So sieht die mögliche Zukunft für Oberleitungs-Lkw aus
Oberleitungs-Lkw befinden sich in der Testphase. Kann diese Technologie in Deutschland eine Zukunft haben? Eine Gruppe aus verschiedenen Fachleuten hat die aktuelle Situation bewertet und einen Blick in eine mögliche Zukunft gewagt.
Klimaneutralität ist nur möglich, wenn es gelingt, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor zu senken. Die Zahl der Elektroautos steigt stetig, als besondere Herausforderung gilt aber der Logistikbereich. Wenn Lkw schwere Güter transportieren, steigt der Energieverbrauch entsprechend an. Bei Elektro-Lkw müsste der Akku daher entweder entsprechend groß sein und würde somit selbst zum Gewicht beitragen oder er müsste häufig neu geladen werden. Anders gesagt: Das ist über längere Strecken weniger effizient. Die deutsche Bundesregierung führt derzeit drei Feldversuche durch, um elektrische Antriebssysteme für schwere Nutzfahrzeuge unter besonderen Herausforderungen zu testen – im Fokus steht die Oberleitungstechnologie. Forschende haben die bisherigen Erkenntnisse ausgewertet.
Das Fraunhofer ISI begleitete diese Feldversuche (in den Projekten ELISA, FESH und eWayBW) sowie zwölf andere Forschungsprojekte zusammen mit seinen Partnern ifeu GmbH und dem Öko-Institut. Das Projekt läuft unter dem Namen BOLD (Begleitforschung Oberleitungs-Lkw in Deutschland). Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben sich unter anderem rechtlichen Aspekte gewidmet sowie die Energiebereitstellung und das Marktpotenzial der Oberleitungstechnologie untersucht. Darüber hinaus sind im Rahmen von BOLD die Beteiligten der verschiedenen Projekte zusammengekommen, um Erfahrungen auszutauschen.
Fahrzeughersteller sind in Bezug auf Oberleitungs-Lkw zwiegespalten
Die gute Nachricht lautet: Viele Stakeholder im Energie- und Verkehrssektor sind offen für Oberleitungs-Lkw. Ihre Erfahrungen mit der Technologie bewerten sie als positiv. Beispielsweise der skandinavische Lkw-Hersteller Scania hat Fahrzeuge für Feldversuche in Schweden und Deutschland bereitgestellt. Es gibt auch kritische Stimmen, die Mehrheit ist aber unentschlossen. Tendenziell setzen viele auf batterieelektrische Lkw, also auf stationäres Laden und nicht auf Oberleitungs-Lkw. Andere widmen sich der Brennstoffzellen-Technologie, um ihre Fahrzeuge mit Wasserstoff fahren zu lassen.
Mit Blick auf die Politik hat sich ein interessantes Bild ergeben: Auf internationaler Ebene scheinen viele Akteure auf die Entscheidung der deutschen Regierung warten. Deutschland wird für diese Technologie also als Schlüsselland wahrgenommen, nach dem sich andere Länder vermutlich richten werden. Intensiv beobachtet werden zudem die Entwicklungen in Schweden und Frankreich. Allerdings liegt Schweden abseits, geografisch gesehen, während Frankreich Stromschienen testet. Beides schmälert eine eventuell Vorreiterrolle dieser Länder. In der EU werden elektrifizierte Straßensysteme bisher kaum diskutiert.
Elektro-Lkw sind umweltfreundlich
Wie sieht es mit der Klimabilanz von Oberleitungs-Lkw aus? Die Forschenden haben dazu auch die Alternativen betrachtet: batterieelektrische Lkw (BETs), Brennstoffzellen-Elektro-Lkw (FCETs) sowie Verbrennermotoren, die mit E-Fuels beziehungsweise Power-to-Liquid (PtL)-Kraftstoffen betrieben werden. Herangezogen wurden Daten über die gesamten Lebenszyklen der jeweiligen Fahrzeuge.
Im Ergebnis schnitt die direkte Verwendung von Elektrizität sehr gut ab, unabhängig davon, ob es um Oberleitungs-Lkw ging oder um Elektro-Lkw mit Akkus, die stationär aufgeladen werden. Greift man nur diese beiden Varianten heraus, liegen die Oberleitungs-Lkw vorne. Sie verursachen weniger klimaschädliche Emissionen und belasten die Umwelt auch in anderen Bereichen nicht so stark. Sie lösen in einem geringeren Maße eine Versauerung der Böden und eine zu starke Nährstoffansammlung in Gewässern (Eutrophierung) aus.
Diese Faktoren müssen für einen langfristigen Erfolg stimmen
„Im BOLD-Projekt wurde deutlich, dass der Bau einer Oberleitungsinfrastruktur für das deutsche Autobahnnetz im Langstrecken-Straßengüterverkehr technisch möglich, aber sehr herausfordernd ist. Die Frage ist vielmehr, welche Technologie sich letztendlich durchsetzen wird, wie lange der Bau der Infrastruktur dauern wird und wie lange sie aufgrund einer geringen Auslastung subventioniert werden kann“, sagt Till Gnann, der die Forschungsaktivitäten im BOLD-Projekt am Fraunhofer ISI koordiniert. „Damit das Oberleitungssystem und seine Markteinführung erfolgreich sind, müssen die Fahrzeuge und die Infrastruktur technologisch weiterentwickelt und ein Markt für Oberleitungs-Lkw geschaffen werden.“ Aus seiner Sicht ist ein politisches Signal nötig, um diesem Bereich eine Zukunft zu ermöglichen.
Ein Beitrag von: