Siemens testet in den USA elektrischen Highway für E-Lkws
Siemens baut auf der Interstate 710 in Los Angeles Oberleitungen, um elektrische Lkws mit Strom zu versorgen. Die ersten E-Brummis sollen im Juli 2015 rollen. Hat der einjährige Praxistest Erfolg, könnte die Idee den emissionsreichen Warentransport auf den Straßen der USA revolutionieren.
Der drei Kilometer lange Abschnitt der Autobahn Interstate 710 in Carson bei Los Angeles ist etwas Besonderes: Er wird die erste elektrische Autobahn in den USA. Diesen Autobahnabschnitt bestückt der Münchner Konzern Siemens mit elektrischen Oberleitungen. Im Juli 2015 sollen die ersten E-Laster über den E-Highway düsen.
Ein Jahr lang dauert der Praxistest, dann wird bilanziert. Und dann wird entschieden, ob diese schadstoffarme Form des Güterverkehrs zwischen den beiden größten US-Häfen von Los Angeles und Long Beach mit den 30 Kilometer entfernten Güterbahnhöfen zum Einsatz kommen soll. Da diese Region sehr stark vom Smog geplagt ist, könnte dort ein Zero Emission Corridor für den Shuttleverkehr eingerichtet werden.
35.000 Lkws rollen pro Tag über die Interstate 710
Treiber der Idee einer schadstoffarmen Warenkette sind die strengen Umweltschutzvorschriften in den USA. Und deshalb müssen die Hafengesellschaften handeln, damit die Emissionsobergrenzen für Feinstaub und für Stickoxide in den angrenzenden Wohngebieten eingehalten werden. Es sind immerhin täglich 35.000 Lastkraftwagen, die auf der Interstate 710 unterwegs sind.
Siemens steht deshalb derzeit mit allen wichtigen US-Hafengesellschaften in Verhandlung. „Das Interesse ist groß“, sagt Martin Birkner, Leiter der Geschäftsentwicklung eHighway bei Siemens dem Handelsblatt. In den USA kooperiert Siemens mit dem Lastwagenhersteller Mack. Das elektrische Oberleitungssystem soll aber mit Lkws verschiedener Hersteller kompatibel sein.
Rechts über die Fahrbahn wölben sich die Bügel der Oberleitungen
Siemens arbeitet an diesem Konzept des elektrifizierten Lastwagenverkehrs schon seit einigen Jahren. Im brandenburgischen Groß Dölln, etwa 120 Kilometer nördlich von Berlin gelegen, zuckeln auf dem einstigen DDR-Militärflugplatz Templin umgerüstete Hybrid-Lkw über den eHighway. Rechts über die Fahrbahn wölben sich die Bügel der Oberleitungen.
„Die Herausforderung ist, den Güterverkehr emissionsärmer, effizienter und auch sicherer zu machen“, erklärt Roland Edel, technischer Direktor der Verkehrssparte von Siemens. Und die Lastwagen zu elektrifizieren ist da ein intelligenter Ansatz. „Das ist sinnvoll, weil Elektromotoren einen höheren Wirkungsgrad haben und praktisch CO2-frei arbeiten.“
Brummis haben Diesel- und einen Elektromotoren
Die im eHighway auf der Teststrecke eingesetzten Brummis haben einen Diesel- und einen Elektromotor. Im Dieselbetrieb wird die Motorleistung an einen Generator übertragen, der den nachgeschalteten Elektromotor und damit die Kardanwelle antreibt. Bei Geschwindigkeiten von bis zu 90 Stundenkilometern ist das automatische An- und Abkoppeln möglich. Ein Scanner im Lkw überprüft kontinuierlich, ob die Fahrbahn mit einer elektrischen Oberleitung versehen ist. Erfasst der Scanner eine Oberleitung, wird der Stromabnehmer des Lkws automatisch für das Anbügeln vorbereitet.
Auch das Abbügeln geschieht automatisch. Das ist dann nötig, wenn der Fahrer überholen will, bei Ausweichmanövern oder beim Verlassen der Autobahn. Seitliche Bewegungen des Lkws innerhalb seiner Fahrspur gleicht die Steuerungsautomatik aus. Das geschieht über eine aktive horizontale Nachführung des Stromabnehmers, die eine sichere und zuverlässige Stromübertragung von Oberleitung zum Stromabnehmer auf dem Lkw-Dach gewährleistet.
„Auf den Lkw-Fahrer kommen durch den elektrischen Betrieb praktisch keine Anforderungen zu“, sagt Holger Sommer, Manager des eHighway-Programms bei Siemens. „Dank seines Hybridantriebs fährt dieser Lkw an der Oberleitung rein elektrisch und dort wo es nötig ist, ohne Oberleitung dieselelektrisch. Der Fahrer merkt dabei keinen Übergang“, ergänzt Jürgen Fetzer, der bei Siemens Vertriebsleiter für die Hybridantriebe ist.
120 Millionen Tonnen CO2 im Jahre 2050
Das Güterverkehrsaufkommen steigt praktisch stetig an. In Deutschland stieg es von 3,125 Milliarden Tonnen im Jahre 2010 auf 3,311 Milliarden Tonnen im Jahre 2012 – ein Anstieg von fast 200 Millionen Tonnen. Bis zum Jahr 2050, das erwarten viele Experten, wird sich das Güterverkehrsaufkommen sogar verdoppelt haben. Dann stiegen die Kohlendioxidemissionen aus dem Güterverkehr auf rund 120 Millionen Tonnen. Die Klimaziele der Bundesregierung sehen für dieses Jahr aber gerade einmal zehn Millionen Tonnen Kohlendioxidausstoß aus dem Güterverkehr vor.
Die Grundidee, Fahrzeuge auf Rädern durch Strom aus einer Oberleitung anzutreiben ist nicht neu. Sogenannte Trolley- oder Oberleitungsbusse gibt es seit Jahrzehnten, die ersten Systeme dieser Art stammen aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Weltweit existieren etwa 300 Oberleitungsbusbetriebe. Vor allem in osteuropäischen Städten kann man sie bewundern, aber auch in der deutschen Provinz – etwa in Solingen und Esslingen.
Übrigens kann Werner Siemens als ein Pionier der Idee der elektrisch betriebenen Straßenfahrzeugn gelten. Schon 1847, dem Gründungsjahr des Unternehmens Telegrafen-Bau-Anstalt Siemens & Halske, erwähnte der Technikvisionär in einem Brief diesen Wunsch: „Wenn ich mal Muße und Geld habe, will ich mir eine elektromagnetische Droschke bauen, die mich gewiss nicht im Dreck sitzen lässt.“
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