Umweltfreundliche Kraftstoffe 19.03.2024, 15:18 Uhr

Sustainable Aviation Fuels: Das sind die klimafreundlichen Treibstoffe für Flugzeuge

Sustainable Aviations Fuels, kurz SAFs, werden immer häufiger genannt, wenn es darum geht, die Luftfahrt klimaneutral zu machen. Wir haben uns die umweltfreundlichen Kraftstoffe einmal etwas genauer angeschaut.

Flugzeug über den Wolken

Umweltfreundlich fliegen: SAFs sollen die Luftfahrt klimaneutral machen, doch ist das überhaupt möglich?

Foto: PantherMedia / jag_cz

Bis zum Jahr 2050 soll der Luftverkehr klimaneutral werden, bis dahin müssen SAFs flächendeckend eingesetzt werden, Experten schätzen den Bedarf auf 600 Millionen Tonnen pro Jahr. Bereits heute können Sustainable Aviations Fuels bis zu 50 Prozent in der bestehenden Flotte „drop-in“ eingesetzt werden. Wird aber kaum gemachty bislang sind es erst 0,1 Prozent. Es bleibt also noch viel zu tun, um die Ziele zu erreichen.

Was sind Sustainable Aviation Fuels?

Kurz gesagt handelt es sich bei SAFs um Kraftstoffe, die darauf abzielen, die CO2-Emissionen und andere negative Umweltauswirkungen der Luftfahrtindustrie zu reduzieren. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Kraftstoffen, die aus Biomasse hergestellt werden, und synthetischen Kraftstoffen, die aus erneuerbaren Energien und CO2 hergestellt werden. Dabei kommen verschiedene Technologien und Verfahren zum Einsatz, von denen hier die wichtigsten genannt werden:

  • Hydrierte Pflanzenöle (HEFA)
  • Alkohol-to-Jet (AtJ)
  • Biomass-to-Liquid (BtL)
  • Power-to-Liquid (PtL)

Wir haben uns die vier Technologien einmal etwas genauer angeschaut und verraten Ihnen, wie sie hergestellt werden. Außerdem blicken wir darauf, wie sinnvoll sie in Hinblick auf eine umweltfreundlichere Luftfahrt der Zukunft sind. Zunächst schauen wir aber auf die gesetzlichen Regelungen.

Initiative „ReFuelEU Aviation“

Die Initiative „ReFuelEU Aviation“ betrifft Rechtsvorschriften, die den Luftverkehr auf den Weg zu den EU-Klimazielen für 2030 und 2050 bringen sollen. Die EU-Gesetzgebung sieht unter anderem vor, dass der Anteil nachhaltiger Flugkraftstoffe bis 2025 auf 2 Prozent, bis 2030 auf 6 Prozent und bis 2050 auf 70 Prozent steigen soll. Zudem soll der Anteil synthetischer Kraftstoffe ab 2030 bei 1,2 Prozent liegen und bis 2050 auf 35 Prozent steigen.

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Doch nicht nur für die Treibstoffhersteller gelten Vorgaben. Flugzeugbetreiber sind zudem verpflichtet, ein Kerosin-SAF-Gemisch zu verwenden, wenn sie von EU-Flughäfen abheben wollen. Außerdem müssen Flughäfen die notwendige Infrastruktur bereithalten, etwa zur Lagerung von SAFs.

Die Initiative „ReFuelEU Aviation“ ist Teil des Pakets „Fit for 55“. Das Paket, das die Europäische Kommission am 14. Juli 2021 vorgestellt hat, soll es der EU ermöglichen, ihre Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden.

Hydrierte Pflanzenöle (HEFA)

Hydrobehandelte Pflanzenöle (HVO), auch bekannt als erneuerbarer Diesel oder HEFA (hydrobehandelte Ester und Fettsäuren), werden durch Hydrierung, d. h. die chemische Reaktion von Ölen und Fetten mit Wasserstoff, hergestellt. Diese Öle und Fette können sowohl aus Pflanzen als auch aus Abfallprodukten wie Altspeiseöl gewonnen werden. Die Hydrierung spaltet die Fette und Öle, entfernt Sauerstoffatome und ungesättigte Bindungen und wandelt sie in langkettige Paraffine um. Glycerin wird in Propangas umgewandelt, und Sauerstoff verbindet sich mit Wasser. Diese als Bioparaffine bezeichneten Produkte werden zunehmend von großen Mineralölunternehmen in Europa hergestellt.

HVO wird oft mit Biodiesel verwechselt. Beide werden aus nachwachsender Biomasse hergestellt, unterscheiden sich jedoch in ihrer chemischen Zusammensetzung und im Herstellungsprozess. Biodiesel besteht chemisch aus Fettsäure-Methylestern (FAME). Ein großer Vorteil von HVO gegenüber herkömmlichem Biodiesel ist das Fehlen von Sauerstoff in den Molekülen, was zu einer besseren Lagerstabilität und geringeren Emissionen führt. Außerdem ist HVO mit der bestehenden Kraftstoffinfrastruktur kompatibel, was die Markteinführung erleichtert. Allerdings reichen die vorhandenen Rohstoffe kaum aus, um den riesigen Bedarf an SAFs zu decken – es gibt einfach zu wenig altes Frittenfett.

Alkohol-to-Jet (AtJ)

Das Alcohol-to-Jet-Verfahren (AtJ) nutzt pflanzliche Biomasse sowie Abfälle als Ausgangsmaterial. Diese zucker- und stärkehaltige Biomasse wird zunächst zu Alkohol vergoren. In weiteren Schritten wird dieser Alkohol dehydriert und durch Raffinationsprozesse in synthetisches Paraffin umgewandelt.

Für die Herstellung des Alkohols gibt es verschiedene Verfahren: die Herstellung von Bioethanol, die biochemische Herstellung von Butanol und die thermochemische Synthese von Methanol. Diese Alkohole werden dann in flüssige Kohlenwasserstoff-Kraftstoffe umgewandelt. Die Herstellung von Alkohol lässt sich vollständig übergehen, kombiniert man AtJ mit DSHC (Direct Sugar to Hydrocarbons). Bei diesem Verfahren werden bereits Zuckermoleküle durch Mikroorganismen so aufbereitet, dass sie anschließend durch Hydrierungsprozesse direkt in Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden können.

Der Haken an AtJ: Woher die pflanzliche Biomasse bekommen, ohne sie den Menschen oder Tieren als Nahrung wegzunehmen? In Brasilien werden SAFs auf Basis von Zuckerrohr, in den USA auf Basis von Mais hergestellt. Das ist in Europa nur schwer vorstellbar und wahrscheinlich auch nicht mit EU-Regularien vereinbar. Hierzulande ist es so geregelt, dass nur Rest- und Abfallstoffe aus Land- und Fortwirtschaft sowie gebrauchte Speiseöle und Speisefette verwendet werden.

Biomass-to-Liquid (BtL)

Bei BtL handelt es sich um ein Verfahren zur Herstellung von Kraftstoffen aus Biomasse. Hier gilt wie bei allen Verfahren, bei denen Biomasse im Spiel ist, dass die Verfügbarkeit nicht unendlich ist. Wie bereits geschrieben, werden in Europa aber nur Rest- und Abfallstoffe aus Land- und Fortwirtschaft sowie gebrauchte Speiseöle und Speisefette verwendet. Bei eigens für die Kraftstoffherstellung angebauten Pflanzen könnte man hingegen mit einem Ertrag von rund 4.000 Litern SAF pro Hektar rechnen. Es wird geschätzt, dass BtL rund 20 bis 25 Prozent des deutschen Kraftstoffbedarfs decken könnte.

Um aus Biomasse flüssigen Kraftstoff herzustellen, werden die Ausgangsstoffe zunächst in Synthesegas umgewandelt. In einem speziellen Reaktor wird feste Biomasse mithilfe von Wärme, Druck und einem Vergasungsmittel wie Sauerstoff in Gas umgewandelt. Dieser Prozess wird als thermochemische Vergasung bezeichnet. Nach der Reinigung des Gases folgt die Synthese zu flüssigen Kohlenwasserstoffen. Das geschieht meist durch die Fischer-Tropsch-Synthese. Wie diese funktioniert, erfahren Sie später.

Power-to-Liquid (PtL)

Eine weitere Möglichkeit, SAFs herzustellen, ist Power-to-Liquid (PtL). Bei diesem Verfahren wird der umweltfreundliche Kraftstoff aus Strom, Wasser und Kohlendioxid herstellt. Der Prozess beginnt mit der Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff, wobei der benötigte Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Sonne und Wind stammt. Der erzeugte Wasserstoff wird dann mit Kohlendioxid zu Synthesegas verarbeitet, aus dem schließlich Kraftstoff hergestellt wird.

Das Kohlendioxid kann aus verschiedenen Quellen wie Industrieprozessen, Biogas oder direkt aus der Atmosphäre stammen. Theoretisch ermöglicht PtL die Herstellung vollständig CO2-neutraler Kraftstoffe, da es auf prinzipiell unbegrenzt verfügbaren Ressourcen basiert. Die Umsetzung gestaltet sich jedoch schwierig. Dabei geht es zum Beispiel um die Entwicklung der notwendigen Infrastruktur und die Begrenzung durch verfügbare Standorte. Zudem bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der Skalierbarkeit der CO2-Abscheidung aus der Luft und der Verfügbarkeit von Elektrolyseuren zur Wasserstofferzeugung.

In Deutschland werden derzeit lediglich zwei Pilotanlagen entwickelt: Ineratec plant die Inbetriebnahme einer Anlage in Frankfurt im Sommer 2024 mit einer Zielproduktion von 2.500 Tonnen Kraftstoff pro Jahr, während das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt bis 2027 eine Anlage in Leuna mit einer Kapazität von bis zu 4.000 Tonnen pro Jahr errichtet. Das war es auch schon, was in Sachen PtL hierzulande passiert. Lesen Sie dazu auch: Power-to-Liquid: Wie Deutschland die Kraftstoffwende verschläft.

Fischer-Tropsch-Verfahren zur Umwandlung von Synthesegas in Kohlenwasserstoffe

Ein wichtiges Verfahren zur Herstellung von SAFs ist das Fischer-Tropsch-Verfahren (FT). Es eignet sich sowohl für BtL als auch für PtL. Das Verfahren ist uralt und wurde von Franz Fischer und Hans Tropsch in den 1920er-Jahren entwickelt. Dabei ging es um die Umwandlung von sogenanntem Synthesegas in flüssige Kohlenwasserstoffe. Das Verfahren diente ursprünglich zur Verflüssigung von Kohle. Es funktioniert aber auch mit Biomasse oder CO2 aus der Luft.

Bei dem genannten Synthesegas handelt es sich um ein Gemisch aus Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff (H2).  Es entsteht durch die Reaktion von Kohle mit Sauerstoff und Wasser bei hohen Temperaturen. Unter hohem Druck und mithilfe eines Katalysators findet eine chemische Reaktion zwischen Wasserstoff und Kohlenmonoxid statt, bei der Kohlenwasserstoffe entstehen. Diese dienen als Grundlage für die Herstellung verschiedener Benzin- oder Dieselkraftstoffe.

Die Umweltverträglichkeit von synthetischem Kraftstoff, der durch die Fischer-Tropsch-Synthese gewonnen wird, hängt im Wesentlichen von der Art der Erzeugung des Synthesegases ab. Ein umweltverträglicher Ansatz ist gegeben, wenn das CO2 aus Biomasse oder der Atmosphäre gewonnen und der Wasserstoff aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Damit wird der CO2 -Kreislauf geschlossen und die Entstehung zusätzlicher Treibhausgase durch die Verbrennung der erzeugten Produkte vermieden. Allerdings stellen Wirtschaftlichkeits- und Effizienzaspekte, insbesondere im Vergleich zu kostengünstigen fossilen Brennstoffen, noch Herausforderungen für eine breite Nutzung dar.

Ist SAF wirklich umweltfreundlich?

Wie umweltfreundlich SAF wirklich ist, darüber streiten sich die Gelehrten, denn beim Verbrennen des Treibstoffs entsteht wieder CO2. Laut der Strategiedirektorin des britischen Luftfahrt-Umweltverbandes AEF, Cait Hewitt, entsteht beim Verbrennen von SAF sogar genauso viel CO2 wie beim Verbrennen von Kerosin.

Der Verband der Fluggesellschaften (Iata) sieht es differenzierter. Demnach nehmen die für die Herstellung von SAF verwendeten Pflanzen während ihres Wachstums CO2 aus der Atmosphäre auf. Dieses CO2 wird beim Verbrennen des Treibstoffes wieder freigesetzt, sodass SAF über den ganzen Lebenszyklus klimaneutral sei. Wenn SAF aus Abfällen anstatt aus Pflanzen gewonnen wird, sieht das jedoch anders aus, da darin auch klimaschädliches Material wie Plastik enthalten ist. „Wenn man das Material in Müllhalden liegenlassen würde, gäbe es weniger Emissionen“, so Hewitt.

Wie sieht die Zukunft von SAFs aus?

Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass es noch ein langer und steiniger Weg ist, bis die Luftfahrt die gesteckten Ziele erreichen kann. Derzeit sieht es sogar so aus, als könnten sie verfehlt werden, da es noch an geeigneten Anlagen zur Herstellung von klimafreundlichem Kerosin fehlt. Bei den Verfahren, die auf Biomasse basieren, ist zudem fraglich, ob genügend Biomasse zur Verfügung steht.

Technisch machbar ist es auf jeden Fall. So flog Ende 2023 erstmals eine Passagiermaschine über den Atlantik, die vollständig mit SAF betrieben wurde. In einer Studie von Transport Environment (TE), einem Zusammenschluss europäischer Umwelt- und Verkehrsverbände, wurde allerdings berechnet, dass für einen Flug von New York nach Paris das Fett von 8.800 geschlachteten Schweinen benötigt wird. Das kann nicht die Lösung sein.

Gleiches gilt für Biokraftstoffe aus Pflanzen. Nachhaltig und klimafreundlich produzierte Biomasse ist eine begrenzte Ressource. Das Wachstum von Pflanzen wie Mais, Raps, Rüben, Soja, Sonnenblumen und Ölpalmen ist begrenzt. Gleichzeitig nehmen weltweit, auch in Deutschland, der Humusverlust und die Ausbreitung von Wüsten oder Dürreschäden zu.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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