällt bei hohen Motorlasten das Anfetten des Gemisches, um den Kat mit Kraftstoff zu kühlen. Die motorferne Platzierung des Kats verzögert auch seine Alterung und verbessert dadurch die Stabilität der Abgaswerte. Denn nach SULEV (Super Ultra Low Emission Vehicles) zertifizierte Motoren müssen über 15 Jahre stabile Emissionswerte garantieren.
Beim Kaltstart ermögliche die Sekundärlufteinblasung eine stabile und deutlich niedrigere Leerlaufdrehzahl als üblich – bei bestem Emissionsverhalten, so Paffrath. Theoretisch wäre ein Motorstart mit „magerer“ Gemischbildung möglich, um die Kaltstartemissionen zu reduzieren, doch durch das enge Lambdafenster müssten allerdings Zündaussetzer und ein unruhiger Motorlauf in Kauf genommen werden.
Nicht zuletzt könnten mit dieser Abgastechnik die Menge der im Kat aufgebrachten Edelmetalle etwas verringert werden, erklärte Paffrath. Das ergebe angesichts der sehr volatilen Rohstoffpreise mehr Planungssicherheit und kann beträchtlich Materialkosten reduzieren.
Dass die Sekundärlufteinblasung keine Nischentechnik ist, belegen laut Paffrath die fast 20 Kunden, an die Pierburg dieses System aktuell liefert. Diese bauten Sekundärluftsysteme vor allem in Modelle ab der Kompaktklasse aufwärts ein, deren Kunden ein gewisses (Leerlauf-) Komfortniveau erwarten. Es sei absehbar, dass einige europäische Hersteller ihre hubraumstärkeren Motoren weitgehend mit einer Sekundärluft-Einblasung ausrüsten würden, um die für 2014 geplanten EU6-Abgasgrenzwerte zu erreichen.
Laut Paffrath wird Pierburg für dieses Geschäft (Weltmarktführer mit rund 60 % Anteil bei dieser Technik) ab 2011 eine neue elektrisch angetriebene Luftpumpe anbieten. „Da die Sekundärluft-Unterstützung nach dem Start nur zwischen 20 s und 90 s gebraucht wird, haben wir vor allem das Anspringverhalten der Pumpe sowie ihr Geräuschniveau im Vergleich zum Wettbewerb verbessert“, konstatierte Paffrath. „Wir rüsten unsere modernen Sekundärluftsysteme außerdem zunehmend mit einem elektromagnetisch betätigten Ventil mit Drucksensor aus, da von ihnen inzwischen eine gewisse Diagnosefähigkeit erwartet wird.“
Das Ventil hat die Aufgabe, den Abgastrakt bei inaktivem Sekundärluftsystem zu verschließen, um Rückströme des Abgases zu verhindern. Im Gegensatz zu herkömmlichen, durch Druckschwankungen gesteuerte Ventile bzw. zu Magnetventilen der Wettbewerber, überzeuge das neue druckunabhängige Ventil von Pierburg durch höhere Öffnungskräfte und ein spontaneres Ansprechverhalten, erklärte Paffrath. Ein kostengünstiger Drucksensor bietet die geforderte Diagnoseschnittstelle. Er ist bei aktuellen Serienanwendungen als Stand-alone-Komponente integriert. In Zukunft, so Paffrath, werde er platz- und kostensparend in das Schaltventil eingebaut.
JÜRGEN GORONCY
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