Wie VW den billigen Dieselmotor umweltfreundlich machte
Im VW-Skandal verstärkt sich immer mehr der Eindruck, dass die Wolfsburger auf dem Weg zum weltgrößten Autobauer offenbar keine Tricks scheuten. Dem großen Ziel stand vor einigen Jahren vor allem ein schwaches US-Geschäft entgegen. Ein neuer Diesel-Motor sollte das ändern und hat das auch geschafft – allerdings wohl nur, indem die strengen Abgasnormen ausgehebelt wurden.
2004 war in den USA ein ganz bitteres Jahr für VW. Um 15 % brach der Absatz damals ein – und das in einem Jahr, in dem alle deutschen Konkurrenten auf dem US-Markt Zuwächse verzeichneten und allein der Branchenprimus Toyota dort mehr als zwei Millionen Autos verkaufte. Hauptnachteil für die Wolfsburger war offenbar der nicht mehr zeitgemäße Dieselantrieb in ihren Modellen. Dass die kürzlich enttarnte Schummel-Software nur ein Jahr später entwickelt wurde, kann man für Zufall halten.
Muss man natürlich nicht. Die Süddeutsche Zeitung erzählt jedenfalls eine Geschichte, die sich auf einen „Insider von damals“ beruft und die einen engen Zusammenhang nahelegt. Das Blatt berichtet, wie VW versucht habe, mit einem neuen Diesel Motor konkurrenzfähig zu werden. Der musste einerseits mehr Leistung bringen als sein Vorgänger, andererseits aber den strengen Abgasnormen in den USA genügen.
Saubere Kat-Technik war VW offenbar zu teuer
Volkswagen habe sich für diesen Zweck einen Motorenentwickler von der Tochter Audi ins Haus geholt. Und der habe schließlich eindeutig festgestellt, dass die beiden Ziele nur mit der so genannten Bluetech-Technologie erreichbar sein würden. Dabei wird Harnstoff eingespritzt, um die Filterkapazität des Katalysators zu steigern, ohne die Leistung des Motors zu bremsen. Das VW-Management habe sich dann aber gegen Bluetech entschieden – dass dafür Kostenargumente entscheidend waren, darf man vermuten, denn einfache Katalysatoren sind deutlich billiger.
Die Konsequenz ist dann logisch: Der neue Motor muss irgendwie die Abgasnormen erfüllen, auch wenn er das technisch gar nicht kann. So jedenfalls muss man die Vorgänge, wie die Süddeutsche sie schildert, interpretieren. Man habe „seinen eigenen Weg gehen“ wollen, ohne Bluetech, soll der Insider berichtet haben. Worin der genau bestand, wird nicht gesagt.
Ignorierte Top-Manager Warnung?
Aus alldem ergibt sich aber dann auch die Frage, wer eigentlich diese Entscheidungen fällte. Martin Winterkorn jedenfalls war erst seit Anfang 2007 Chef in Wolfsburg. Sein Vorgänger Bernd Pischetsrieder ließ nun gleich mal über eine Anwaltskanzlei erklären, er habe von derartigen Manipulationen nie etwas gewusst. Gleiches gilt für den damaligen VW-Markenchef Wolfgang Bernhard, der derartige Spekulationen aufs Schärfste zurückwies. Nachweislich ist die Täuschungstechnik ab 2009 eingebaut worden.
Einer, der schon seit Jahren Bescheid wusste, soll der bisherige Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer gewesen sein. Wie Medien berichten, hat ein Mitarbeiter jetzt gegenüber Prüfern ausgesagt, dass er Neußer schon 2011 über die Manipulationen informiert habe. Ob das so stimmt, lässt sich derzeit nicht klären, der beurlaubte Manager schweigt. Dass der Zulieferer Bosch gar schon 2007 auf die Tricks hingewiesen hat, scheint klar. Die Frage ist nur: Wen?
„Nachbesserung“ bleibt noch unklar
Es ist bei weitem nicht die einzige Frage. Auch in technischer Hinsicht stellt sich ein ganzer Katalog. Zum Beispiel: Worin besteht eigentlich die „Nachbesserung des Abgasverhaltens“, die VW jetzt bei fünf Millionen Fahrzeugen vornehmen will, die demnächst in die Werkstätten gerufen werden? Die Autos würden „eine Servicemaßnahme erhalten“, heißt es nur. Was man technisch vorhat, soll den Behörden im Oktober vorgestellt werden.
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