Fraunhofer-Studie 17.10.2024, 07:00 Uhr

So klappt es mit der Verkehrswende

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT untersucht die Verteilungswirkungen von 33 verkehrspolitischen Instrumenten in Deutschland bis 2030. Im Fokus steht eine sozial gerechte Verkehrswende, die Umweltbelastungen reduziert und benachteiligte Gruppen entlastet.

Eine Bushaltestelle auf dem Land

Vor allem auf dem Land muss in den öffentlichen Nahverkehr investiert werden.

Foto: © PantherMedia / Tobias Ott

Bei der vom Umweltbundesamt beauftragten Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT in Kooperation mit der Freien Universität Berlin und dem Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart die fiskalischen, sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen von 33 verkehrspolitischen Maßnahmen in Deutschland bis zum Jahr 2030 untersucht.

Die Analyse mit dem Titel „Verteilungswirkungen einer Verkehrswende“ legt den Schwerpunkt auf die Frage, wie sich eine sozial ausgewogene Verkehrswende umsetzen lässt, die gleichzeitig Umweltbelastungen verringert. Besonderes Augenmerk liegt auf die Folgen für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen, darunter einkommensschwache Haushalte, Senioren und Menschen in ländlichen Gebieten. Ziel ist es, Maßnahmen zu entwickeln, die diesen Gruppen Vorteile bringen und soziale Ungleichheiten reduzieren.

Wer profitiert von Fördermaßnahmen zur Verkehrswende?

Die Forschenden kommen zu dem Ergebnis, dass das gegenwärtige Verkehrssystem und die aktuellen verkehrspolitischen Instrumente wie das Dienstwagenprivileg, die Entfernungspauschale und die Energiesteuer, hauptsächlich den motorisierten Individualverkehr begünstigen. Das hat zur Folge, dass sich soziale Ungleichheiten verstärken und erhebliche negative Konsequenzen für Umwelt und Klima entstehen.

Haushalte mit höherem Einkommen profitieren besonders von steuerlichen Vorteilen und subventionierten Mobilitätskosten, während Haushalte mit geringem Einkommen oft nur begrenzten Zugang zu geförderten Mobilitätsangeboten haben. Zudem sind sozial benachteiligte Gruppen verstärkt Belastungen wie Luftverschmutzung ausgesetzt.

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Ökologische Reformen für eine nachhaltige Verkehrswende

Die Studie identifiziert mehrere wirkungsvolle Maßnahmen zur Senkung der CO2-Emissionen, darunter eine deutliche Erhöhung des CO2-Preises, die Einführung einer streckenabhängigen Pkw-Maut sowie ehrgeizigere Flottenzielwerte. Auch eine Reform der Entfernungspauschale und die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs würden positiv auf das Klima wirken, wenngleich in geringerem Ausmaß. Diese Neuregelungen fördern die Kostenwahrheit von Mobilität und schaffen Anreize, den motorisierten Individualverkehr zugunsten umweltfreundlicherer Mobilitätsalternativen zu verändern.

Insbesondere für sozial schwächere Bevölkerungsgruppen, die in stark belasteten Gebieten leben, könnte sich die Lebensqualität durch weniger Luftverschmutzung und weniger Lärm verbessern. Die untersuchten Maßnahmen hätten positive Verteilungswirkungen, da sie hauptsächlich Haushalte mit höherem Einkommen treffen, die stärker von Vorteilen wie Entfernungspauschale und Dienstwagenprivileg profitieren.

Sozial benachteiligte Gruppen, insbesondere einkommensschwache Haushalte und auf den Land lebende Menschen, könnten aber durch steigende Mobilitätskosten belastet werden, was die gesellschaftliche Akzeptanz der Verkehrswende beeinträchtigen würde. Um eine sozial gerechte Gestaltung der Maßnahmen zu gewährleisten, empfiehlt die Studie daher, eine Klimaprämie einzuführen. Diese sieht vor, die zusätzlichen Einnahmen des Staates an die Haushalte zurückzuverteilen, was einkommensschwächere Haushalte entlasten würde.

Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel für eine inklusive Verkehrswende

Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr und in emissionsarme Mobilität in ländlichen Gebieten könnten sicherstellen, dass sozial benachteiligte Personen nicht nur von der Klimapolitik profitieren, sondern auch ihre Kosten reduzieren. Leif Jacobs, Projektleiter der Studie am Fraunhofer FIT, erklärt: „Unsere Untersuchung zeigt, dass eine umweltorientierte Verkehrspolitik nicht zwangsläufig zulasten einkommensschwacher Haushalte gehen muss. Durch gezielte Maßnahmen können sowohl soziale Ungleichheiten abgebaut als auch die Umwelt wirksam entlastet werden.“

Die Studie zeigt deutlich, dass der Erfolg der Verkehrswende maßgeblich von sozialer Gerechtigkeit und breiter gesellschaftlicher Akzeptanz abhängt. Um sowohl ökologische Ziele zu verwirklichen als auch soziale Ungleichheiten im Zugang zur Mobilität zu verringern, sind langfristige Planungen und Investitionen in umweltfreundliche Verkehrsinfrastrukturen unerlässlich.

Angesichts der dringenden Notwendigkeit, die internationalen Klimaziele zu erreichen, ist ein schnelles Handeln erforderlich, das eine Kombination verschiedener Ansätze umfasst. Die systematische Bewertung der wichtigsten Ergebnisse bietet eine komprimierte Grundlage für politische Entscheidungen.

Das Forschungsprojekt wurde im Rahmen des Ressortforschungsplans des Umweltbundesamts durchgeführt. Das Projektteam setzte verschiedene Mikrosimulationsmodelle der Abteilung Mikrosimulation und Ökonometrische Datenanalyse des Fraunhofer FIT ein, darunter das Automobilsteuermodell CARMOD sowie das Einkommenssteuermodell MIKMOD-ESt, um die Verteilungswirkungen verkehrspolitischer Reformen zu untersuchen. Die Modelle basieren auf umfangreichen Einzeldaten und ermöglichen eine exakte Analyse der Auswirkungen auf Haushalte, unter Berücksichtigung soziodemografischer Merkmale, geografischer Lage und Fahrzeugverfügbarkeit.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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