Wanderlust: Römer der Antike bereisten als erste Menschen ganze Kontinente
Das Straßennetz des antiken Roms umfasste rund 100.000 Kilometer, was bereits zeigt, wie mobil die alten Römer waren. Wie die Analyse von 3.000 Jahre alter DNA zeigt, waren sie wahrscheinlich sogar die ersten Menschen in der Geschichte, die in ihrem Leben einen ganzen Kontinent bereisten.
Die Ingenieure der römischen Antike waren Meister ihres Fachs und ein gut ausgebautes Straßennetz war die Grundlage für den Erfolg der römischen Armee. Aber nicht nur Soldaten zogen in die weite Welt, auch der Handel mit fernen Ländern begann zu florieren. Darüber hinaus packte die Menschen erstmals die Reiselust. Das ist das Ergebnis einer Studie, die sich mit der DNA-Analyse von Tausenden von Skeletten aus der römischen Antike beschäftigt und spektakuläre neue Erkenntnisse über diese Epoche liefert.
Straßennetz ermöglichte Reisen in ferne Länder und Gebiete
Die Römer entwickelten als Erste ein systematisches Straßennetz, mit Rom als zentralem Knotenpunkt. Dies führte zum bekannten Sprichwort „Alle Wege führen nach Rom“. Zu dieser Zeit waren die meisten Menschen zu Fuß unterwegs und legten auf Römerstraßen wie der Via Appia bis zu 30 Kilometer täglich zurück.
Für eine schnellere Fortbewegung war ein Pferdewagen erforderlich, den sich jedoch nur wenige leisten konnten. Reisen diente damals weniger der Erholung als vielmehr der Arbeit, beispielsweise für Eil-Kuriere, die wichtige Nachrichten und Befehle von Rom in entfernte Provinzen brachten. Mit ihren Pferden konnten sie bis zu 200 Kilometer am Tag zurücklegen. An speziell eingerichteten Stationen erhielten sie frische Pferde, um zügiger ihr Ziel zu erreichen.
Wie mobil waren die Menschen in der Antike?
Vor dem Hintergrund des riesigen Verkehrsnetzes der Römer ist es interessant zu erfahren, wie mobil die Menschen in der römischen Welt tatsächlich waren. Das haben Forschende nun anhand moderner Methoden der DNA-Analyse herausgefunden. Die Daten verdeutlichen die kulturelle Vielfalt in verschiedenen Regionen des Römischen Reichs. Laut der Studie waren mindestens 8 % der untersuchten Personen nicht in der Region Europas, Afrikas oder Asiens geboren, in der sie später bestattet wurden.
Diese Erkenntnisse stammen aus einer kürzlich im Fachmagazin eLife veröffentlichten Studie, an deren Leitung Ron Pinhasi von der Universität Wien beteiligt war. Bei der Untersuchung des genetischen Materials aus antiken Skeletten waren zudem Forschende der Stanford Medicine beteiligt. Ziel war es, ein detailliertes Bild der Reise- und Migrationsmuster während der Blütezeit des Reiches zu erstellen.
Konzentration auf ein enges Zeitfenster
Für die Studie konzentrierten sich die Forschenden auf die Zeit von der späten Eisenzeit vor 3.000 Jahren bis ins Mittelalter. Dabei untersuchten sie das Gebiet des gesamten Römischen Reiches. So fanden sich zum Beispiel heraus, wie vielfältig unterschiedliche Regionen im Vergleich zueinander bevölkert waren.
Besonders geringe Diversität zeigten geografisch isolierte Gebiete wie das von Bergen umschlossene armenische Hochland. In den meisten Teilen des Römischen Reiches fanden die Forscher jedoch Skelette mit unterschiedlichem genetischen Hintergrund. Zu den Regionen mit der höchsten Bevölkerungsvielfalt zählten Sardinien, der Balkan sowie Teile von Mittel- und Westeuropa.
Welche Gebiete waren miteinander verbunden?
Das Forschungsteam untersuchte eingehend Knochenfunde, deren genetische Herkunft nicht dem Fundort entsprach. Dies deutete darauf hin, dass die Individuen oder ihre direkten Vorfahren migrierten oder reisten. Laut Pinhasi offenbarte die Analyse gemeinsame Abstammungslinien bei Menschen, die außerhalb ihres Ursprungsgebiets gefunden wurden.
Beispielsweise ließen sich Personen, die in Großbritannien und Irland entdeckt wurden, häufiger auf nord- oder mitteleuropäische Herkunft zurückführen, während südwesteuropäische oder nordafrikanische Ursprünge seltener waren.
Je größer das Reich, desto größer die Mobilität
„Die Ausdehnung des Römischen Reichs war ein gewaltiges Unterfangen, das Tausende von Truppen mit Handel, Arbeit, Sklaverei und Zwangsumsiedlung erforderte“, erläutert Clemens Weiss, Co-Leiter der Studie und ehemaliger Postdoktorand von Jonathan Pritchard, einem der Hauptautoren. Weiss, der auch seinen PhD an der Stanford Medicine absolvierte, fügt hinzu: „Mit der Ausdehnung des Reiches wurden immer mehr Menschen angezogen und die Mobilität über ganze Kontinente hinweg erhöht.“
Während frühere DNA-Analysen auf eine allmähliche Verteilung der Bevölkerung über Generationen hindeuten, offenbaren die neuen Erkenntnisse, dass viele Menschen in dieser Epoche weite Strecken innerhalb ihres Lebens zurücklegten. Ron Pinhasi schlussfolgert: „Das waren vermutlich die ersten Menschen in der Geschichte, die jemals einen ganz Kontinent bereist haben.“
Ging die Mobilität nach Zusammenbruch von Rom wieder zurück?
Für ihre Studie analysierten die Forschenden DNA-Daten von Tausenden Skeletten aus verschiedenen Regionen: dem Römischen Reich, Mitteleuropa, Osteuropa, Zentralasien, Großbritannien, Nordeuropa und Nordafrika. Zusätzlich sequenzierten sie 204 neue Genome von 53 archäologischen Stätten in 18 Ländern, hauptsächlich von Individuen, die zwischen dem ersten und siebten Jahrhundert vor unserer Zeit lebten.
Ein Rätsel mussten die Forschenden jedoch knacken: Wären die Menschen dieser Epoche kontinuierlich gewandert, hätten sich die regionalen genetischen Unterschiede allmählich aufgelöst. Die Genome Osteuropas würden sich nicht mehr von denen Westeuropas oder Nordafrikas unterschieden.
Es ist jedoch so, dass die meisten dieser Populationen bis heute signifikante genetische Differenzen zeigen. Das Forschungsteam vermutet daher, dass die menschliche Mobilität mit dem Niedergang des Römischen Reiches stark nachließ. „Es gibt nicht genügend Daten aus dieser Zeit, um das mit Sicherheit sagen zu können – das wird nun Inhalt nachfolgender Studien sein“, erklärt Pinhasi.
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