Vorwurf: Autohersteller schummeln beim Kraftstoffverbrauch immer schlimmer
Die Autohersteller schummeln bei den Verbrauchsangaben immer stärker. Inzwischen verbrauchen Autos im Schnitt 42 % mehr als offiziell angegeben. Diesen Vorwurf macht der Forschungsverbund ICCT, der auch an der Aufdeckung des VW-Skandals beteiligt war. 2001 lag die Abweichung nur bei 9 %.
Das kann kein Zufall sein: In den vergangenen 15 Jahren ist die Schwere zwischen dem offiziell angegebenen Kraftstoffverbrauch von Pkw und dem tatsächlichen Verbrauch immer weiter auseinander gegangen. „Während die durchschnittliche Abweichung zwischen Test- und Realwerten im Jahr 2001 noch bei rund 9 % lag, stieg sie bis 2015 auf knapp 42 % an“, heißt es in einer neuen Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT).
In dem Verbund arbeiten Forscher aus Berlin, Brüssel, Peking, San Francisco und Washington zusammen. Das ICCT war auch maßgeblich an der Aufdeckung des Dieselskandals bei VW beteiligt.
Studie stützt sich auf Verbrauchswerte von 1 Mio. Autos
Die neue Studie stützt sich auf eigene Messungen, vor allem aber auf tatsächliche Verbrauchsmessungen renommierter Zeitschriften wie auto motor und sport sowie AutoBild, des Schweizer Touringclubs und vor allem des britischen Messinstituts Emissions Analytics, das selbst bereits mehr als 1.000 Fahrzeuge im echten Verkehr überprüft hat.
Zudem gingen die Verbrauchsmessungen privater Autofahrer und Flottenbetreiber in die Auswertung ein. Insgesamt wertete ICCT die Daten von mehr als einer Million Fahrzeugen aus.
2001 waren Verbrauchsangaben noch realistisch
Das Ergebnis: Vor 15 Jahren waren Verbrauchsangaben noch relativ verlässlich. 2001 lag der streng mit dem Verbrauch korrelierende CO2-Ausstoß neuer Pkw-Modelle in der EU laut Zertifizierungswert bei 170 g/km. Dies entspricht einem Kraftstoffverbrauch von etwa 7,3 l/100 km. Der tatsächliche Verbrauch lag damals nur um 9 % über den offiziellen Angaben. Seitdem hat sich die Abweichung mehr als vervierfacht.
Die Forscher vermuten, dass die Autohersteller in den vergangenen Jahren verstärkt und gezielt Schlupflöcher gesucht haben, um die EU-Grenzwerte einhalten zu können. Seit der Einführung strengerer Grenzwerte im Jahr 2008 seien die auf den Prüfständen eingehaltenen CO2-Werte zwar drastisch gesunken, nicht aber die tatsächlichen Verbrauchswerte auf der Straße.
2015 lagen reale Verbrauchswerte 42 % über Laborwerten
Im Jahr 2015 lag der durchschnittliche CO2-Ausstoß neuer Fahrzeugmodelle, ermittelt unter unrealistischen Bedingungen auf Prüfständen im Labor, bei 120 Gramm pro Kilometer. Das entspricht einem Verbrauch von nur noch 5,1 Liter pro 100 Kilometer. Das für 2015 vorgegebene EU-Ziel eines Flottenverbrauchs von 130 Gramm CO2 pro Kilometer (5,4 l/100 km), wurde offiziell bereits 2013 erreicht.
Aber eben nur auf dem Papier. Laut ICCT verbrauchten die Autos 2015 rund 42 % mehr im Straßenverkehr als angegeben. Bei Oberklasseautos sind die Abweichungen mit rund 50 % noch höher, so ICCT-Europa-Chef Peter Mock, während die Abweichungen bei Kleinwagen geringer ausfallen.
Auffällig hoch seien die Abweichungen auch für Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge. „Generell gilt für die analysierten Fahrzeugmodelle, dass die Diskrepanz zwischen offiziellen und realen Verbrauchswerten bei Einführung einer neuen Modellgeneration in der Regel sprunghaft ansteigt“, so Mock. Und das macht sich auch im Portemonnaie bemerkbar. „Gleichzeitig sind die Kraftstoffkosten für einen durchschnittlichen Fahrzeugkäufer inzwischen etwa 450 Euro höher als die Herstellerangaben zum Kraftstoffverbrauch es vermuten lassen.“
Realistischere Werte durch neuen Verbrauchszyklus
Besserung ist nach Einschätzung des ICCT aber in Sicht mit dem neuen Verbrauchszyklus WLTP, der den realen Verkehr besser auf dem Prüfstand abbilden soll. Aber auch da werde es Abweichungen geben, die aber weniger stark ausfallen können. Das ICCT geht davon aus, dass nach WLTP der tatsächliche Verbrauch etwa um 30 % über den Laborwerten auf dem Prüfstand liegen wird.
Deshalb plädieren die Forscher für die Einführung von Nachtests mit zufällig ausgewählten Serienfahrzeugen, um den realen Verbrauch besser abbilden zu können. Für die Überwachung von Stickoxiden sind solche Tests seit diesem Jahr Pflicht.
Lesen Sie den Dieselskandal hier im Überblick.
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