Überraschung: Weniger Autoverkehr trotz höherem Pkw-Bestand
Die Agora Verkehrswende hat Überraschendes auf Deutschlands Straßen festgestellt: Trotz steigender Pkw-Zulassungen sinkt der Autoverkehr – Home-Office und Deutschlandticket machen es möglich.
In den letzten Jahren gab es auffällige Veränderungen auf Deutschlands Straßen: Obwohl der Pkw-Bestand kontinuierlich wächst und die Bevölkerung zunimmt, erreicht die Verkehrsleistung noch nicht das Niveau vor der Coronapandemie. Die bisher als unumstößlich angesehene Gleichung „mehr Menschen + mehr Fahrzeuge = mehr Verkehr“ scheint nicht mehr zu gelten. Wie kann das sein? Ist dies nur ein vorübergehendes Phänomen oder ein nachhaltiger Trend? Hat Deutschland den Scheitelpunkt seines Verkehrsaufkommens erreicht? Diesen Fragen widmete sich der Thinktank Agora Verkehrswende in einer detaillierten Analyse.
Verkehrsveränderungen zwischen 2019 und 2023
Zwischen 2019 und 2023 hat sich das Verkehrsgeschehen in Deutschland unerwartet verändert. Laut einer Analyse von Agora Verkehrswende, basierend auf dem Gutachterbericht „Wandel auf Straßen und Schienen: Verkehrsentwicklung in Deutschland 2019–2023“ der KCW GmbH, waren 2023 beispielsweise sieben Prozent weniger Pkw auf den Autobahnen unterwegs als 2019. Auch in Großstädten wie Berlin, Hamburg und München ist eine ähnliche Entlastung im Autoverkehr zu beobachten, teilweise sogar noch deutlicher.
Im öffentlichen Verkehr hat sich die Zahl der Fahrgäste nach starken Einbrüchen aufgrund der Pandemie zwar noch nicht vollständig erholt, jedoch stieg die Verkehrsleistung insgesamt an. In Fernzügen beispielsweise nahm sie um sechs Prozent zu, da die Fahrgäste längere Strecken zurücklegten.
Ursachen und Einflussfaktoren
Dr. Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende, erklärt: „Die Verkehrsdaten bringen einen weit verbreiteten Glaubenssatz der Verkehrspolitik ins Wanken. Trotz leicht steigender Bevölkerungszahlen und einem stetig wachsenden Pkw-Bestand hat der Autoverkehr gegenüber 2019 abgenommen. Verkehrswachstum ist also kein Naturgesetz.“ Dies unterstreicht die Bedeutung, Mobilität und Verkehr politisch zu gestalten, wobei Prioritäten zum Wohle der Allgemeinheit gesetzt werden müssen – unter Berücksichtigung von Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und Sicherheit, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Entwicklung.
Die Analyse von Agora Verkehrswende identifizierte drei Hauptfaktoren, die zu diesen Veränderungen beigetragen haben:
- Homeoffice: Die Einführung von Homeoffice-Regelungen in vielen Unternehmen hat zu einer signifikanten Reduktion des Pendelverkehrs geführt.
- Deutschlandticket: Die Einführung des Deutschlandtickets hat den öffentlichen Verkehr attraktiver gemacht und somit mehr Menschen dazu bewegt, auf das Auto zu verzichten.
- CO2-Preis: Der Anstieg der CO2-Bepreisung bei fossilen Kraftstoffen hat die Kosten für das Autofahren erhöht und somit einen Anreiz geschaffen, alternative Verkehrsmittel zu nutzen.
Politische Instrumente und Handlungsspielräume
Dr. Philine Gaffron, Projektleiterin Städtische Mobilität bei Agora Verkehrswende, betont: „Es gibt viele politische Instrumente, um wünschenswerte Trends im Verkehr zu beschleunigen.“ Diese Instrumente umfassen unter anderem:
- Ausbau des öffentlichen Verkehrs: Durch ein verbessertes Angebot und attraktivere Bedingungen können mehr Menschen den Umstieg auf den öffentlichen Verkehr vollziehen.
- Verbesserung des Rad- und Fußverkehrs: Die Schaffung sicherer und attraktiver Infrastrukturen für Radfahrer und Fußgänger kann den Autoverkehr weiter reduzieren.
- Verursachergerechte Anrechnung der Kosten des Autofahrens: Die volkswirtschaftlichen Kosten des Autofahrens müssen korrekt angerechnet werden, um eine faire Belastung zu gewährleisten.
- Abbau von Privilegien des Autoverkehrs: Über Jahrzehnte gewachsene Privilegien des Autoverkehrs sollten überprüft und gegebenenfalls abgebaut werden.
Die Publikation von Agora Verkehrswende mit dem Titel „Vorboten der Mobilitätswende? Analyse des Personenverkehrs in Deutschland vor, während und nach der Coronapandemie (2019–2023)“ steht kostenlos zum Download zur Verfügung unter: https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/vorboten-der-mobilitaetswende/.
Hier geht es zum Gutachterbericht von KCW mit ausführlicher Dokumentation der Daten: https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/wandel-auf-strassen-und-schienen-verkehrsentwicklung-in-deutschland-2019-2023/.
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