Windkraft soll deutsche Werften retten
In den Auftragsbüchern der deutschen Werften klaffen große Lücken. Die Manager der Schiffbau- und Offshore-Industrie klagen über zu geringe Auslastung. Doch die Unternehmen können sich mit dem Spezialschiffbau für die Offshore-Windindustrie vor dem Untergang retten, so eine aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft KPMG, die am 26. Mai vorstellt wurde.
Die Windkraft beflügelt derzeit die Phantasien vieler Manager. Konzerne wie Areva, RWE, Vattenfall, Strabag und Spezialisten gleich Repower, Bard sowie viele Mittelständler stehen bereit für den Bau der ersten großen Windparks auf hoher See. In den kommenden 20 Jahren sollen bis zu 5000 Großwindräder allein in der Deutschen Bucht entstehen. Hunderte weiterer Anlagen sind zusätzlich für Offshore-Windparks vor der belgischen, britischen und dänischen Küste verplant.
Offshore-Industrie könnte deutschen Werften einen Umsatz von bis zu 18 Mrd. € bescheren
Die dafür notwendige Infrastruktur könnte eine Riesenchance für die deutschen Werften sein, so eine aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft KPMG, die am 26. Mai zur Maritimen Konferenz des Bundes in Wilhelmshaven präsentiert wurde. Die Schiffbauer an Nord- und Ostsee durchleben derzeit den stärksten Strukturwandel in ihrer Geschichte und suchen nach dem Ende des Containerschiffbaus dringend neue Beschäftigungsfelder. Die Offshore-Industrie könnte ihnen in den kommenden acht Jahren einen Umsatz von bis zu 18 Mrd. € bescheren und bis zu 6000 Arbeitsplätze sichern, so die KPMG-Experten in ihrer Studie.
Für den Bau der Windparks in der Nordsee bis 75 m Wassertiefen sind bis 2020 laut KPMG 37 Errichterschiffe im Gesamtwert von 1,4 Mrd. € erforderlich, die die bis zu 160 m hohen Windmühlen mit eigenen Bordkränen aufstellen können. Zusammen mit dem Bedarf an etwa 240 weiteren Schlepp-, Reparatur-, Wohn- und Serviceschiffen beziffert KPMG das Auftragspotenzial für die deutschen Werften auf 6,5 Mrd. €. Weitere 11,5 Mrd. € könnten in dem Bau von Fundamenten und Plattformen für die Windkraftanlagen stecken.
Asiatische Werften genießen laut KPMG bei Errichterschiffen einen guten Ruf
Das Potenzial käme für den Schiffbau genau zur richtigen Zeit. Zwar sind laut Werner Lüken, Präsident des Verbandes Schiffbau und Meerestechnik (VSM), „die Unternehmen der Schiffbau- und Offshore-Industrie besser als von vielen erwartet und nahezu vollständig durch die Krise gekommen“, doch täuscht das Umsatzplus von 5,3 Mrd. € (2009) auf rund 8 Mrd. € in 2010 über die wahre Entwicklung der Branche.
Nach 49 in 2010 gelieferten Neubauten konnten die Werften an Nord- und Ostsee bis Ende 2010 nur noch Neubauaufträge für 24 Schiffe für insgesamt 2,7 Mrd. € an Land ziehen. Wegen des langen Vorlaufes für eine Schiffsentwicklung wird die Arbeit in mancher Konstruktionsabteilung deshalb bereits heute knapp, obwohl Schweißer, Schlosser und Schreiner mit dem aktuellen Auftragsbestand noch bis Mitte 2012 gut zu tun haben.
Deutsche Werften sollten sich nach dem Ende des Containerschiffbaus auf ihr Know-How besinnen
Die Situation ist Spätfolge der Weltwirtschaftskrise. Fast zwei Jahrzehnte hatten sich die Werften mehr oder weniger erfolgreich gegen die wachsende Konkurrenz aus Korea und China gewehrt sowie den Dumpingpreisen der Konkurrenz zum Trotz ein Containerschiff nach dem anderen gebaut. Damit ist jetzt Schluss: „Selbst traditionsreiche Containerschiffswerften haben ihr Portfolio neu ausgerichtet“, sagte VSM-Hauptgeschäftsführer Werner Lundt.
Die deutschen Werften wollen sich jetzt auf ihr besonderes Können und Know-how zurückbesinnen. Passagierschiffe, Fähren und Mega-Jachten machten bereits 2010 rund 60 % der Ablieferungen aus. Künftig sollen Spezialschiffe wie Hochseeschlepper und Bohrinselversorger dazukommen. Schiffe für die Offshore-Windkraftbranche kämen wie gerufen.
Es gibt jedoch ein Problem: Etwa bei den hoch spezialisierten Errichterschiffen zeigen sich künftige Betreiber skeptisch, ob die deutschen Schiffbauer diese komplexen Systeme überhaupt entwickeln können. Laut KPMG genießen asiatische Werften dort einen besseren Ruf – obwohl sie bislang überwiegend im Massenmarkt aktiv waren.
Große Hoffnungen ruhen deshalb auf der Sietas-Werft, Hamburg, wo der bislang einzige Auftrag für den Bau eines Errichterschiffes in Deutschland gelandet ist. Die Eigenentwicklung der ältesten deutschen Werft könnte genau das Referenzschiff sein, mit dem die Schiffbauer laut KPMG ihre Kompetenz für den Markteintritt unter Beweis stellten.
VSM und KPMG: Deutsche Werften brauchen Bürgschaften
Für Karsten Schulz von KPMG gibt es noch ein gravierendes Hindernis für Werften: „Die Verwirklichung des in der Studie beschriebenen Szenarios ist an verlässliche und für Investoren attraktive Rahmen- und Finanzierungsbedingungen geknüpft.“ Sowohl Schiffbau und Offshore-Windindustrie genießen nicht gerade das Vertrauen der Banken, die das Risiko eines größeren Engagements bei Schiffen und Windparks scheuen.
Der VSM und KPMG fordern deswegen Bürgschaften für die Werften – der Windkraftindustrie hat die Bundesregierung 5 Mrd. € als Kreditprogramm versprochen. Viel Zeit bleibt den Werften nicht, um daran teilhaben zu können, warnte Lundt: „Die großen Werften aus Fernost drängen mit Dumpingpreisen in den Markt.“ Mit Erfolg: Von 16 bislang bestellten Schiffen werden neun in Korea, China und Singapur, vier in Dubai und eins in Polen gebaut.
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