Straßen sauberer, aber Ziel verfehlt: Warum die Verkehrswende stockt
Die Autos werden sauberer – doch der Verkehrssektor bleibt ein Problem für die Energiewende in Deutschland.

Es sind immer weniger Stinker auf deutschen Straßen unterwegs, dennoch bleibt der Verkehrssektor das Sorgenkind mit Blick auf die Energiewende.
Foto: PantherMedia / alpinist_den
In Deutschland fahren immer mehr Pkw mit sauberen Antrieben oder erfüllen hohe Abgasstandards. Das klingt nach Fortschritt – doch der Verkehrssektor bremst die Energiewende weiterhin aus. Der Anteil emissionsarmer Fahrzeuge steigt, gleichzeitig verdrängen große, schwere Autos die kleineren, sparsameren Modelle. Die Internationale Energieagentur (IEA) sieht Handlungsbedarf – besonders beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Förderung alternativer Antriebe.
Weniger Stinker auf der Straße – ein erster Schritt
Der Fahrzeugbestand in Deutschland wird sauberer. Mittlerweile erfüllen über 53 % der rund 49 Mio. Pkw entweder den Abgasstandard Euro 6 oder fahren rein elektrisch – sie verursachen also keine lokalen Abgase. Ein Jahr zuvor lag dieser Anteil noch bei 49 %. Damit ist ein Fortschritt erkennbar.
Dieser Wandel geht vor allem darauf zurück, dass ältere Autos mit schlechteren Abgaswerten zunehmend aus dem Verkehr gezogen werden. Etwa 1,7 Mio. Fahrzeuge mit niedrigen Abgasnormen verschwanden aus dem Bestand. Was genau mit ihnen geschah – ob sie verschrottet oder exportiert wurden –, lässt sich aus den Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) nicht ablesen.
Gleichzeitig nahm die Zahl der in Deutschland zugelassenen Elektroautos deutlich zu. 243.000 neue E-Autos wurden gemeldet. Insgesamt sind nun 1,65 Mio. reine Stromer auf deutschen Straßen unterwegs.
Was sagt die Abgasnorm eigentlich aus? |
Die sogenannte Euro-Norm regelt, wie viele Schadstoffe Autos ausstoßen dürfen. Je höher die Zahl, desto strenger die Vorgaben. Aktuell gilt Euro 6 – in der Version Euro 6e – als höchster Standard. In den kommenden Jahren wird Euro 7 folgen. Diese Normen betreffen Schadstoffe wie Stickoxide oder Feinstaub – nicht jedoch den CO₂-Ausstoß. |
CO₂-Ausstoß: Die Schattenseite der Entwicklung
Beim Klimaschutz zählt nicht nur, wie sauber ein Auto im Stadtverkehr fährt. Auch der CO₂-Ausstoß spielt eine zentrale Rolle – und dieser hängt unter anderem vom Gewicht und der Größe eines Fahrzeugs ab. Und genau hier zeigt sich ein Problem: Kleine Autos verschwinden zunehmend aus dem Straßenbild.
Der Anteil der Kompaktklasse ist weiterhin hoch – rund 11,2 Mio. dieser Fahrzeuge sind registriert. Doch auch hier schrumpfen die Zahlen: 132.000 weniger als im Vorjahr. Noch deutlicher ist der Rückgang bei den Kleinwagen (minus 101.000 auf 8,6 Mio.) und den Minis (minus 62.000 auf 3,3 Mio.). Ähnliche Trends zeigen sich bei Mittelklasseautos und Vans.
Ganz anders sieht es bei SUVs aus: Ihr Bestand wuchs um satte 588.000 Fahrzeuge auf 6,6 Mio. Auch Geländewagen legten zu – um 112.000 auf 3,3 Mio.. Selbst Wohnmobile sind im Aufwind und nähern sich der Millionengrenze.
Warum gerade SUVs?
SUVs sind nicht nur bei Neuwagenkäufen beliebt – sie machten zuletzt fast ein Drittel der Neuzulassungen aus. Ein Grund dafür: Die Bauweise der Fahrzeuge bietet genug Raum für große Batterien. Deshalb gibt es unter den neuen Elektroautos besonders viele SUV-Modelle. Unter den reinen Stromern dominieren SUVs mit 626.000 Fahrzeugen – keine andere Fahrzeugklasse kommt auf vergleichbare Zahlen.
Doch gerade große und schwere Fahrzeuge sind klimapolitisch problematisch – selbst wenn sie elektrisch fahren. Denn Herstellung, Verbrauch und Materialeinsatz sind deutlich höher als bei kleineren Modellen.
Der Verkehrssektor bleibt Bremser
Trotz des wachsenden Anteils sauberer Fahrzeuge bleibt der Verkehrsbereich ein Sorgenkind der deutschen Energiewende. Die Internationale Energieagentur (IEA) kommt in einem Bericht zu dem Schluss: „Der Verkehrssektor muss einen Gang zulegen, um zur deutschen Energie- und Wirtschaftswende beizutragen.“ Laut IEA stammen 95 % der verkehrsbedingten Emissionen aus dem Straßenverkehr.
Das Urteil fällt deutlich aus: In vielen anderen Bereichen komme Deutschland beim Umbau der Energieversorgung gut voran. Doch auf der Straße stockt der Fortschritt.
Klimafreundliche Mobilität braucht mehr als E-Autos
Die IEA sieht vor allem die Politik in der Pflicht. Die Bundesregierung müsse stärkere Anreize setzen, um klimaschonende Alternativen attraktiver zu machen. Dazu gehören:
- ein besser ausgebauter öffentlicher Nah- und Fernverkehr,
- gezielte Förderung für E-Autos,
- steuerliche Vorteile für emissionsärmere Fahrzeuge,
- und ein stärkerer Einsatz von Biokraftstoffen.
Tatsächlich hat der Bund zuletzt bei der Förderung gespart. Das bremst die Nachfrage – besonders bei E-Autos. Während viele andere Länder den Ausbau der Elektromobilität mit klaren Förderprogrammen begleiten, sinkt das Interesse in Deutschland gerade spürbar.
Eine gemischte Bilanz mit Luft nach oben
Die IEA erkennt durchaus Fortschritte: Trotz geopolitischer Krisen wie des Ukraine-Krieg oder der Energiepreiskrise sei der Umbau des Energiesystems in Deutschland gut vorangekommen. Bleibe die Politik bei ihren ambitionierten Zielen, könnten sich daraus wirtschaftliche Chancen ergeben – zum Beispiel durch Technologieführerschaft im Bereich erneuerbarer Energien oder klimafreundlicher Mobilität.
Doch der Verkehrssektor bleibt ein Stolperstein. Sauberere Autos allein werden nicht reichen, um die Klimaziele zu erreichen. Ohne eine echte Verkehrswende – mit weniger Autos, mehr ÖPNV und einem anderen Mobilitätsverhalten – bleibt das Ziel einer klimaneutralen Zukunft in weiter Ferne. (mit dpa)
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