Haltbare Lkw-Reifen 10.04.2019, 07:03 Uhr

Synthetischer Kautschuk mit weniger Abrieb als Naturkautschuk

Forscher haben ein künstliches Gummi-Material entwickelt, das erstmals bessere Eigenschaften aufweist als Naturkautschuk und diesen für die Reifen-Produktion eventuell ersetzen könnte.

Lkw-Reifen

Foto: panthermedia.net/Wellphoto

Lkw-Reifen sind großen Belastungen ausgesetzt. Zum einen laufen sie in der Regel zig Kilometer pro Tag. Zum anderen transportieren sie viele Tonnen Gewicht. Umso wichtiger ist ein möglichst geringer Abrieb. Bislang sind sie daher überwiegend aus Naturkautschuk hergestellt worden, der in dieser Hinsicht die besten Werte aufweist.

Die aktuelle Situation sorgt jedoch bei vielen Reifenherstellern für Nervosität: Der Pilz Microcyclus ulei hat sich in Brasilien, dem Ursprungsland des Kautschuks, ausgebreitet und dort für beträchtliche Ernteausfälle gesorgt. Die Sorge ist groß, dass der Pilz auch auf den asiatischen Raum übergreifen könnte, wo sich ebenfalls wichtige Anbaugebiete befinden. Dann wäre die Weltproduktion des Rohstoffs Gummi in Gefahr. Einen gleichwertigen Ersatz gibt es für viele Anwendungen nämlich nicht, da es der Wissenschaft bisher nicht gelungen war, synthetischen Kautschuk herzustellen, der die gleichen Eigenschaften aufweist wie das natürliche Material. Eine Forscher-Gruppe von verschiedenen Fraunhofer-Instituten glaubt, dass ihr in dieser Hinsicht nun ein Durchbruch gelungen ist. Ihr künstlicher Kautschuk soll sich beim Abriebverhalten sogar noch besser bewährt haben als Reifen aus herkömmlichem Gummi.

Synthetischer Kautschuk aus Löwenzahn

Das neue Material bezeichnen die Wissenschaftler als Biomimetischen Synthesekautschuk mit optimiertem Abriebverhalten (BISYKA). „Die Reifen aus Synthesekautschuk verlieren 30 % weniger Masse als das Äquivalent aus Naturkautschuk, der Profilverlust beträgt sogar nur die Hälfte. Zudem lässt sich der Synthesekautschuk mit Bestandsanlagen in großtechnischem Maßstab produzieren. Das heißt: Der Synthesekautschuk bietet eine hervorragende Alternative zum Naturkautschuk – auch im Bereich der Hochleistungs-Lkw-Reifen“, sagt Ulrich Wendler, Leiter des Projekts am Fraunhofer-Pilotanlagenzentrum für Polymersynthese und -verarbeitung PAZ in Schkopau. Beteiligt an der Entwicklung des neuen Materials waren Forscher der Fraunhofer-Institute für Angewandte Polymerforschung IAP, für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME, für Werkstoffmechanik IWM und für Silicatforschung ISC.

Für ihr neues Produkt haben sie im ersten Schritt Kautschuk aus Löwenzahn analysiert. Dieser besteht nämlich wie der Gummi, der aus Kautschukbäumen gewonnen wird, zu etwa 95 % aus Polyisopren, der Rest aus Biokomponenten wie Proteinen oder Lipiden. Also sind es die verbleibenden 5 %, die dem Kautschuk die relevanten Eigenschaften verleihen. In ausgiebiger Detektivarbeit bestimmten die Wissenschaftler daher die einzelnen Komponenten und stellten Gummi her, wobei sie bei jeder Testreihe eine der Biokomponenten ausschalteten und die Abriebeigenschaften des entstandenen Synthetikkautschuks überprüften – bis sie die entscheidenden Parameter identifiziert hatten.

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Erfolgreicher Praxistest von einem unabhängigen Prüflabor

Die Eigenschaften des neuen synthetischen Kautschuks verifizierten sie schließlich mit der sogenannten Dehnkristallisation: Vom Naturkautschuk ist bekannt, dass er kristalline Bereiche bildet, sich also verhärtet, wenn man ihn auf die dreifache Länge dehnt. Dieses Verfahren führten die Forscher auch beim künstlichen Gummi aus, wobei sie die gleichen Effekte erreichten. Anschließend baten sie eine unabhängige Institution, das Prüflabor Nord, ihre Ergebnisse zu überprüfen.

Dazu fertigten sie vier Pkw-Reifen mit einer Lauffläche aus dem neuen Material an. Reifen aus Naturkautschuk dienten zum Vergleich. Die Reifensätze wurden an einem Auto montiert, das mit den unterschiedlichen Reifen jeweils 700 Kreise in die eine Richtung und 700 Kreise in die andere Richtung fuhr. Anschließend hatte der Reifen aus Naturkautschuk-Reifen 850 Gramm an Gewicht eingebüßt und 0,94 Millimeter an Profil verloren. Der Reifen aus synthetischem Gummi war hingegen lediglich 600 Gramm leichter, und das Profil hatte um 0,47 Millimeter abgenommen.

Partner für Markteinführung des neuen Reifenmaterials gesucht

Die Forscher sind davon überzeugt, dass sie den Anteil und die Zusammensetzung der Biokomponenten weiter optimieren können, um zu einer noch besseren Rezeptur zu gelangen. Parallel testen sie, welchen Einfluss die Beimischung von Silicaten hat. Üblicherweise wird nämlich bei der Herstellung von Lkw-Reifen Kautschuk mit Ruß gemischt, wodurch die schwarze Farbe zustande kommt. Silicatfüllstoffe wären eine Möglichkeit, den Ruß zu ersetzen.

Parallel sind die Wissenschaftler bereits auf der Suche nach Industriepartnern, die das neue Produkt auf den Markt bringen wollen. Um Pilzbefall müssten sich die Reifenhersteller dann jedenfalls keine Sorgen mehr machen: Löwenzahn wächst extrem schnell und hat eine Generationenfolge von drei Monaten – beim Baum-Kautschuk sind es sieben Jahre. Der Nachschub wäre also gesichert. Der Reifenhersteller Continental arbeitet übrigens ebenfalls daran, Kautschuk durch Löwenzahn zu ersetzen.

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Ein Beitrag von:

  • Thomas Kresser

    Thomas Kresser macht Wissenschafts- und Medizinjournalismus für Publikumsmedien, Fachverlage, Forschungszentren, Universitäten und Kliniken. Er ist geschäftsführender Gesellschafter von ContentQualitäten und Geschäftsführer von DasKrebsportal.de. Seine Themen: Wissenschaft, Technik, Medizin/Medizintechnik und Gesundheit.

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