Smartphone ruft bei einem Motorradunfall den Notarzt
Bei einem Unfall können wenige Minuten über Leben und Tod entscheiden. Das gilt besonders für Motorradfahrer. Bosch hat daher ein vernetztes Notrufsystem entwickelt. Es baut auf Bosch-Sensoren auf und soll dafür sorgen, dass schneller Hilfe zum Unfallort kommt.
Jetzt ist die Hauptsaison für Motorradfahrer. Am meisten Spaß macht das Fahren auf kurvigen Landstraßen bei möglichst wenig Verkehr. Genau das kann im Fall eines Unfalls allerdings problematisch sein. Denn unter Umständen dauert es einige Zeit, bis der Fahrer eines anderen Fahrzeugs an die Unfallstelle gelangt und die Rettungskräfte alarmieren kann. Gerade für Motorradfahrer können jedoch schon wenige Minuten über Leben und Tod entscheiden. Denn aufgrund der fehlenden Karosserie sind sie stärker gefährdet für schwere Verletzungen. Bosch hat daher ein neues vernetztes Notrufsystem entwickelt: Help Connect.
EU schreibt E-Call nur für Autos vor
Seit April 2018 müssen neue Autos über einen sogenannten E-Call verfügen. Diese EU-Regel soll dazu beitragen, Leben zu retten. Denn sie führt dazu, dass von einem Fahrzeug aus bei einem Unfall automatisch die Rettungsleitstelle informiert wird. Diese stellt eine Sprachverbindung zum Pkw her, sodass auch ein eventueller Fehlalarm geklärt werden könnte. Für Motorräder gilt diese Vorgabe nicht, obwohl der Zeitfaktor hier tendenziell noch entscheidender ist.
Eine Sprachverbindung zwischen Fahrzeug und Leitstelle wäre allerdings schwer umzusetzen, denn in der Regel wird der Fahrer bei einem Sturz von seinem Motorrad getrennt. Dennoch gibt es bereits einige Systeme, die versuchen, diese Lücke zu füllen und damit die Sicherheit von Motorradfahrern zu verbessern – dazu gehört auch Bosch. „Help Connect ergänzt das breite Bosch-Portfolio an Motorrad-Sicherheitssystemen um einen digitalen Schutzengel“, sagt Harald Kröger, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH.
Sensoren ermitteln Sturz – Smartphone setzt Notruf ab
Grundlage des Notfallsystems ist die Inertialsensoreinheit der Motorradstabilitätskontrolle MSC von Bosch. Dieser Sensor ist im Motorrad verbaut und unterstützt die Stabilität beim Fahren. Dafür misst er 100 Mal pro Sekunde die Beschleunigung und die Winkelgeschwindigkeit des Bikes. Faktisch stellt der Sensor also fest, wie schnell sich das Fahrzeug bewegt, in welcher Schräglage es sich befindet und wie schnell sich ein Winkel um eine Achse ändert. Zusätzlich hat Bosch einen Algorithmus programmiert, der die Daten auswertet und die Veränderungen analysiert. So kann er berechnen, ob das Motorrad bei hoher Geschwindigkeit wegrutscht oder einfach nur in abgestellter Position umkippt. Ein zusätzliches Steuergerät wird dafür nicht benötigt. Ermittelt das System einen Crash, baut es über Bluetooth eine Verbindung zur Rettungs-App auf.
Die App übermittelt der Leitstelle Daten zum Unfallort und gegebenenfalls zum Fahrer. Die Rettungskräfte erfahren also automatisch, wo sich die Unfallstelle befindet. Außerdem kann der Fahrer im Vorfeld freiwillig Daten über seine Gesundheit in der App hinterlegen, zum Beispiel Blutgruppe oder eventuelle Vorerkrankungen. Diese werden ebenfalls an das Rettungsteam weitergeleitet. Zudem ist es möglich, dass die App persönliche Kontakte im Notfall informiert.
Nachrüstung mit Help Connect ist nicht vorgesehen
Dem neuen Rettungssystem ist laut Aussage des Herstellers eine intensive Unfallforschung vorausgegangen. „Bevor wir Produkte entwickeln, die die Sicherheit von Motorradfahrern erhöhen, müssen wir kritische Situationen verstehen“, erklärt Kröger. Unter anderem wurden 18 Crashtests durchgeführt, um verschiedenen Szenarien simulieren zu können.
Dass Sensoren den Unfall eines Motorrads erkennen und einen Notruf absetzen, ist nicht neu. Unter anderem die Digades GmbH hat mit Dguard ein entsprechendes System auf dem Markt. Es funktioniert ohne Smartphone und setzt den Notruf über die Technik in der Maschine ab. Bosch wollte einen Schritt weitergehen, um die Sprachverbindung zu ermöglichen. Nach Meinung der Entwicklung werde ein Smartphone in der Regel gut geschützt am Körper getragen. Es befinde sich daher in der Nähe des Fahrers. Wie gut Help Connect in der Praxis angenommen wird, wird sicherlich auch davon abhängen, welche Hersteller die Bosch-Inertialsensoreinheit in ihren Modellen verbauen. Denn das Nachrüsten einer Maschine, was Dguard ermöglicht, ist mit Help Connect nicht vorgesehen. Das hat aber auch einen Vorteil: Verfügt die Maschine serienmäßig über den Sensor, muss sich der Fahrer nur zusätzlich die App installieren. Der Notruf-Service wird im ersten Schritt für Kunden aus Deutschland verfügbar sein.
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