Welche Veränderungen die Automatisierung bringt
Das autonome Fahren ist für viele eine weit entfernte Zukunftsvision. Experten aber sagen, dass autonome Fahrzeuge schon ab 2021 auf Autobahnen verkehren könnten.
Entspannt die E-Mails bearbeiten, einen Film schauen oder einfach ein Nickerchen einlegen – während das Auto den Insassen bequem und sicher zum nächsten Termin kutschiert. Was derzeit noch visionär klingt, dürfte in wenigen Jahren zum Alltagsbild auf unseren Autobahnen und Straßen werden. Viele Experten sind überzeugt: Den Entwicklungsschritt vom assistierten zum hochautomatisierten Fahren werden wir noch in dieser Dekade erleben. Entscheidenden Anteil daran haben die Entwicklungssprünge in der Fahrzeugelektronik, der Sensortechnologie sowie nicht zuletzt der eingesetzten Software.
Automobilhersteller testen die Automatisierung bereits
Das Ziel der Automobilhersteller ist klar abgesteckt: Schon 2021 sollen Kunden als Sonderausstattung ein System erwerben können, das es schafft, bei einer Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde autonom auf der Autobahn zu fahren und automatisiert auf Verkehrsgeschehnisse zu reagieren. Die Serienentwicklung schreitet sukzessiv voran, der Testbetrieb hat in Europa und den USA bereits begonnen. Zugleich werden Systeme für das automatisierte Fahren im urbanen Umfeld entwickelt.
Wie die autonome Zukunft das Aussehen von Fahrzeugen verändern könnte, haben die Autohersteller zuletzt auf der IAA gezeigt. Jaguar etwa präsentierte den Future Type, einen spacigen Wagen mit silbern getönten Scheiben, bei dem nur das Lenkrad in den Besitz eines Einzelnen übergeht. Und auch Daimler sieht die Zukunft der autonomen Fahrzeuge im Taxigeschäft. Davon zeugt der Vision EQ Fortwo, ein selbstfahrendes Elektrotaxi in Smartform.
Sensortechnologien im komplexen Zusammenspiel
Video, Radar, Ultraschall, Laserscanner, Lokalisierung – ein ganzes Paket an Technologien kommt für das hochautomatisierte Fahren zum Einsatz. Erst in ihrer Gesamtheit ermöglichen sie hoch komplexe Funktionen. „Eine wesentliche Herausforderung lautet daher, das Zusammenspiel dieser physikalischen Sensortechnologien zu beherrschen und permanent zu optimieren. Am Ende gewinnt nicht der, der die besten Komponenten hat, sondern derjenige, der über das leistungsstärkste Paket und die beste Gesamtlösung verfügt“, unterstreicht Stefan Waschul, Entwicklungsleiter im Geschäftsbereich Chassis Systems Control bei der Robert Bosch AG.
Die Funktionalitäten mit einer ganzen Flotte an Serienfahrzeugen auf der Straße zu erproben und dadurch alle Eventualitäten auszuschließen, wird nicht möglich sein. Die Lösung heißt aus seiner Sicht „Flucht nach vorne“. Man werde Funktionen zunächst passiv ins Auto bringen und laufend per Datenübertragung aus dem Auto beobachten. Erst wenn eine ausreichend hohe Anzahl relevanter Situationen aufgezeichnet, übermittelt und ausgewertet worden ist, wird man Funktionen freigeben und nachträglich für die Anwender aktivieren – eine ganz neue Art, Produkte zu validieren und freizugeben.
Ein gutes Beispiel beim Autobahnpiloten sind etwa Situationen mit Fahrbahnnässe, -glätte oder Aquaplaning. Diese Anwendungsfälle wird man einzeln betrachten und validieren müssen. Nicht übertragen und auswerten müssen die Entwickler hingegen die vielen tausend Kilometer des automatisierten Fahrbetriebs, bei denen sich nichts Außergewöhnliches ereignet. Diese Testarbeit kommt indes in den kommenden Jahren noch auf die Fahrzeugentwickler zu.
Infotainment und Interieur gewinnen an Stellenwert
Trotz aller Faszination für das technisch Mögliche und trotz der Vorteile in Sachen Sicherheit und Komfort, die sich mit dem automatisierten Fahren verbinden, bleibt eine Frage offen: Ob und wie können sich Automobilhersteller mit ihren Marken zukünftig noch differenzieren? Klaus Büttner, Hauptabteilungsleiter Automatisiertes Fahren bei der BMW Group AG, beschreibt die Situation so: „Jeder weiß: Fahren im Stau oder im dichten Berufsverkehr, das macht nicht wirklich Freude. Hier ist es höchst sinnvoll, automatisiert gefahren zu werden, der Fahrer erhält sogar wertvolle Zeit zurück, die er anderweitig verwenden kann. Zugleich wird in anderen Verkehrssituationen die „Freude am Fahren“ ungebrochen hoch sein.“ Das Infotainment und das Fahrzeug-Interieur werden entsprechend an Bedeutung hinzugewinnen, wenn die Aufmerksamkeit des Fahrers nicht mehr permanent auf die Straße gerichtet sein muss. Das zumindest ist ein Anknüpfungspunkt, um Marken auch künftig klar zu positionieren.
Auf Ingenieure im Bereich Fahrzeugelektronik, aber auch Fahrzeugdesign kommen also spannende Zeiten zu.
Trends rund um die Elektronik im Fahrzeug
Eine Plattform zum Austausch bietet der internationale VDI-Kongress ELIV (Electronics In Vehicles) vom 16. bis 17. Oktober 2019 im World Conference Center Bonn. Er bildet den Rundum-Blick auf die Trends ab. Denn der Kongress behandelt nicht nur „klassische“ Elektronikthemen wie Bordnetz, Bedien- und Anzeigekonzepte, Hard- und Software, sondern rückt auch aktuelle Themen wie Elektromobilität, Automatisiertes Fahren, Fahrerassistenzsysteme und Connected Car in den Fokus.
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