Intelligente Netzsteuerung 19.05.2023, 07:00 Uhr

Sprechende Ladeboxen entlasten das Stromnetz

Forschende haben durch zwei Komponenten aus einer herkömmlichen Ladebox eine intelligente gemacht. Damit wollen sie eine Art Schwarm-Netz bauen. Wenn Ladevorgänge koordiniert ablaufen, könnte so das Stromnetz entlastet werden.

Versuchsstand in der TH Köln zur Erprobung smarter Ladeboxen

Die Forschenden simulierten eine Straße mit sechs Wohngebäuden, um ihren intelligenten Schwarm am Versuchsstand zu testen.

Foto: Heike Fischer / TH Köln

Die Zukunft wird elektrisch – so zumindest sieht es aktuell aus. Die Bundesregierung setzt hinsichtlich der Verkehrswende ganz auf Elektrofahrzeuge. Seit dem vergangenen Jahr deutet sich auch eine deutliche Elektrifizierung bei der Beheizung von Gebäuden an, Stichwort Wärmepumpen. Das wird das deutsche Stromnetz aller Voraussicht nach vor neue Aufgaben stellen. Denn erstens muss der Strom, der für diese Anwendungen benötigt wird, irgendwo produziert werden. Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, sollen vor allem erneuerbare Energien den größten Teil dafür liefern, also Sonne und Wind.

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Und zweitens ist das Stromnetz als Transportmedium und Verteiler gefragt. Schließlich muss der zum Beispiel in der Nordsee produzierte Windstrom auch im Rest von Deutschland genutzt werden können. Neben dem reinen Transport und den höheren Mengen beeinflussen auch Schwankungen das Stromnetz, die erneuerbare Energien nun einmal verursachen. Die Sonne scheint eben nur tagsüber für einige Stunden und nicht gleichmäßig an 365 Tagen im Jahr. Gleiches gilt für den Wind. Wie begegnet man also diesen schwer planbaren Belastungen und schafft es trotzdem, das Stromnetz trotz neuer Akteure nicht zu überlasten? Mit dieser Frage haben sich Forschende der Technischen Hochschule Köln (TH Köln) beschäftigt – und zwar konkret im Bezug zu Wallboxen für E-Autos.

Zwei Komponenten machen Ladeboxen intelligent

Die beiden Forschenden Eberhard Waffenschmidt und Ingo Stadler vom Institut für Elektrische Energietechnik wollen durch Kommunikation eine ideale Lösung gefunden haben: intelligente Ladestationen. Sie messen nicht nur den Zustand des Stromnetzes in der direkten Umgebung, sondern kommunizieren mit weiteren Ladeboxen und stimmen sozusagen die Ladevorgänge aufeinander ab. Die Forscher sind nämlich der Meinung, dass es einfacher und weniger kostspieliger ist, einzelne Geräte zu betrachten und für diese Anforderungen vorzubereiten als immer gleich das gesamte Stromnetz zu betrachten und dieses leistungsfähiger zu gestalten.

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Die Lösung: ein Messgerät und ein Kommunikationsmodul. Diese beiden Komponenten ergänzen die herkömmliche Ladebox. Während das Messgerät Zustand und aktuelle Belastung des Stromnetzes ermittelt, sendet das Kommunikationsmodul Informationen an Ladeboxen in der Nähe. „Wenn in Zukunft in einer Nachbarschaft mehrere solcher Boxen verbaut sind, bilden diese einen Verbund, der den Zustand des Netzes bis zur nächsten Trafostation ‚kennt‘. Besteht Ladebedarf, wird dieser mittels unseres Algorithmus zwischen den Boxen abgestimmt“, sagt Waffenschmidt. Schließlich sei es für die meisten Menschen nicht relevant, wann genau in der Nacht das E-Auto geladen wird. „Für das Netz bedeutet ein verteiltes Laden aber eine geringere Belastung“, erklärt der Forscher.

Ladestationen im Schwarm: Praxistest geplant

Auf einem Versuchsstand im Labor hat sich die Funktion des Systems bereits bewährt. Nun planen die Forschenden im Rahmen eines Folgeprojekts den Realtest. Der soll in Kooperation mit einem Netzbetreiber stattfinden. Dafür werden derzeit seriennahe Funktionsmuster der Wallbox entwickelt. Für bestehende Wallboxen wollen die Forschenden auch eine Lösung entwickeln: Hier soll ein weiteres Modul dabei helfen, die Funktionen als sogenanntes Add-on nutzen zu können. Den Forschenden geht es vor allem um einen niedrigschwelligen Einstieg, damit die Nutzung einer intelligenten Netzsteuerung ohne aufwendige Installation funktioniere.

Ihr System haben sich die Forschenden von der TH Köln bereits in den USA patentieren lassen. In der EU ist es ebenfalls zum Patent angemeldet. Vorteil des Systems: Es könnte sich nicht nur für Wallboxen eignen, sondern auch bei anderen Stromabnehmern, zum Beispiel Wärmepumpen, eingesetzt werden. Die grundsätzliche Idee der Forscher beschreiben sie selbst als ein „Schwarm Netz“, das durch die beiden zusätzlichen Komponenten entstehe. Ihre Forschungsergebnisse kamen im Rahmen des internationalen Projekts „Progressus“ zustande. Das lief über drei Jahre. Mehr als 20 Partnerinnen und Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft waren europaweit daran beteiligt. Das Projekt will einen Beitrag leisten, das Energienetz weiterzuentwickeln – vom aktuell reinen Verteilnetz zum intelligenten Stromnetz, auch „SmartGrid“ genannt. Die Europäische Kommission förderte das Projekt über das Programm „Electronic Components and Systems for European Leadership“.

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Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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