Turbulence Cancelling: Fliegen ohne Turbulenzen bald möglich?
Fliegen ohne Turbulenzen? Bald könnte dieser Traum Realität werden. Grund dafür ist eine neue Technologie des österreichischen Unternehmens Turbulence Solutions. Entwickelt wurde sie bereits 2019 von Wissenschaftlern der TU Wien mit dem Ziel, Flugzeuge bei Turbulenzen zu stabilisieren. Jetzt ist die Technologie marktreif.
Turbulence Cancelling ist eine Technik des österreichischen Unternehmens Turbulence Solutions. Damit können Auswirkungen der Turbulenzen auf das Flugzeug verhindert werden. Ein weiterer Vorteil der Technologie: Der Treibstoffverbrauch der Flugzeuge und nicht zuletzt CO₂-Emissionen können deutlich reduziert werden.
Fast alle kennen dieses mulmige Gefühl, wenn ein Flugzeug plötzlich zu ruckeln beginnt. Für diejenigen, die Flugangst haben – ein Horrorszenario. Noch schlimmer kommt es, wenn das Flugzeug abrupt in ein „Luftloch“ absackt. Dadurch kann eine Maschine für eine kurze Zeit an Höhe verlieren. Es folgt eine diesbezügliche Durchsage des Piloten, die Anschnallzeichen leuchten auf und das Herz pocht wie nach einem Marathon. Einige Menschen vermeiden es deshalb zu fliegen, um diesem unangenehmen Gefühl nicht ausgeliefert zu sein.
Allerdings muss man wissen, dass die Turbulenzen nur dann gefährlich sind, wenn die Fluggäste nicht angeschnallt sind. Gerade deswegen verletzen sich immer wieder Fluggäste bei solchen Ereignissen. Doch auch dieses Wissen trägt kaum zum Sicherheitsgefühl bei, selbst wenn man es weiß, kann man diese Unruhe nicht am Boden lassen.
Wie funktioniert Turbulence Cancelling?
An der Maschine werden kleine Sensoren installiert, die den Luftdruck messen. So können die Sensoren die Turbulenzen rechtzeitig erkennen, noch bevor sie auf die Tragflächen einwirken. Wenn das Flugzeug danach in die turbulente Zone gelangt, werden diese Störungen mit einer Regelungstechnik ausgeglichen. Die eingebauten Flügelklappen werden rechtzeitig in die richtige Position gebracht und der Auftrieb erhöht oder gesenkt. So werden Störungen, die von außen einwirken, ausgeglichen. Dabei können die Turbulenzen um 80 Prozent reduziert werden. Das haben Simulationen gezeigt.
Wir haben den Erfinder der Technologie Andras Galffy gefragt, wie er zu dieser Lösung gekommen ist. „Im Rahmen meiner Diplomarbeit wurde die Erfindung „Improved Direct Lift Control“ gemacht, die sehr schnelle Auftriebsänderungen ermöglicht (weniger als 0.2s statt ca. 2s), und patentiert wurde – US Patent bereits erteilt“, erklärte er, wie es zu der Erfindung kam. Danach entstand auch die Frage, wie man diesen schnelleren Auftrieb nutzen könnte. „Da kam die Idee zur Turbulenzunterdückung auf Basis von nun ausreichend schnell erzeugbaren Gegenturbulenzen“, so Galffy weiter. Das Forschungsprojekt SmartWings an der TU Wien hat dann die dafür vorteilhafte antiziperende Messung von Turbulenzen vor dem Flügel untersucht und Turbulence Cancelling im realen Testflug mit einem Testpiloten demonstriert. Das Forschungsprojekt wurde von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert.
Ohne Turbulenzen – weniger Treibstoff und Ausstoß an Kohlenstoffdioxid
Diese Technologie verspricht nicht nur angenehmere Flüge, sondern auch wirtschaftliche Vorteile. Denn das Umfliegen der Turbulenzen führt immer zu einem erhöhten Treibstoffverbrauch und Ausstoß an Kohlenstoffdioxid. Wenn die Piloten demnächst die geplante Route einhalten können, ohne die Turbulenzen umfliegen zu müssen, sparen sie nicht nur viel Zeit, sondern auch Treibstoff, und nicht zuletzt Geld.
Auch der Einsatz von kleineren Maschinen kann wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Kleinere Flugzeuge gelten im Vergleich zu größeren Maschinen nicht so widerstandsfähig gegenüber Turbulenzen. So werden diese beim Flug viel heftiger empfunden, als wenn man in einem größeren Flieger sitzt. Mit der neuen Technologie könnte die Aerodynamik der kleineren Flugzeuge deutlich verbessert werden, was das Fliegen für alle Beteiligten viel angenehmer macht.
Turbulence Cancelling kann in erste Kundenflugzeuge eingebaut werden
„Die Technologie ist nun so weit, in erste Kundenflugzeuge eingebaut zu werden. Wir planen damit, dass der erste Passagier nächsten Sommer einen Flug mit Turbulence Cancelling erleben kann“, erklärte Andras Galffy. „Durch Weiterentwicklung der Sensorik und der Klappen, können nun Kleinflugzeuge mit überschaubarem Aufwand nachgerüstet werden. Mittelfristig werden wir auch Großflugzeuge turbulenzfrei machen. Ein Schritt nach dem anderen, und der Kleine vor dem Großen“, resümierte der Entwickler.
Wie entstehen die Turbulenzen?
- Unter Turbulenzen versteht man Unregelmäßigkeiten bzw. vertikale Verwirbelungen der Luft. Fliegt das Flugzeug von einer Strömung in die andere, kann es wackeln, weil sich beim Wechsel die Geschwindigkeit ändert. Wenn sich dabei noch zusätzlich die Strömungsrichtung ändert, wird das Wackeln heftiger empfunden. Man kann es mit Wellen im Meer vergleichen, die ein Schiff ins Wanken bringen. Beim Fliegen sorgt der Wind mit seinen Luftwellen für Turbulenzen.
- Turbulenzen können auch durch Wolken entstehen, weil sie durch aufsteigende warme feuchte Luft vertikal wachsen. Die größeren Luftmassen bewegen sich hingegen horizontal über die Erdoberfläche. Mit anderen Worten: Damit haben wir zwei Luftmassen, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in unterschiedliche Richtungen bewegen.
- Bei den Gewitterwolken ist die vertikale Geschwindigkeit noch höher und haben große Strömungen aufwärts und abwärts.
- Es gibt auch sogenannte unsichtbare Turbulenzen (Clear Air Turbulences (CAT). Sie entstehen an der Grenzfläche zwischen starken Höhenwinden mit verschiedener Richtung und Stärke und werden am meisten von Piloten befürchtet, weil sie unangekündigt auftreten. Sie werden nicht auf dem Wetterradar erkannt und man kann nicht durch bestimmte Wolkenformationen gewarnt werden.
- Turbulenzen können durch Berge verursacht werden, weil die horizontalen Luftströmungen mit einem Hindernis konfrontiert werden und ausweichen müssen. Dadurch kommt es auch zu Geschwindigkeitsveränderungen.
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