Dampfschiff Säntis: Bergung der „Titanic der Alpen“ soll doch weitergehen
Der Krimi ist noch nicht zu Ende. Rund zwei Wochen nach dem vermeintlichen Aus für die Bergung des historischen Dampfschiffs „Säntis“ aus dem Bodensee hat der Schiffsbergevrein der Deutschen Presse-Agentur mitgeteilt, dass ein neuer Versuch gestartet werden soll.
Vor über 130 Jahren ist das Raddampfschiff Säntis in Betrieb gesetzt worden und vor 90 Jahren wurde das Schiff im Bodensee versenkt. Mehrmals sollte das Schiff geborgen werden. Realisieren wollte das der Schiffsbergeverein aus Romanshorn in der Schweiz. Ende Mai erklärte dessen Präsident Silvan Paganini in einem Livestream des Schweizer Sendess „Blick TV“, dass die Bergung als gescheitert betrachtet werden muss. Am 08. Juni überraschte der Paganini mit der Meldung, dass die Bergung doch weitergehen soll. Als Grund wird die zahlreichen Ermutigungen aus der Bevölkerung genannt. Einiges müsse jedoch geändert werden, damit das Projekt „Schiffsbergung“ doch noch klappt.
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Verein setzt auf Profis und Crowdfunding
Um zukünftige Bergungen erfolgreich zu gestalten, planen die Ehrenamtlichen einige Änderungen. Sie haben erkannt, dass der Verein professionelle Unterstützung benötigt, da die Bergung zu komplex für Freiwillige allein ist. Zudem muss der Verein erneut Geld sammeln, um das richtige Material zu kaufen und einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Eine neue Crowdfunding-Kampagne zur Finanzierung ist daher erforderlich. Der Verein ist zuversichtlich, dass die Bergung dank dieser Anpassungen und der Unterstützung der Bevölkerung im Frühjahr oder Sommer 2025 gelingen wird.
27. Mai: Bergung „schweren Herzens“ eingestellt
Am Montag, den 27. Mai gab der Schiffsbergeverein bekannt, dass die Bergung vorerst eingestellt worden ist. Noch ist unklar, ob es weitere Versuche geben wird. „In den kommenden Jahren werden möglicherweise weitere Bemühungen unternommen, das Wrack zu bergen und seine Geheimnisse zu enthüllen“, so der Verein. Laut dem Verein hat die Nachricht über das Ende des Projekts bei allen unmittelbar Beteiligten eine Mischung aus Trauer und Enttäuschung hervorgerufen.
Man habe jedoch stets betont, dass man nur so lange weitermachen wolle, wie die Risiken und Kosten überschaubar und im Verhältnis zur Erhaltung dieses „großartigen Schiffes“ vertretbar blieben. Eine Hintertür lässt sich Präsident Paganini jedoch offen. Sollte ein Großspender auftauchen, könne man einen weiteren Versuch starten, denn technisch betrachtet sei eine Bergung weiterhin machbar.
Ursprünglich sollte Ende März mit der Bergung begonnen werden, durch schlechtes Wetter verzögerte es sich um einige Tage. Doch auch im April ging es nicht weiter, denn dann kamen technische Fehler dazu. Zwar konnten erste Seile unter dem Schiff durchgeführt werden, an denen das Wrack an die Oberfläche gehoben werden sollte. Beim Einziehen der Bergeseile ist jedoch ein Seil gerissen, wie Projektleiter Silvan Paganini mitteilte. Zudem mussten am Tauchroboter technische Teile ausgewechselt werden, bevor dieser die Leinen in 210 Metern Tiefe entwirren konnte.
Was ist passiert?
Nachdem die Ersatzteile aus den USA da waren, der Tauchroboter einsatzbereit und seit Pfingsmontag auch alle Hebeleinen eingezogen waren, stand der Bergung nichts mehr im Weg. Das Wetter spielte auch mit. Am Mittag des 26. Mai stürzte jedoch die wichtige Bergeplattform in die Tiefe. Laut Paganini löste sich auf dem Bergeschiff „Mary“ das Bremssystem eines Stahlseils. Die Plattform beschleunigte und weitere Bremssysteme konnten den Fall nicht stoppen. Es war unmöglich, die 25 Tonnen schwere Plattform zu bremsen.
Die Plattform sollte langsam und kontrolliert absinken, um auf das Wrack aufgesetzt zu werden. Danach sollte sie mit Luft gefüllt werden, um die „Säntis“ an die Oberfläche zu heben. In etwa 210 Metern Tiefe zeigten Bilder des Tauchroboters Stahlkabel am Grund. Hebesäcke lagen auf dem Wrackdeck und waren um die Stahlstreben der Plattform gewickelt. Ein Längsträger war gebrochen, ein Tank zerdrückt und lag auf dem Deck. Luftschläuche waren gequetscht, und Ventile waren abgerissen.
Nun geht es darum, das Wrack zu analysieren und eine Aufräumaktion zu planen, so Präsident Paganini. Das Team des Schiffsbergevereins will nun überlegen, wie das Material geborgen werden kann. Zwei Jahre lang hatten sie an der Bergung gearbeitet.
Im Jahr 1898 in Betrieb gesetzt
Am 1. Juli 1892 wurde auf dem Bodensee der Raddampfer Säntis der Schweizerischen Nordostbahn, der heutigen Schweizerischen Bodensee-Schifffahrt AG (SBS AG), in Betrieb genommen. Damals, als es noch keine Autos und Flugzeuge gab, dominierte die mit Kohle und Dampf betriebene Eisenbahn den Personen- und Güterfernverkehr. Die Elektrifizierung steckte noch in den Kinderschuhen. Im Nahverkehr waren Fußgänger und Pferdefuhrwerke die wichtigsten Verkehrsmittel.
Die Säntis hatte ursprünglich einen Klipperbug mit Bugspriet, ähnlich einem Segelschiff, der jedoch in der Werftsaison 1897/98 durch einen senkrechten Bug ersetzt wurde. Im Jahr 1920 erfolgte eine wesentliche Modernisierung, als das Schiff als erstes auf dem Bodensee von Kohle- auf Ölfeuerung umgerüstet wurde, wodurch die Besatzung um einen Mann reduziert werden konnte. Die Säntis wurde mit einer seltenen Dreizylinder-Dampfmaschine ausgerüstet.
1933 wurde die Säntis ausgemustert und wie die Titanic samt Maschine und Aufbauten im Bodensee versenkt. Mit zischendem Rauch und der gehissten Schweizer Fahne verschwand sie in den Tiefen des Sees.
Das Projekt „Dampfschiff Säntis“ auf Youtube
Technische Eckdaten der Säntis
Die Säntis wurde, wie bereits geschrieben, im Jahr 1892 in Dienst gestellt, ihr Heimathafen war Romanshorn, wohin sie nun auch wieder zurückkehren soll. Erbaut wurde das 49 Meter lange und rund 11 Meter breite Schiff von Escher Wyss & Cie aus Zürich. Es bot Platz für etwa 400 Passagiere und ermöglichte bei einer Maschinenleistung von 450 PS eine Geschwindigkeit von 26 km/h, getrieben durch Schaufelräder mit 8 Eisenschaufeln.
Ursprünglich im Besitz der Schweizerischen Nordostbahn (NOB), ging das Schiff 1902 in den Besitz der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) über, bevor es 1997 an die Schweizerische Bodensee-Schifffahrt AG und schließlich 2023 an den Schiffsbergeverein übergeben wurde. Die Verdrängung des Schiffes lag leer bei 206,7 Tonnen und beladen bei 241,7 Tonnen, mit einem Tiefgang von 1,36 Metern im leeren Zustand. Ab 1905 wurde es mit einer Heißdampf-Expansionsmaschine betrieben, was die Effizienz steigerte.
Warum wurde die Säntis im Bodensee versenkt?
Der Beginn ihres Verfalls kann auf die Entscheidung zurückgeführt werden, den Antrieb als Modernisierungsmaßnahme auf Ölbetrieb umzustellen. Im Mai 1933 führten die Auswirkungen einer schweren Wirtschaftskrise und die Tatsache, dass das Schiff nicht mehr seetüchtig war, zu seiner Versenkung.
„1933 gab es eine große Krise, und sie haben alles weggenommen, was sie noch gebrauchen konnten, zum Beispiel haben sie die ganze Holzplattform weggenommen, weil sie das Holz verbrennen konnten, um Wärme zu erzeugen. Es wurden auch einige Türen gefunden, zum Beispiel in den Laderäumen dieser Stadt“, erklärt Silvan Paganini, Präsident des Schiffsbergungsverbandes. Paganini weiter: „Der Preis für die Abwrackung des Säntis war zehnmal höher als der Wert einer vollständigen Demontage, so dass der Kapitän im Mai 1933 beschloss, das Schiff zu versenken“.
Bergung des Kamins der Säntis
Warum sollte das Schiff nun gehoben werden?
Das Wrack der Säntis liegt rund 210 Meter unter der Wasseroberfläche des Bodensee an der deutsch-schweizerischen Grenze. Lange Zeit geriet es in Vergessenheit, bis es 2013 durch eine Unterwasseruntersuchung wiederentdeckt wurde. Aufgrund des niedrigen Sauerstoffgehalts in diesem Süßwassersee ist das Schiff erstaunlich gut erhalten geblieben. Selbst die Lackierung ist noch intakt, so dass der Namen an der Schiffswand noch gut zu erkennen ist.
Dennoch bestand die Befürchtung, dass Quagga-Muscheln, die in einem der Schornsteine gefunden wurden, das Schiff beschädigen könnten. Diese invasive Muschelart breitet sich schnell am Seegrund aus, produziert eine säurehaltige Substanz, die Stahl und Eisen korrodiert, und setzt Kohlendioxid frei. Bisher gibt es keine effektive Methode, ihre Ausbreitung zu stoppen. Dies zwingt Archäologen und Historiker dazu, in einem Wettlauf gegen die Zeit so viele Schiffe wie möglich zu bergen, bevor sie von den Muscheln zerstört werden. Bei der Säntis ist das nun erst einmal gescheitert. Wahrscheinlich für immer.
Was soll nach der Bergung passieren?
Nach der Wiederentdeckung im Jahr 2013 wurde ein Crowdfunding-Projekt zur Bergung der Säntis ins Leben gerufen. Die Ship Salvage Association plant, das Schiff mit Hilfe von Hebesäcken, luftgefüllten Unterwasserballons, schrittweise an die Wasseroberfläche zu bringen. Nach der Hebung soll die Säntis in der nahe gelegenen Werft in Romanshorn renoviert werden. Dort wurde sie bereits 1898 renoviert.
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