Zug um Zug – Karriere im ICE-Tempo
Nicole Friedrich bewegt sich sicher auf einem Nebengleis der Deutschen Bahn. Die junge Maschinenbau-Ingenieurin leitet in Krefeld eines der größten Instandsetzungswerke der DB. Das Werk steckt gerade in einer wichtigen Umbauphase, nach der sämtliche ICE-Züge in der niederrheinischen Stadt inspiziert werden.
Der Arbeitsplatz von Nicole Friedrich ist ein Gewirr aus Schienen und Fahrdrähten, Hallen und Hebekränen. Die 31-Jährige führt in Krefeld-Oppum eines der 17 Instandsetzungswerke der Deutschen Bahn, mit 680 Mitarbeitern eines der bundesweit größten. Unter dem Bahncode KKROX werden hier Loks, Wagen oder komplette Triebzüge untersucht, gewartet und repariert. Dann ersetzen die Instandsetzer defekte Steckdosen und aufgeschlitzte Sitzbezüge, beseitigen Graffitis, bauen Motoren aus und ein, montieren neue Verkleidungen, schweißen Nähte, inspizieren Stromaggregate und prüfen Radlager.
Während die Arbeiter die Mängel beseitigen, ist ihre Chefin mit Ausbesserungen anderer Art beschäftigt. „Ich organisiere den Nachschub an Ersatzteilen. Wir sind an die Zughersteller gebunden, die uns leider oft hängen lassen. Selbst auf die Lieferung von Kleinteilen wie z. B. Bolzen warten wir manchmal bis zu einem Jahr“, ärgert sich die Werkleiterin und zitiert ein afrikanisches Sprichwort: „Das erste Kamel hält die Karawane auf, das letzte kriegt die Prügel.“
Dabei tut die gelernte Maschinenbauingenieurin alles, um Verzögerungen zu vermeiden. Sie verweist auf ihre engagierten Mitarbeiter und auf ihr weiteres Aufgabengebiet, das Optimieren der Arbeitsprozesse: „Wir wollen unsere Produktivität innerhalb von fünf Jahren um 25 % steigern. So konnte etwa der durchschnittliche Aufenthalt der Doppelstockwagen bereits von 20 Tagen im Jahr 2000 auf derzeit 14 Tage reduziert werden.“ Gerne erzählt Friedrich auch vom Lob mancher Fachleute für die präzisen Schweißnähte bei den Werkstücken aus Aluminium. Doch die vermuteten Schweißroboter sind ganz und gar aus Fleisch und Blut.
Hinter diesen Erfolgen steckt der strukturelle Umbau, den Friedrichs Vorgänger vor drei Jahren einleitete und den sie seit dem Sommer 2001 weiter energisch vorantreibt. „Das ist ein großes Projekt. Wir sind mehrfach zertifiziert und legen die Messlatte bei Qualität, Sicherheit und Umweltschutz sehr hoch“, sagt Friedrich. Ihr Betrieb genügt seit mehreren Jahren den Ansprüchen bekannter Normen wie der DIN ISO 9001:2000, der DIN ISO 14001 und der DIN ISO 6700–2. Im Rahmen dieser Maßnahmen haben die Mitarbeiter zunächst das eigene Arbeitsumfeld geordneter und strukturierter gestaltet.
„Bei den Prioritäten geht es beispielsweise um die richtigen Arbeitsschritte und darum, welche Werkzeuge zugänglich und griffbereit sein müssen“, erläutert Friedrich, der es sehr wichtig ist, die Mitarbeiter in Entscheidungen einzubinden: „Ich brauche Leute, die mitziehen und vor allem mitdenken. Nur mit Team können wir die Aufgaben bewältigen.“
Die neuen Strukturen sind Teil des Werke-Sanierungsprogramms der Bahn. Höhere Produktivität und mehr Effizienz erwartet der Konzern, damit die operativen Bereiche im Wettbewerb der Verkehrsträger bestehen können. Auf den Bahn-Werkern lastet die hohe Verantwortung für die Qualität der Züge im Betrieb. Ende des Jahres sollen auch sämtliche ICE-Züge aus dem Bundesgebiet die Kontrollen des Krefelder Werkes durchlaufen.
Dass Friedrich einmal die Lagepläne zum Bau einer mehrere 100 m langen ICE-Halle ausführlich studieren würde, hat sich nicht unbedingt abgezeichnet, als die gebürtige Düsseldorferin noch die Schulbank drückte. Als Studienfach kam für sie als Tochter eines Ingenieurs aber nur Maschinenbau in Frage. Nach dem Abitur startet sie deshalb an der Duisburger Uni, wechselt dann aber nach dem Vordiplom zur TH Aachen: „Der Fachbereich war in Duisburg sehr auf Verfahrenstechnik spezialisiert, ich wollte aber in die Fertigungstechnik“, blickt Friedrich zurück. Erste praktische Erfahrungen sammelt sie als Studentin bei einem dreimonatigen Aufenthalt in Südafrika.
Nach dem Studium bewirbt sich die Diplom-Ingenieurin bei mehreren großen Unternehmen. Das Rennen macht die DB, die – ihrem Ruf als schwerfälliges Staatsunternehmen zum Trotz – am schnellsten reagiert. Mit Tempo startet die Freizeitsportlerin Friedrich dann durch und leitet erst ein Projekt, dann eine Abteilung und später ein ganzes Segment. Seit Mitte vergangenen Jahres führt sie als einzige Frau ein Instandsetzungswerk der DB.
Musste sie sich als Frau in diesem männlich dominierten Bereich erst recht beweisen? „Ich habe damit keine Probleme gehabt. Mir wurde eher das junge Alter vorgehalten“, sagt Friedrich gelassen. Der Enthusiasmus der Mitarbeiter und die Effektivitäts-Zahlen sprechen schließlich für sich. Und die Ingenieurin zeigt, wie man den Erfolg auf der ganz speziellen Schiene gestalten kann. ARND WESTERDORF
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