Streit um Stuttgart 21 geht trotz Stresstest weiter
Das Ergebnis des „Stresstests“ für das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 ist eindeutig: Die von der Deutschen Bahn errechnete Leistungsfähigkeit des geplanten unterirdischen Bahnhofs wird erreicht. Überprüft wurden die Vorgaben per Simulation. Auch das mit der Prüfung beauftragte, von den Projektgegnern vorgeschlagene Schweizer Gutachterbüro SMA bestätigte die Ergebnisse. Doch die Gegner bleiben skeptisch.
Die Bahn nahm die Nachricht mit Befriedigung auf, die Gegner des Projekts sprachen von einem Gefälligkeitsgutachten. „Wir fühlen uns durch die unabhängigen Gutachter bestätigt“, erklärte Volker Kefer, Infrastrukturvorstand der DB.
Um die von der DB angenommene Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 zu erreichen, sind dem Gutachten zufolge keine zusätzlichen Infrastrukturmaßnahmen neben der ohnehin vorgesehenen Ausrüstung der neuen Strecken mit der herkömmlichen Leit- und Sicherungstechnik sowie der zweigleisigen westlichen Anbindung des Flughafens an die Neubaustrecke erforderlich. Das gilt vor allem für die von den Gegnern des Projekts erhobene Forderung nach der Erweiterung des Tiefbahnhofs um ein 9. und 10. Gleis.
Gegner kritisieren Simulation zu Stuttgart 21
Von den Gegnern wird kritisiert, dass die Simulation des Zukunftsfahrplans „mit wirtschaftlich optimaler Betriebsqualität abgewickelt werden“ könne, was in Widerspruch zu „für die Fahrgäste optimal“ stehe. Zehntausende Reisende müssten Wartezeiten auf sich nehmen, weil in bestimmten Verbindungen keine unmittelbaren Anschlüsse bestünden.
Beim „Stresstest“ für Stuttgart 21 liegt die Schwierigkeit darin, dass es sich um einen „Zukunftsfahrplan“ handelt, für den Annahmen getroffen werden müssen. Sie sind von den heutigen Verhältnissen vielfach weit entfernt. Nicht nur die zukünftigen Gleise und ihre Verknüpfung müssen den Rechenmodellen zugrunde gelegt werden, auch weitere Einflussgrößen sind zu berücksichtigen: Die Leit- und Sicherungstechnik, Steigungen und Gefälle oder die durch Kurven bedingten Geschwindigkeitsbegrenzungen. Zugkraft und Beschleunigungsvermögen künftiger Züge beeinflussen die Simulation ebenfalls. Zudem sind künftige neue Verbindungen im landesweiten Fahrplankonzept, eingebettet in die Fahrplantakt-Strukturen Baden-Württembergs, zu berücksichtigen.
Stuttgart 21: Eine Software wird den Fahrplan konstruieren
Das Betriebsprogramm muss ebenfalls für die Zukunft vorausgedacht werden: Welche Züge werden in welchen Verbindungen wie oft in der Stunde verkehren, welche Umsteigemöglichkeiten sind von Bedeutung, wie viel Zeit ist nötig, damit auch „mobilitätseingeschränkte“ Fahrgäste ohne „Stress“ umsteigen können? Erst wenn alle diese Faktoren mit sämtlichen Beteiligten abgestimmt und festgelegt sind, kann die Ausarbeitung eines Fahrplans beginnen. Dass die Ergebnisse nur unter der Voraussetzung Bestand haben, dass die Annahmen wirklich eintreten, versteht sich von selbst.
Aufgrund der komplexen Vorgaben erledigt heute Software die Konstruktion des Fahrplans. So lässt sich auch die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur optimieren, etwa dadurch, dass Züge in einem stark befahrenen Abschnitt mit annähernd gleicher Geschwindigkeit unterwegs sind. Stark unterschiedliche Geschwindigkeiten beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit, da die zeitlichen Abstände größer werden und in einer Stunde entsprechend weniger Züge den Abschnitt befahren können.
„Ist der Fahrplan fertig, folgt zur Qualitätskontrolle die Simulation. Dabei werden alle Zugverbindungen in der Region durchgespielt, auf Konflikte überprüft und Fehler sichtbar gemacht. Ist der gewünschte Fahrplan konfliktfrei, könnte er veröffentlicht und gefahren werden“, so Thorsten Schaer, der bei DB Netz die Eisenbahnbetriebswissenschaft in der Region verantwortet: „Allerdings treten in der Realität Verspätungen auf. Sie können dazu führen, dass im Fahrplan Konflikte eintreten. Mit einer Betriebssimulation bilden wir auch dieses Störungsgeschehen ab“.
Stuttgart 21: Verspätungen dürfen nicht das gesamte System beeinträchtigen
Für die Betriebssimulation lassen sich unterschiedliche Darstellungen auswählen. Die interessanteste, so Schaer, sei wohl die Übersicht über das gesamte Netz. „Man sieht alle Züge, die dort gleichzeitig fahren. Ob und wie viel sie verspätet sind, erkennt man an einer kleinen Fahne, die das Simulationsprogramm am Zug erzeugt und auf der die Verspätung ausgewiesen wird. Mit zunehmend starker Verspätung ändert die Fahne ihre Farbe bis hin zu rot, wenn ein Zug sehr stark verspätet ist“. Versucht werde, ergänzte Schaer, einen Fahrplan von Anfang an so zu konstruieren, dass einzelne Verspätungen nicht das gesamte System beeinträchtigen und eingetretene Verzögerungen möglichst schnell wieder verringert werden können.
„Üblicherweise führen wir hundert Simulationsläufe durch, um eine gute statistische Grundlage für eine wirklich tragfähige Entscheidung zu bekommen.“ Liegen die Auswertungen vor, lasse sich die Qualität des Fahrplans einschätzen, je nachdem, ob die Verspätungen sich wieder verringern, ob sie etwa gleich bleiben oder sogar weiter ansteigen.
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