Elektromobilität weiter erforschen 19.12.2024, 07:00 Uhr

Wieviel Reifenabrieb entsteht eigentlich bei E-Autos?

Dieser Frage gehen Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie und des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik auf den Grund. Dafür entwickeln sie ein ganz spezielles Prognosemodell, das aus virtuellen und realen Daten Ergebnisse liefern soll.

Ein Häufchen schwarzer Gummiabrieb von Autoreifen, in denen ein 1-Cent-Stück steckt. Die Münze ist kleiner als das Häufchen Abrieb. Das verdeutlicht die Menge Mikroplastik, die durch E-Autos entsteht.

30 Gramm pro 100 Kilometer – so viel Gummiabrieb ist typisch beim Reifenverschleiß. Forschende untersuchen, wie viel bei E-Autos entstehen.

Foto: Martin Gießler, KIT

Die Elektromobilität bringt viele Vorteile, aber auch neue Herausforderungen mit sich. Expertinnen und Experten betrachten gerade die Umstellung des Lieferverkehrs auf elektrische Antriebe als Schlüssel zur klimaneutralen Mobilität. Doch E-Autos haben einen entscheidenden Nachteil: einen größeren Reifenabrieb. Insgesamt kommen Schätzungen des Umweltbundesamtes auf jährlich mindestens 100.000 Tonnen Reifenabrieb in Deutschland. Er entsteht durch den Kontakt zwischen Reifen und Fahrbahn.

Vollkasko 2025: Warum E-Autos deutlich teurer werden als Verbrenner

Elektrofahrzeuge, die aufgrund ihres höheren Gewichts und der starken Anfahrmomente oft mehr Abrieb verursachen als Verbrenner, stehen dabei im Fokus. Um diesem Problem entgegenzuwirken, haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik im Projekt RAMUS zusammengeschlossen. Ziel ist es, ein Prognosemodell für den Reifenabrieb bei elektrifizierten Fahrzeugen zu entwickeln, indem Reifen an Prüfständen in Betriebszyklen getestet werden, die das reale Nutzungsverhalten widerspiegeln.

Euro-7-Norm legt neue Grenzwerte für Reifenabrieb bei E-Autos fest

Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass dauerhaft E-Autos mehr Reifenabrieb verursachen. Das liegt vor allem an den schweren Batterien und hohen Anfahrmomente der E-Autos im Vergleich zu konventionell betriebenen Fahrzeugen. Mehr Reifenpartikel bedeutet auch mehr Freisetzung von Mikroplastik. Diese Partikel befinden sich dann als Feinstaub in der Luft, als Sediment in Gewässern und als Verunreinigungen in Böden. „Im Gegensatz zu bisher im Fokus stehenden Verschmutzungsquellen wie Abgasen sind die Einflüsse auf den Entstehungsprozess noch wenig erforscht“, sagt Martin Gießler, Leiter der Arbeitsgruppe „Reifen-Rad-Fahrbahn“ am Institut für Fahrzeugsystemtechnik (FAST) des KIT.

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Ab 29. November 2026 gilt für alle neuen Modelle die Euro-7-Norm. Sie beinhaltet erstmals auch Grenzwerte für den Reifenabrieb. Diese greifen für neue Reifentypen ab dem 1. Juli 2028 für PKW, ab dem 1. April 2030 für leichte Nutzfahrzeuge und ab dem 1. April 2032 für schwere Nutzfahrzeuge und Busse. „Um den Abrieb reduzieren und die neuen Grenzwerte einhalten zu können, müssen wir genauer erforschen, wie Abrieb entsteht und wie sich beispielsweise das Gewicht des Fahrzeugs oder die Reifenart auf die Menge des Abriebs auswirken“, erklärt Gießler. Neben diesen Faktoren spielen auch das Fahrverhalten, zum Beispiel Beschleunigung und Bremsvorgang, die Straßenbedingungen – Temperatur und Nässe – sowie die Verkehrsbedingungen, die durch Stau beeinflusst werden können, eine Rolle bei der Entstehung des Reifenabriebs.

Virtuelle Reifen liefern Daten für Prognosemodell zum Abrieb bei E-Autos

Im Projekt RAMUS nutzen die Forschenden reale Mobilitätsdaten und Fahrprofile aus dem elektrifizierten Lieferverkehr, um Betriebsprofile für die Abriebtests am Reifenprüfstand zu definieren. Diese Daten dienen als Basis für das simulationsgestützte Prognosemodell. Auf einem Reifenprüfstand mit einem realen Asphaltbelag führten die Forschenden die Tests durch. Dabei vermaßen sie den Reifen hinsichtlich seines Kraftübertragungs- und Abriebverhaltens unter verschiedenen Betriebsbedingungen. Diese praxisnahen Untersuchungen sollen wertvolle Erkenntnisse liefern, um mehr über die Einflussfaktoren auf den Reifenabrieb bei E-Autos zu erfahren.

Neben den Prüfstandtests arbeiten die Forschenden auch an der Entwicklung eines Reifenmodells, das große Datenmengen zum Verschleiß von virtuellen Reifen liefern soll. Die Kombination aus realen und virtuellen Untersuchungen bildet die Grundlage für das Prognosemodell. Mit diesem Modell wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorhersagen können, wie verschiedene Faktoren den Reifenabrieb beeinflussen: dazu zählen unter anderem die Art des Reifens, die Belastung, das Fahrzeug oder die Fahrweise. Sobald erste Projektergebnisse vorliegen, will das Forschungsteam diese veröffentlichen und darüber hinaus die gewonnenen Daten auf einer Plattform bereitstellen.

Projekt für mehr Wissen rund um E-Autos

Das Projekt RAMUS (Reifenabriebmessungen und Simulationen) wird innerhalb der Innovationsinitiative mFUND vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit insgesamt 199.738 Euro gefördert. Neben dem KIT als Koordinator ist auch das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM an dem Vorhaben beteiligt. Der Startschuss für das Projekt fiel im Dezember 2024. Geplant ist eine Laufzeit bis 2026.

Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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