Überraschende Ergebnisse: Studie zu E-Scootern & E-Bikes
Das Stichwort heißt Mikromobilitäts-Dienste – können E-Scooter und E-Bikes in Sharing-Systemen klimaschädliche Emissionen in Städten wirklich verringern? Oder ist der Hype unberechtigt? Fraunhofer-Forschende haben die Antworten gefunden.
Vor allem in Städten flitzen immer mehr Menschen mit E-Scootern und E-Bikes durch die Straßen, die ihnen gar nicht gehören – Sharing Dienste stellen sie bereit. Doch was bringen diese sogenannten Mikromobilitäts-Dienste (shared micromobility services) wirklich? Können sie zur Verkehrswende beitragen, oder ist das unterm Strich alles nur Spielerei? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI haben im Auftrag des Anbieters Lime dazu eine Studie durchgeführt.
Lösungen werden dringend gebraucht. Denn im vergangenen Jahr ist weltweit der CO2-Ausstoß im Mobilitäts- und Transportsektor um 8% gestiegen. Dabei hätte er eigentlich um 20% sinken sollen, mit Blick auf die internationalen Klimaziele.
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Umfangreiche Studie in sechs Städten
Die Forschenden haben dafür zunächst einen Fragebogen entwickelt und ihn von insgesamt 4.167 Nutzerinnen und Nutzern beantworten lassen. Ein weiterer Teil der Datengrundlage sind Fallstudien aus den sechs Städten Berlin, Düsseldorf, Paris, Stockholm, Melbourne und Seattle. Zusätzlich hat Lime ein Unternehmen damit beauftragt, eine Ökobilanz (Life Cycle Assessment, kurz LCA) der neuesten Generation von E-Scootern und E-Bikes anzufertigen und auf das Nutzerverhalten sowie die Charakteristika der jeweiligen Städte abzustimmen.
Dem Forschungsteam ging es darum, die Frage zu beantworten, wie stark gemeinschaftlich genutzte E-Scooter und E-Bikes dazu beitragen können, klimaschädliche Emissionen in den Städten zu senken. Das ist nach Angaben der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dieser Form zuvor noch nie untersucht worden.
Unterschiedlich große Effekte bei E-Scootern und E-Bikes
Das wichtigste Ergebnis lautet: Die zusätzlichen E-Scooter und E-Bikes können den Netto-Treibhausgasausstoß verringern. Mit dem Nettoeffekt ist die Differenz gemeint zwischen den LCA-Emissionen pro Personenkilometer (pkm) des geteilten Fahrzeugs und denen jener Verkehrsmittel, die die Menschen genutzt hätten, wenn geteilte E-Scooter und -Bikes nicht zur Verfügung gestanden hätten.
Der Effekt durch geteilte E-Scooter war in den untersuchten Städten unterschiedlich groß und am deutlichsten in Melbourne messbar, mit minus 42,4 Gramm (g) pro pkm, dicht gefolgt von Seattle (-37.7 g/pkm). Aber auch in Düsseldorf (-22,1 g/pkm), Paris und Stockholm (-20,7 g/pkm) reduzierten sich die Emissionen im Verhältnis deutlich. Im Berlin fiel der Unterschied am geringsten aus (-14,8 g/pkm). Gemeinschaftlich genutzte E-Bikes schnitten durch die Bank weg schlechter ab.
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Die Forschenden liefern dafür auch eine mögliche Begründung: Fahrten mit E-Bikes würden häufig nicht als Ersatz für Touren mit motorisierten Verkehrsmitteln dienen. Außerdem seien die Diebstahlraten höher, was die LCA-Bilanz verschlechtert, und die einzelnen E-Bikes haben mehr Standzeiten als E-Scooter, werden also insgesamt weniger genutzt.
Umsteigeverhalten ist relevant für CO2-Einsparungen
Wie viel gemeinschaftlich genutzte E-Scooter und E-Bikes bringen, hängt vor allem davon ab, von welchem Verkehrsmittel die Nutzerinnen und Nutzer umsteigen. Am größten sind die Effekte bei Taxi- und Ridehailingdiensten wie Uber sowie beim Umstieg vom privaten Pkw – wenn es sich um Fahrzeuge mit Verbrenner-Motor handelt.
Viel ist darüber diskutiert worden, ob die Sharing-Dienste nicht sogar zu erhöhten CO2-Emissionen führen könnten, weil die Menschen zum Beispiel vom E-Bike auf den E-Scooter umsteigen oder die Fahrzeuge für Strecken nutzen, die sie sonst zu Fuß zurückgelegt hätten. Diese Effekte stufen die Fraunhofer-Forschenden jedoch als gering sein. Unterm Strich seien diese Zuwächse deutlich geringer als die Einsparungen, sodass die Bilanz positiv sei.
E-Scooter und E-Bikes weiter fördern
Die Forschenden sind sich im Klaren darüber, dass viele Unsicherheitsfaktoren in den Ergebnissen stecken. Denn unter anderem haben sie das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger nicht beobachtet, sondern sich auf deren Angaben verlassen.
Claus Doll, Mobilitätsexperte am Fraunhofer ISI hat daher Tipps für alle Beteiligten zusammengestellt, um die Effekte zu vergrößern: „Einerseits sollte die Industrie die Lebensdauer der Fahrzeuge weiter verlängern, die Dekarbonisierung der Produktion durch Beiträge zur Kreislaufwirtschaft fortsetzen und durch Partnerschaften eine Verlagerung von Taxi, Ridehailing und eigenem Auto zu emissionsärmeren Verkehrsmitteln bewirken. Auf der anderen Seite sollten Anbieter und Stadtplaner gemeinsam auf eine bessere Verknüpfung von Mikromobilität und öffentlichem Verkehr hinarbeiten, indem sie beispielsweise Mobilitätsknotenpunkte und verlässliche intermodale Reiseplanungstools für nahtloses Umsteigen einrichten.“
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