Flugunfallstatistik 31.01.2020, 09:44 Uhr

Warum das Fliegen trotz Unfällen ausserordentlich sicher ist

Die Flugunfallstatistik der kommerziellen Luftfahrt zeigt für das Jahr 2019 ein auf den ersten Blick widersprüchliches Bild: Die Zahl der Unfälle, bei denen Menschen ums Leben kamen, stieg gegenüber dem Vorjahr um immerhin die Hälfte auf 23 Ereignisse. Wir beleuchten, was dahinter steckt.

Flughafen Düsselorf

Sicher abheben am Düsseldorfer Flughafen.

Foto: Sarah Janczura

Die Zahl der bei Unfällen Getöteten sank gegenüber dem Vorjahr drastisch  – von 540 auf 279. Von der letzteren Zahl entfiel etwas mehr als die Hälfte auf ein einziges Unglück, den Absturz der Boeing 737 Max von Ethiopian Airlines am 8. März 2019, der 157 Menschen das Leben kostete. Das gemessen an der Zahl der Opfer zweitschwerste Unglück betraf eine Aeroflot Sukhoi Superjet 100-Maschine, die nach mehreren Blitzeinschlägen in Moskau notlandete, dabei aber durch einen starken Querwind in Schwierigkeiten geriet, von der Landebahn abkam und teilweise ausbrannte. 41 von 78 Passagieren und Besatzungsmitgliedern kamen hier ums Leben. Alle anderen Unglücke des Jahres 2019 waren mit ungleich weniger Todesopfern verbunden. Über einen längeren Zeitraum hinweg hat sich auch 2019 die Flugsicherheit weiter verbessert. 2010 waren noch 810 Menschen in 26 Unglücken getötet worden.

Flugverkehr ist so sicher wie kein anderes Verkehrsmittel

Zwei Tendenzen charakterisieren die Unfallstatistik für die zurückliegenden 20 Jahre besonders. Zum einen sind die so genannten Großraumjets inzwischen kaum noch von Unfällen mit Todesfolge betroffen. Zum anderen überleben bei den meisten Unfällen fast alle Passagiere. Beides zusammen trägt dazu bei, dass der Flugverkehr extrem sicher ist. Von mehreren Milliarden Passagieren und Besatzungsmitgliedern sind im vergangenen Jahr 279 Personen ums Leben gekommen. Eine ähnlich geringe Unfallquote weist kein zweites Verkehrsmittel auch nur annähernd auf.

Sicherheitsstandard verbessert sich nur noch in kleinen Schritten

Allerdings ist unverkennbar, dass sich der inzwischen erreichte Sicherheitsstandard der Verkehrsluftfahrt inzwischen nur noch in kleinen Schritten weiter verbessert. Dass es dafür mehrere Gründe gibt, lässt sich relativ leicht aufzeigen. Der jüngste Abschuss eines ukrainischen Verkehrsflugzeugs im Januar dieses Jahres in Iran durch das iranische Militär hat nichts mit der Luftfahrt selbst zu tun. Solche Vorkommnisse lassen sich weder durch technische Verbesserungen der Flugzeuge noch weitere Pilotenschulung nachhaltig vermeiden. Auf der anderen Seite aber zeigt gerade der Fall der beiden Boeing 737 Max-Abstürze in den Jahren 2018 und 2019, dass die Avionik noch längst nicht so ausgereift ist, wie es die Flugzeugbauer manchmal vorgeben.

Airbus und Boeing arbeiten an Vollautomatisierung

Die beiden großen westlichen Flugzeugbauer, Airbus und Boeing, arbeiten beide daran, die technische Sicherheit auf Dauer durch eine Art von Vollautomatisierung nachhaltig zu verbessern. Das gilt für Militär- wie auch Zivil-Flugzeuge. Die amerikanische Marine setzt seit kurzem kleine Frachtflugzeuge ein, die pilotenlos zu den Flugzeugträgern fliegen und dort Menschen und Fracht abladen oder aufnehmen. Dies auch für zivile Flugzeuge zu ermöglichen, ist ein Ziel, an dem Boeing arbeitet. Airbus hat vor wenigen Wochen erstmals ein Verkehrsflugzeug automatisch, das heisst ohne menschliches Eingreifen, starten lassen. Piloten waren zwar an Bord. Sie mussten ihre Hände aber so halten, dass die Kontrollkameras aufzeichnen konnten, dass sie in keiner Weise in den Startvorgang eingriffen. Airbus wie Boeing tun sich mit der Kommentierung dieser Arbeiten allerdings ausgenommen schwer. Auf der einen Seite ist die Zielsetzung der Vollautomatisierung unverkennbar. Auf der anderen Seite aber müssen sich alle Flugzeughersteller in äusserster Zurückhaltung üben, um weder die Piloten noch die Passagiere nachhaltig zu verprellen. Die Piloten bangen sonst um die Zukunft ihres Berufsstands. Zumindest ein Teil der Passagiere fürchtet umzukommen, wenn kein Pilot mehr im Cockpit sitzt. Der Kompromiss dürfte vermutlich sein, dass auf lange Zeit hinaus wenigstens noch ein statt heute zwei Piloten in jedem Cockpit sitzen, der Flugbetrieb aber nichtsdestoweniger automatisiert abläuft. Airbus, Boeing und die Fluggesellschaften sind sich voll bewusst, dass die heutige Besatzungsausstattung der Verkehrsflugzeuge angesichts des ungebrochenen Wachstums der Verkehrsluftfahrt nicht durchzuhalten wäre.

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Statistik: Die meisten Unfälle ereignen sich bei der Landung

Unfälle können sich in allen Phasen eines Fluges ereignen. Traditionell gab es stets die meisten Unfälle bei der Landung. Das ist auch heute noch so. Allerdings ist die Anzahl der Unfälle bei der Landung nur wenig höher als jene beim Start und Steigflug. Auffällig ist, dass auf alle Hauptphasen, den Start, die Landung und den Flug zwischendurch, relativ ähnliche Unfallquoten entfallen. Bei allen statistisch ausgewerteten Unfällen sind jene wenigen Ereignisse ausser acht gelassen, bei denen ein Terrorist ein Flugzeug vorsätzlich zum Absturz bringt. Fluggesellschaften wie Versicherern bereitet Sorgen, dass sich die Passagiere bei Unfällen in der Mehrzahl der Fälle entgegen allen Anweisungen verhalten. Nur bei jedem 7. schweren Unfall kommt ein Passagier zu Tode. Diese Quote könnte durchaus nennenswert tiefer liegen, wenn nicht die überwältigende Mehrheit der Fluggäste im Falle eines Unfalls alles dransetzt, auch Handgepäck und Mäntel zu retten. Das verstopft die ohnehin engen Gänge. Hinzu kommt, dass die Gepäckfächer über den Passagieren durch den Unfall häufig verklemmt sind und sich auch mit Gewalt kaum öffnen lassen. Während die Fluggesellschaften ausnahmslos in ihren schriftlichen wie mündlichen Anweisungen betonen, dass alles Gepäck zurück gelassen werden solle, ist fast immer das Gegenteil der Fall. Die Konsequenz ist nicht selten, dass es schließlich einige nicht mehr schaffen, ein schwelendes oder sogar brennendes Flugzeug noch rechtzeitig zu verlassen.

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Ein Beitrag von:

  • Peter Odrich

    Peter Odrich studierte Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Verkehrsbetriebe. Nach 28 Jahren als Wirtschaftsredakteur einer deutschen überregionalen Tageszeitung mit langer Tätigkeit in Ostasien kehrte er ins heimatliche Grossbritannien zurück. Seitdem berichtet er freiberuflich für Zeitungen und Technische Informationsdienste in verschiedenen Ländern. Dabei stehen Verkehrsthemen, Metalle und ostasiatische Themen im Vordergrund.

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