Verformbare Flugzeugflügel und flexible Landeklappen helfen Kerosin zu sparen
Der weltweite Luftverkehr ist einer der am stärksten wachsende Sektoren im Verkehrswesen. Entsprechend steigt der Kerosinverbrauch. Forscher wollen den Verbrauch um sechs Prozent zu senken. Unter anderem mit einer beweglichen Landeklappe wollen sie dieses Ziel erreichen.
Fliegen brummt. 3,1 Milliarden Passagiere sind im Jahre 2012 irgendwo auf der Erde in ein Flugzeug gestiegen und insgesamt die unvorstellbare Strecke von 6926 Milliarden Kilometern geflogen. Das ist gegenüber dem Krisenjahr 2009 eine Zunahme an Passagieren von 20,8 Prozent. Das sind nur die Zahlen für die Passagierfliegerei, der gigantische Warentransport durch die Luft ist da noch nicht einmal eingerechnet.
Es liegt auf der Hand, dass diese Vielfliegerei mit erheblichen umweltbelastenden Emissionen und atmosphärischen Prozessen einhergeht, die zur Erderwärmung beitragen. Laut Umweltbundesamt betrug zum Beispiel der Treibstoffverbrauch des Flugverkehrs 2005 stolze 232,4 Millionen Tonnen. Daraus resultierte eine Kohlendioxidemission von 733 Millionen Tonnen. Dazu gesellt sich noch jede Menge Ozon infolge der Emission von Stickoxiden. Aber auch atmosphärische Prozesse wie die Bildung von Kondensstreifen und zusätzlicher Zirruswolken aus diesen Kondensstreifen heizen dem Planeten Erde zusätzlich ein.
Mit Prototypen auf der ILA in Berlin präsent
Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Elektronische Nanosystem ENAS in Chemnitz sind nun angetreten, den Kerosinverbrauch der durstigen Flieger um sechs Prozent zu senken. Erreichen wollen sie diese Einsparung unter anderem durch eine bewegliche Landeklappe. Von heute an stellen die Forscher ihre Ideen bis zum kommenden Sonntag auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtmesse (ILA) in Berlin vor.
Im Rahmen des EU-Projektes Smart Intelligent Aircraft Structures, kurz SARISTU, haben die Forscher in einem ersten Schritt eine Landeklappe entwickelt, die sich entsprechend den Luftströmungen bewegen kann. Die Landeklappe ist an der Hinterkante des Flügels angebracht und wird zur Landung ausgefahren. Diese Klappe ist starr, sie ist in sich unbeweglich, lediglich eine Drehung um eine Achse ist bisher möglich. „Die Landeklappen sollen sich künftig während des Fluges an die Strömungen anpassen und so die Aerodynamik verbessern“, erklärt Martin Schüller vom ENAS.
Die entsprechende Mechanik für die Verformung befindet sich in der Landeklappe. Die Software-Algorithmen, die diese Verformungen steuern, haben die Forscher des ENAS bereits programmiert. Unterstützung bekamen sie von ihren italienischen Kollegen des Luftfahrtinstituts Centro Italiano Ricerche Aerospaziali CIRA mit Sitz in Capua und der Universität Neapel.
Die Haut der Landeklappe ist dehnbar
Parallel haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen daran gearbeitet, die „Haut“ der Landeklappe beweglich und vor allem dehnbar zu machen. „Wir haben eine Silikonhaut kreiert, in der sich starre und weiche Elemente abwechseln“, verrät Andreas Lühring vom IFAM. „Insgesamt besteht die Haut aus fünf harten und drei weichen Bereichen, außen spannt sich eine Silikonhaut darüber.“
Dabei sitzen die weichen Elemente jeweils über der Mechanik, also an den Stellen, die am meisten gedehnt werden. Der Clou ist nicht nur der neuartige Aufbau, sondern das Material an sich: Die Dehnelemente bestehen aus einem Elastomerschaum, der über den gesamten relevanten Temperaturbereich zwischen minus 55 Grad Celsius und plus 80 Grad Celsius elastisch bleibt. Vier 90 Zentimeter lange Prototypen unterziehen die Forscher derzeit umfassende Prüfungen, unter anderem einen Belastungstest im Windkanal.
Verformbare Flügelklappe verringert Luftwiderstand
Ein weiterer Baustein auf dem Weg zum Sechs-Prozent-Ziel Kerosineinsparung ist die verformbare Flügelspitze. Das SARISTU-Konsortium hat eine Klappe entwickelt, die in der Flügelspitze angebracht ist. Diese Klappe verändert während des Fluges ihre Form so, dass der Luftwiderstand möglichst gering ist. Doch zwischen Klappe und dem feststehenden Flügel darf dabei kein Spalt entstehen. Denn dieser Spalt würde den positiven Effekt sofort wieder zunichte machen. „Wir haben daher ein elastisches Verbindungselement entwickelt, und zwar von der chemischen Zusammensetzung über die Verfahrenstechnik bis hin zur Herstellung des Bauteils“, sagt Andreas Lühring. Auch für dieses Bauteil gilt: Es bleibt von minus 55 Grad Celsius bis plus 80 Grad Celsius elastisch. Zudem trotz es der enormen Belastung durch die Flugwinde.
Ein ewiger Wettlauf für die Forscher
Nach aktuellen Zahlen des Dachverbandes der Fluggesellschaften International Air Transport Association (IATA) ist die Nachfrage im Passagierverkehr beispielsweise im September 2013 verglichen mit dem Vorjahresmonat weltweit um 5,5 Prozent gestiegen. „Das starke Wachstum der vergangenen Monate und das Plus bei der Nachfrage im September lassen darauf schließen, dass die Nachfrage nach Flugreisen weiter steigen dürfte“, sagte Tomy Tyler, Director General und CEO der IATA. Auf die Forscher im SARISTU-Konsortium kommt also noch eine Menge Arbeit zu in einem ewigen Wettlauf intelligenter Technologien gegen wachsenden Mobilitätsbedarf.
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