Warum das Verbrenner-Aus Deutschlands Autobranche stärkt
Eine neue Studie zeigt: Das Aus für Verbrennungsmotoren könnte der deutschen Autoindustrie Vorteile bringen, statt sie zu schwächen.
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Die Mehrheit der Deutschen lehnt das Verbrennerverbot ab. Auch, weil sie die Autoindustrie in Gefahr sieht. Eine aktuelle Studie kommt zu einem überraschendem Ergebnis.
Foto: PantherMedia / aoo8449
Das Ziel, ab 2035 keine Benzin- und Diesel-Pkw mehr neu zuzulassen, sorgt in Deutschland für hitzige Debatten. In einer aktuellen Umfrage spricht sich eine Mehrheit der Autofahrerinnen und Autofahrer gegen ein Aus für den Verbrennungsmotor aus. Kritikerinnen und Kritiker argumentieren, dass die ehrgeizigen Klimaziele die Autoindustrie – eine Schlüsselbranche der deutschen Wirtschaft – gefährden könnten. Eine neue Studie internationaler Forschungsinstitute widerlegt diese Befürchtung.
Die Analyse, an der auch das German Institute of Development and Sustainability (IDOS) beteiligt war, kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor könnte die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Autobauer langfristig stärken. Dr. Nicholas Goedeking vom IDOS betont: „Ausstiegspolitik allein reicht nicht aus, um Europas Führungsrolle im globalen Wettlauf um Netto-Null-Emissionen zu sichern.“ Es braucht ein umfassendes Konzept, das den Wandel begleitet.
Inhaltsverzeichnis
Warum der Ausstieg deutsche Autobauer stärkt
Der globale Wandel in der Automobilbranche ist längst im Gange. Länder wie China haben bereits mit gezielten Investitionen und technologischer Innovation die Weichen gestellt. Für Deutschland bedeutet das: Verzögerungen bei der Umstellung auf Elektromobilität könnten den technologischen Rückstand vergrößern.
Professorin Karoline Rogge von der University of Sussex, die das Strategiepapier koordinierte, erklärt: „Das Beste, was die Politik tun kann, ist, Investitionssicherheit zu gewährleisten und am ehrgeizigen europäischen Zeitplan des Ausstiegs festzuhalten.“ Ein klarer Zeitplan zwingt Unternehmen dazu, frühzeitig in Zukunftstechnologien zu investieren und sich strategisch neu auszurichten.
Die Studie nennt mehrere Vorteile klarer Ausstiegspolitiken:
- Strategische Fokussierung: Unternehmen werden gezwungen, sich auf zukunftsträchtige Technologien wie E-Mobilität zu konzentrieren.
- Planungssicherheit: Klare Fristen helfen Unternehmen, Investitionen zu planen und Produktionsprozesse anzupassen.
- Vermeidung von Fehlinvestitionen: Ohne feste Vorgaben besteht die Gefahr, dass Ressourcen in veraltete Technologien fließen.
Risiken eines Kurswechsels
Ein Rückschritt bei den bestehenden Plänen hätte nach Ansicht der Forschenden schwerwiegende Folgen. Zum einen würde ein politisches Zögern die Glaubwürdigkeit der Politik untergraben und das Vertrauen der Unternehmen in langfristige Investitionen schwächen. Zum anderen würde es die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas gefährden.
China ist ein Beispiel für die Wirkung einer konsequenten Politik: Dort führten frühzeitige Investitionen und klare Vorgaben zu einem technologischen Vorsprung bei Elektroautos. Eine Abkehr von klaren Zielen in Europa könnte dazu führen, dass deutsche Hersteller im globalen Wettbewerb an Boden verlieren.
Technologieneutralität wird von den Studienautorinnen und -autoren kritisch betrachtet: In der frühen Phase der Transformation mag ein breiter Ansatz sinnvoll sein, doch im fortgeschrittenen Stadium braucht es klare Richtungsentscheidungen. E-Fuels beispielsweise gelten als teuer und wenig skalierbar, sodass sie den technologischen Fortschritt eher bremsen könnten.
Gezielte Maßnahmen für eine erfolgreiche Transformation
Ein erfolgreicher Wandel benötigt mehr als nur ein Ausstiegsdatum. Die Forschenden betonen, dass flankierende Maßnahmen entscheidend sind, um den Strukturwandel sozial gerecht und wirtschaftlich sinnvoll zu gestalten:
- Förderung der Nachfrage nach E-Fahrzeugen:
- Vorrang für Elektrofahrzeuge bei öffentlichen Ausschreibungen
- Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe
- Finanzielle Anreize für den Kauf von E-Autos, insbesondere für einkommensschwache Haushalte
- Stärkung der technologischen Entwicklung:
- Förderung von Forschung und Entwicklung, insbesondere bei Batterien und Recycling
- Unterstützung von Pilotprojekten wie bidirektionalem Laden
- Aufbau eines E-Mobilitäts-Ökosystems:
- Ausbau der Ladeinfrastruktur durch internationale Kooperationen
- Anpassung der Strommärkte zur Förderung flexibler Ladelösungen
Zulieferer nicht vergessen: Unterstützung für Betroffene
Ein Aspekt, der in der Studie besonders hervorgehoben wird, betrifft die Zulieferindustrie. Kleine Zulieferbetriebe, die stark vom europäischen Markt abhängig sind, könnten unter der Transformation leiden. Daher fordert die Studie gezielte Unterstützung:
- Förderung von Innovationen bei E-Mobilitätskomponenten
- Diversifizierung der Produktionslinien
- Weiterbildung und Umschulungsprogramme für betroffene Arbeitskräfte
Prof. Adrian Rinscheid von der Universität St. Gallen betont: „Wer eine klare wirtschaftliche Perspektive für Arbeitnehmer*innen und Unternehmen schafft, gewinnt auch die gesellschaftliche Unterstützung für den Wandel.“
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