Tunnelschlag in der Schwäbischen Alb für die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm
Mit einem symbolischen Tunnelanschlag für die ICE-Neubaustrecke Stuttgart-Ulm wurden die Bauarbeiten für den Steinbühltunnel Mitte Juli in Hohenstadt auf der Schwäbischen Alb offiziell aufgenommen. Der Albaufstiegstunnel Steinbühl ist 4,8 km lang. Insgesamt baut die Bahn auf dem Streckenabschnitt zwischen Wendlingen und Ulm neun Tunnel.
Spätestens 2021 soll mit den langsamen Eisenbahnfahrten über die Geislinger Steige Schluss sein: Dann sollen die ersten Intercitys mit 250 km/h auf der neuen Schnellbahntrasse die Schwäbische Alb durcheilen. Nicht nur die Bahn, sondern auch die Politik hofft, mit der neuen Trasse eine wichtige verkehrspolitische Weiche für die Zukunft gestellt zu haben. Bahnchef Rüdiger Grube: „Diese Neubaustrecke ermöglicht die Neuordnung des wichtigsten Bahnknotens in Baden-Württemberg und legt damit den Grundstein für eine zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur in Deutschlands Südwesten.“
Mit dem Tunnelanschlag für das „ingenieurtechnische Herzstück“ der Schnellbahntrasse rückt für den Bahnchef „eine neue Ära im Schienenverkehr in greifbare Nähe“. Die von 54 min auf 31 min verkürzte Fahrzeit zwischen Stuttgart und Ulm soll der Bahn 40 % mehr Fahrgäste bringen.
„Auch wir wollten diese Neubaustrecke. Da gibt es keinen Zwist in der Regierung“, sagte Baden–Württembergs Winfried Hermann. Der Grünen-Politiker zählte nach dem Volksentscheid noch zu den S21-Gegnern. Inzwischen würden aber alle in der Regierung akzeptieren, „was die Bevölkerung entschieden hat“. „Wer weniger Verkehr auf der Straße und weniger Kurzflugreisen wolle, dürfe nicht gegen solche Schienenprojekte sein“, blies Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer in das gleiche ökologische Horn wie Hermann.
Transeuropäische Netze (TEN), Meeresautobahnen und die Europäische Magistrale-Nr. 17
Die Neubaustrecke ist ein ganz kleiner Baustein eines sehr komplexen – vielen Bürgern nicht so geläufigen – paneuropäischen Infrastrukturnetzes. Obwohl Europa bereits seit Jahrzehnten wirtschaftlich wie politisch zusammenwächst, werden die meisten Routen, über die der Verkehr fließt, noch immer im nationalen Rahmen geplant und betrieben.
Die Idee des Transeuropäischen Verkehrsnetzes gibt es seit der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht im Jahr 1992. Vor über zwei Jahrzehnten wurden unter dem Begriff „Trans-European Networks-Transport“ (auf Deutsch „Transeuropäische Verkehrsnetze“: TEN-V) 30 transeuropäische Projekte benannt, die bevorzugt gefördert werden.
Der Ausbau der europäischen Netze für den Verkehr, umfasst u. a. den Bau von zusätzlichen 58 000 km Fernstraßen, 12 000 km mehr Binnenwasserstraßen und dazugehörige Häfen. Dazu den Zuwachs von ca. 70 000 km Eisenbahnstrecken insbesondere des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes (für ICE, TGV, AVE).
Engpässe beseitigen
Ziel ist es, in der europäischen Verkehrsinfrastruktur Engpässe – wie über die Schwäbische Alb – zu beseitigen, um den schnellen und reibungslosen Waren- und Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gewährleisten zu können und den heutigen Flickenteppich aus Straßen, Schienenwegen, Flughäfen und Schifffahrtskanälen zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsnetz zu verknüpfen.
Neben der Verbindung TEN-17 Paris – Stuttgart – Bratisalva/Budapest gibt es u. a. Planungen von Großbritannien bis zum rumänischen Constanza am Schwarzen Meer. Weitere Beispiele sind die TEN-1-Eisenbahnachse Berlin nach Palermo, TEN-6 von Lyon über Ljubljana nach Budapest, TEN-18 als Binnenwasserstraße von der Maas bis zur Donau, TEN-20 als die Fehmarnbelt-Überbrückung, TEN-25 als Autobahnachse von Danzig nach Wien.
Die Gesamtkosten für die Realisierung der Transeuropäischen Netze wird auf ca. 600 Mrd. € geschätzt. Den Löwenanteil der Finanzierung müssen die einzelnen Mitgliedstaaten tragen.
Unter dem Namen „Magistrale für Europa“ steht die TEN-17 für den Ausbau der Schnellbahnachse Paris – Stuttgart – Bratislava/Budapest, von der die Neubaustrecke Stuttgart nach Ulm eine Teilstrecke darstellt. Diese neu gebaute Strecke beinhaltet neben dem zweigleisigen Ausbau der Kehler Rheinbrücke auch den Ausbau des Streckenabschnitts Stuttgart–Ulm und schließt somit Teile des lokalen Projekts „Stuttgart 21“ in die Förderung durch europäische Finanzmittel mit ein.
Die Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm
Die Verbindung von Stuttgart nach Ulm ist momentan der gravierendste Engpass des vorrangigen EU-Projektes TEN-17. In den Ausbau der 1382 km langen „Europamagistrale“ investieren die EU-Staaten und die EU rund 23 Mrd. €. Die Fertigstellung des Streckenabschnitts Stuttgart–Ulm wird dazu führen, dass fast durchgängig mit Hochgeschwindigkeit von Paris bis München gefahren werden kann. Damit wird der Engpass der Europamagistrale beseitigt.
Die Kapazitäten der heutigen Verbindung sind ausgeschöpft, die technische Ausstattung ist überholt. Maximal 70 km/h sind auf der 1850 eröffneten Filstalbahn über die Geislinger Steige erlaubt. Das ist für eine Hochleistungsverbindung im europäischen Netzwerk nicht akzeptabel.
Die mit dem Bahnprojekt Stuttgart–Ulm entstehende neue Verbindung wird dazu beitragen, dass es zu einer effektiven Verlagerung von der Straße auf die Schiene kommt. Dieser Nutzen sollte in die Berechnungen einbezogen werden: weniger CO2, weniger Feinstaub, weniger Energieverbrauch. Die Belastung der Europastraße E 52 (A8) wird verringert werden.
Für den Ingenieur interessant ist das Höhenprofil der Neubaustrecke über bzw. durch die Schwäbische Alb: Der Beginn der Neubaustrecke ist in Wendlingen bei 271 m ü. d. M., der höchste Streckenpunkt ist im Steinbühltunnel bei Hohenstadt mit 746 m ü. d. M., das Ende der Neubaustrecke liegt im Hauptbahnhof Ulm bei 478 m ü. d. M. Der steilste Neubaustreckenabschnitt hat 31 Promille Längsneigung.
Die Reisezeit zwischen Stuttgart Hauptbahnhof und Ulm Hauptbahnhof verkürzt sich nach Angaben der Deutschen Bahn im Fernverkehr von heute 54 min Minuten auf 31 min, im Regionalverkehr von 60 min auf 41 min.
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