VW-Streit: Wie kleine Zulieferer große Hersteller herausfordern
Der Autobauer VW und sein nicht liefernder Zulieferer haben sich auf eine weitere Kooperation geeinigt, deren Details offiziell vertraulich sind. Klar ist indes: VW hat gerade noch größeren Schaden für Image und Bankkonto abgewendet, und die andere Seite hat gezeigt, dass sie nicht machtlos ist.
Autobauer sind mächtig. Auch wenn Zulieferer mehrere Abnehmer haben, so schlägt angesichts der schieren Größe ihrer Kunden jede Vertragskündigung ins Kontor. Deshalb galt bis dato: Zulieferer in der Autoindustrie sind von ihren Partnern so abhängig wie ein Baby von seiner Mutter. Die Geschichte um VW und die Prevent-Gruppe lehrt nun etwas anderes.
Der Lieferanten-Streik der vergangenen Tage soll VW rund 100 Millionen Euro gekostet haben. VW musste die Produktion des Golf in Wolfsburg und des Passat in Emden unterbrechen. Und das nur, weil ein sächsischer Hersteller von Lederbezügen die praktisch fristlose Kündigung des Vertrags durch VW nicht akzeptieren wollte und 56 Millionen Euro forderte? Normalerweise hätte der Zulieferer gar nicht genug Druckmittel, weil es immer einen gibt, der einspringen kann. Für jedes Teil sind mindestens zwei Lieferanten üblich, das ist die Grundregel in der Autobranche.
VW reduziert Abhängigkeit von ES Autoguss
Die Sitzbezüge hätte es sicher relativ schnell auch woanders gegeben. Nicht aber die Gussteile, die VW dringend für Getriebe braucht. Und weil der Bezügelieferant CarTrim aus Plauen seine Forderungen offenbar an das Schwesterunternehmen ES Autoguss aus dem benachbarten Schönheide in Sachsen abtrat, das diese Teile herstellt, saß VW in der Klemme. Denn ES Autoguss stellt Getriebeteile her und ist in diesem Bereich der einzige Zulieferer.
Aus der Klemme kam der Konzern jetzt nur heraus, indem er offenbar einen langfristigen Liefervertrag mit ES Autoguss abschloss. Außerdem soll VW 13 Millionen Euro an CarTrim zahlen und seinerseits keine Schadenersatzforderungen stellen, berichtet die Süddeutsche Zeitung.
Demnach sicherten sich die Wolfsburger allerdings in dem neuen Vertrag die Möglichkeit, bis zu einem Fünftel der Teile von einem anderen Lieferanten beziehen zu dürfen.
Damit reduziert VW also die Abhängigkeit von dem einen Zulieferer, muss aber Zugeständnisse machen. Manche Branchenexperten sprechen da von Erpressung. Andere schütteln den Kopf über den Autobauer, der sich selbst so abhängig gemacht hatte. Die „Erpressung“ jedenfalls war nur möglich, weil CarTrim nicht alleine war. Das Bindeglied zu ES Autoguss ist eine bosnische Investorengruppe namens Prevent, die gezielt Autozulieferer aufgekauft hat. Und je mehr dieser oft mittelständischen Betriebe zu einem Verbund gehören, desto stärker sind sie natürlich in Verhandlungen mit der Kundschaft.
Weiterer Streit mit Prevent in Brasilien
Ob Prevent Nachahmer finden wird, ist derzeit nicht abzusehen. Allerdings wurde jetzt bekannt, dass die Gruppe sich auch mit der brasilianischen VW-Tochter streitet, und das seit Monaten. Etwa 130.000 Fahrzeuge hätten deshalb nicht gebaut werden können, erklärte VW do Brasil laut Nachrichtenagentur Reuters. Diesen Konflikt werde man vor Gericht klären müssen, teilte das Unternehmen weiter mit. Nochmal „erpressen“ lassen – das könnte sich VW wohl auch nicht leisten, wenn man nicht gänzlich das Gesicht verlieren will.
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