Simulationstool für Zugverkehr revolutioniert Lärmschutzplanung
Rollgeräusche von Stahlrädern auf Schienen, Bremsgeräusche und Menschenansammlungen – der Schienenverkehr kann erheblichen Lärm verursachen und sich auf Dauer negativ auf die Gesundheit auswirken. Akustik-Fachleute haben nun ein Simulationstool für Bahnlärm entwickelt, das dabei hilft, die Auswirkungen einer künftigen Bahntrasse besser abschätzen zu können.
Grundsätzlich gelten Züge als energieeffizientes und damit umweltschonendes Verkehrsmittel. Ein gravierendes Problem stellt jedoch der Bahnlärm dar. Über ein Drittel der deutschen Bevölkerung fühlt sich durch den Schienenverkehrslärm gestört oder belästigt. Dies geht aus einer Umfrage zum „Umweltbewusstsein in Deutschland 2020“ hervor. Denn mit dem aktiven Zugverkehr gehen auch Radschienengeräusche, Motorengeräusche, Bremsgeräusche und Geräusche von Warnsignalen einher. Je nach Zugtyp, Geschwindigkeit, Schienenart und -zustand sowie den örtlichen Gegebenheiten können diese Geräusche in ihrer Lautstärke variieren. Dazu kommen, besonders an großen Bahnhöfen, Geräusche, die durch Ansammlung vieler Menschen entstehen. Auf Dauer kann sich der Lärm des Schienenverkehrs auf die Umwelt und die Gesundheit des Menschen auswirken.
Akustik-Fachleute untersuchen daher seit vielen Jahren welche technischen und baulichen Maßnahmen gegen den Bahnlärm wirksam sind. Doch für die Umsetzung wirksamer Maßnahmen fehlten oft praktische Erkenntnisse. Nun haben Forschende der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (kurz Empa) ein Simulationstool für Bahnlärm entwickelt, mit dem es möglich ist, die akustischen Folgen des Schienenverkehrs unter verschiedenen Einflussfaktoren virtuell zu erleben. Das Simulationstoll soll künftig dabei helfen, Verkehrslärm besser abschätzen – und so effektive Maßnahmen besser umsetzen zu können. Das Tool stößt bereits jetzt schon auf großes Interesse.
Bahnlärm hör- und erlebbar mit virtueller Realität
Für die Entwicklung des Simulationstools sammelten die Empa-Forschenden im Rahmen des EU-Projekts „SILVERSTAR“ mithilfe von Messungen, Simulationen und Validierungen über zwei Jahre verschiedenste Daten. Das Projekt zielt darauf ab, der Eisenbahngemeinschaft bewährte Softwarewerkzeuge und Methoden zur Bewertung der Umweltauswirkungen von Lärm und Vibrationen des Eisenbahnverkehrs auf Systemebene zur Verfügung zu stellen.
Auf Grundlage der großen Datenmenge und des gebündelten Wissens vieler Fachleute entstand so schließlich ein Simulationstool, das den Bahnlärm in unterschiedlichen Ausprägungen mit Hilfe von virtueller Realität hör- und erlebbar macht. Das Besondere: Solche Tools für die Auralisation, also der Simulation von Klängen in einer bestimmten Umgebung, kommen zwar vereinzelt als Prototyp in der Forschung vor, doch in der Praxis von Planung und Lärmschutz waren sie bislang nicht verfügbar.
Simulationstool ermöglicht verschiedene Szenarien
Ein großer Pluspunkt des Simulationstools ist außerdem, dass es eine Vielzahl von Faktoren bei der Berechnung berücksichtigt. Denn, es macht einen Unterschied, ob eine Regionalbahn oder ein ICE vorbeifährt, ob es eine Lärmschutzwand gibt oder nicht, ob diese hoch oder niedrig ist und ob der Zug durch einen belebten Wohnort fährt oder die Bahnstrecke nur von Feldern und Wiesen umgeben ist. All diese und weitere Faktoren berücksichtigt das Simulationstool und ermöglicht so ein sehr realitätsnahes Erlebnis des Bahnlärms.
Möglich machen das komplexe Algorithmen in einem physik-basierten Rechenmodell, das akustische Signale nicht aus archivierten Tondateien erzeugt, sondern allesamt für hunderte Geräuschquellen und Einflussfaktoren einzeln berechnet. Die Komplexität der Einflussfaktoren, erfordere zugleich das Geflecht der Algorithmen auf das Wesentliche zu reduzieren, um die Rechenzeit nicht zu verlängern, so die Forschenden. Die Simulationsberechnung eines vorbeifahrenden 500-Meter langen Güterzuges auf einem modernen Computer dauert derzeit noch drei Stunden. Hier gibt es also noch Entwicklungspotenzial.
Bald gibt es sie: Die virtuelle Realität zum Anfassen
Einsatz von Simulationstool stößt auf großes Interesse
Das Simulationstool von Bahnlärm bietet eine Vielzahl von Vorteilen, die dazu beitragen können, den Bahnlärm besser zu verstehen, zu analysieren und schließlich auch zu reduzieren. Mit Hilfe des neuen Tools können beispielsweise Ingenieure und Planer verschiedene Schallschutzmaßnahmen virtuell testen und optimieren, bevor sie tatsächlich implementiert werden. Es ermöglicht außerdem die Auswirkungen von geplanten Änderungen im Schienenverkehr (Bahnstrecken, Zugfahrpläne oder andere Änderungen) auf den Lärmpegel in einer bestimmten Umgebung vorherzusagen. Dies ist besonders nützlich, um mögliche Störfaktoren frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können. Dies kann dazu beitragen, die Effizienz und die Kosten solcher Maßnahmen zu verbessern.
Das Simulationstool wurde inzwischen auf verschiedenen Messen vorgestellt und stößt auf großes Interesse. „Die ersten Einsätze der Simulation beginnen bereits“, sagt Empa-Forscher Reto Pieren. „Wir sind mit den Resultaten sehr zufrieden und erwarten für die Zukunft zahlreiche Anwendungen.“
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