Unternehmen setzen auf Lkw, um Produktionsausfälle zu vermeiden
Mit Lkw aus Osteuropa versuchen deutsche Speditionen, den Ausfall der Güterzüge zu kompensieren. Viele Unternehmen wie die großen Autohersteller liefern ihre Autos per Lkw aus und haben vorsorglich ihre Lager aufgestockt, um die Produktion zu sichern.
Die Staus auf den Autobahnen und sonstigen Fernstraßen in Deutschland summieren sich am ersten Streiktag der Lokführergewerkschaft (GDL) auf viele 100 Kilometer. Allein Nordrhein-Westfalen meldet 300 Kilometer. Schuld daran sind nicht nur die Pendler, die aufs Auto umsteigen müssen, sondern auch unzählige Lkw, die zusätzlich durchs Land rollen, um Produktions- und Lieferausfälle zu verhindern.
Audi etwa schickt seine Fahrzeuge jetzt per Lkw zu seinen Kunden. Täglich fallen 15 Güterzüge aus, die das Werk in Ingolstadt beliefern oder Fahrzeuge abholen. Das entspricht überschlägig gerechnet 500 Lkw. Der Autohersteller BMW, der normalerweise rund 60 Prozent seiner Neuwagen per Bahn auf die Reise schickt, muss täglich zwölf Güterzüge ersetzen.
Freie Transportkapazitäten wegen der Sanktionen gegen Russland
Weil es an normalen Werktagen kaum Lkw gibt, die einfach so herumstehen, sind die Speditionen auf Fahrzeugsuche. Vor allem in Osteuropa werden sie fündig. Dort sind Kapazitäten frei, weil die Zahl der Gütertransporte nach Russland wegen der Sanktionen, die die Europäische Union verhängt hat, drastisch gesunken ist.
Schon vor der Ankündigung des fast fünftägigen Streiks haben Unternehmen vorgesorgt und beispielsweise die Lager aufgestockt. Normalerweise befinden sich Motoren, Karosserieteile und andere Bauteile, die täglich benötigt werden, auf der Straße oder der Schiene. Lkw und Güterwaggons haben die Lager weitgehend abgelöst.
Jetzt rudert die Wirtschaft notgedrungen zurück. Der Hannoveraner Autozulieferer Continental etwa ist sicher, dass er die bahnlose Zeit problemlos übersteht, weil er seine Lager frühzeitig aufgestockt hat.
Chemie- und Stahlindustrie besonders betroffen
Betroffen sind auch die Häfen, weil ein großer Teil der Waren, die umgeschlagen werden, per Bahn weitertransportiert werden, teilweise bis nach Ungarn und Rumänien. Zwar sind Privatbahnen hier gut im Geschäft, doch die Deutsche Bahn hat einen Anteil von mehr als 50 Prozent.
Leiden müssen auch die Chemie- und Stahlindustrie, die einen besonders großen Teil der Warentransporte per Schiene absolviert. Nach ersten Schätzungen dürfte der Streik der Gewerkschaft GDL die deutsche Volkswirtschaft einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Sollte der Streik noch weitergehen „steigen die Kosten exponentiell an“, so Thomas Puls vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Dann ist die Milliarde nicht mehr weit entfernt.
Es geht auch ohne Lokführer
Mag sein, dass Bahn und Industrie jetzt verpassten Chancen nachtrauern, der Automatisierung des Bahnverkehrs nämlich, die Lokführer überflüssig macht. Schon vor 20 Jahren fuhr eine Diesellok völlig selbstständig vom Bahnhof Aachen-West zum Hauptbahnhof – und wieder zurück. Geschickt fädelte sie sich in den normalen Zugverkehr ein. Zeitweise ließ Volkswagen Motoren, die im Werk Salzgitter produziert werden, mit Güterzügen ohne Lokführer nach Wolfsburg bringen. Wegen der hohen Anfangsinvestitionen wollte die Bahn die Idee aber nicht weiter verfolgen.
Realität sind Züge ohne Lokführer dagegen schon im Nahverkehr. So verkehrt in Nürnberg eine U-Bahn-Strecke ohne Fahrer. Die Metro in Paris hat jetzt entschieden, eine fahrerlose Strecke zu verlängern. Siemens ist zudem am Bau einer fahrerlosen U-Bahn in Saudi Arabien beteiligt.
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