Thyssenkrupp setzt künstliche Intelligenz für die Prüfung ein
Neuronale Netze analysieren Geräusche und zeigen auf diese Weise, in welchen Bereichen der Produktionsprozess verändert werden müsste. Thyssenkrupp verpricht sich davon mehr Qualität und will gleichzeitig Kosten sparen.
Ein Auto ist natürlich eine komplexe Maschine. Dabei müssen die einzelnen Teile nicht nur perfekt ineinandergreifen, der Besitzer wünscht auch einen gewissen Komfort, etwa eine angenehme Geräuschkulisse im Inneren des Fahrzeugs. Die hängt allerdings bei weitem nicht nur vom Lärmpegel des Motors ab. Auch das Lenkgetriebe hat einen erheblichen Einfluss, da es durch die Bewegungen der Räder vibriert und diese Vibrationen ins Fahrzeuginnere weiterleitet. Ein Lenkgetriebe soll also keinen unnötigen Krach machen, gleichzeitig muss es trotzdem mögliche Warnsignale, etwa Schäden an den Reifen, weiterleiten. Die Geräusche des Lenkgetriebes sind daher ein wichtiger Faktor, der bei der Qualitätskontrolle und bei der Entwicklung neuer Produkte beachtet werden muss. Thyssenkrupp setzt zur Prüfung jetzt neuronale Netze ein.
Herkömmliche Qualitätskontrolle liefert nicht immer zuverlässige Ergebnisse
Innerhalb des Lenkgetriebes sind Dutzende Komponenten verbaut. Ein Teil davon ist beweglich und ein Teil starr, weswegen es unterschiedliche Auswirkungen hat, wenn eine Komponente verändert wird. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Kugelgewindetrieb zu, der die Lenkbewegung des Fahrers auf die Achse überträgt. Er wird bereits vorm Einbau in das Lenkgetriebe überprüft. Dazu wird er in einer Prüfstand eingesetzt und in Drehung versetzt. Der Prüfstand misst die dabei auftretenden Vibrationsfrequenzen. Sie müssen sich innerhalb bestimmter Grenzwerte bewegen, sonst gilt der Kugelgewindetrieb als Ausschuss.
Das System klingt sinnvoll, ist in der Praxis jedoch nicht unproblematisch. Denn bei einem neuen Kugelgewindetrieb greifen die Ingenieure auf Grenzwerte zurück, die sie aus Vorserien ermittelt haben. Die zeigen jedoch nicht automatisch den optimalen Bereich für das neue Gerät an. Außerdem ist es bei diesem Verfahren nur begrenzt möglich, Wechselwirkungen zwischen dem Kugelgewindetrieb und anderen Komponenten zu berücksichtigen. Das kann lediglich über statistische Berechnungen erfolgen, also Wahrscheinlichkeiten. Auf der anderen Seite kann es passieren, dass der akustische Grenzwert einmalig überschritten wird, es sich jedoch gar nicht um ein minderwertiges Bauteil handelt. Dieser sogenannte „Pseudoausschuss“ verursacht unnötige Kosten.
Künstliche Intelligenz erkennt Zusammenhänge zwischen verschiedenen Bauteilen
Thyssenkrupp will jetzt dieses Verfahren verbessern, indem es künstliche Intelligenz einsetzt. Ergebnisse der ersten Testphase sind nach Aussage des Unternehmens viel versprechend. Vereinfacht gesagt, haben die Lenkungs-Experten ein neuronales Netz so programmiert, dass es in der Lage ist, gemeinsame Muster im vibroakustischen Verhalten von Kugelgewindetrieben und Lenkgetrieben zu erkennen. Dabei analysiert die künstliche Intelligenz alle Abschnitte des Frequenzspektrums und kann daher Zusammenhänge zwischen den Eigenschaften der Bauteile identifizieren. Diese Muster sind keineswegs abstrakt, sondern ermöglichen es den Ingenieuren, sie auf physikalische Effekte im Produktionsprozess zurückzuführen. Mit anderen Worten: Sie erfahren, an welcher Stellschraube sie drehen müssen, um die Produktion zu verbessern.
Das liegt unter anderem daran, dass bei den Tests mit dem neuronalen Netz Datenbereiche einbezogen werden, die bislang unberücksichtigt geblieben sind. Hinzu kommt die Tatsache, dass ein neuronales Netz aus unzähligen Einheiten besteht, die nicht nur Informationen verarbeiten, sondern auch miteinander verbunden sind. Deswegen ist ein neuronales Netz besonders gut dafür geeignet, Muster zu erkennen – nach denen kein Ingenieur gezielt gesucht hat.
Neuronale Netze könnten bei weiteren Projekten zum Einsatz kommen
Die künstliche Intelligenz befindet sich bei Thyssenkrupp gerade in der Erprobungsphase, soll sich aber bereits bewährt haben. Testläufe haben nach Angaben der beteiligten Mitarbeiter gezeigt, dass die Überprüfung der Kugelgewindetriebe im Vergleich zum herkömmlichen Verfahren zuverlässiger sei. Die Kostenersparnis sei spürbar. Bewährt sich das System weiterhin, soll es in größerem Stil für die Qualitätskontrolle genutzt werden. Außerdem plant das Unternehmen, neuronale Netze auch in anderen Bereichen einzusetzen, etwa bei der industriellen Endkontrolle.
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