Alternative Antriebe 01.08.2024, 11:51 Uhr

Zurück in die Zukunft: Windkraft für Frachtschiffe

Alte Technik für moderne Schiffe: Schiffsbauer haben die Windkraft als Antrieb für Frachtschiffe wiederentdeckt. Dabei kommen jedoch nicht die altbekannten großflächigen Segel, sondern andere Technologien zum Einsatz. Wir haben uns einige Beispiele angeschaut.

Konzept Frachtschiff mit Segel

Professor GeCheng Zha befindet sich mit seinem Konzept für ein windangetriebenes Frachtschiff noch in der Planungsphase.

Foto: Universität Miami / GeCheng Zha

Die Schifffahrt ist für rund 3 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, das entspricht etwa dem Anderthalbfachen des deutschen Ausstoßes. Die Branche sucht deshalb händeringend nach Alternativen zum Schweröl, das zu den schlimmsten Umweltverschmutzern zählt. Als Alternativen gelten Ammoniak und Methan. Neuerdings gibt es aber auch Konzepte, bei denen die Windkraft eine wichtige Rolle spielt. Wer dabei an riesige Segelschiffe denkt, liegt allerdings falsch. Wir haben uns vier solcher Konzepte angeschaut, von denen eines bereits umgesetzt ist.

Konzept #1: Airbus integriert Flettner-Rotoren in Frachtschiffe

Airbus, eher bekannt als Flugzeughersteller, betritt neue Gewässer. Das Unternehmen entwickelt Frachtschiffe, die Windkraft nutzen, um ihre Klimabilanz zu verbessern. Dabei greift Airbus auf die bewährte Technik der Flettner-Rotoren zurück und interpretiert sie neu.

Flettner-Rotoren sind hohe, drehbare Säulen, die an Deck der Schiffe montiert werden. Der Wind trifft auf die Rotoren und erzeugt durch den Magnus-Effekt eine zusätzliche Vortriebskraft. Diese Technik unterstützt den Schiffsantrieb erheblich. Airbus plant den Bau von drei Frachtschiffen, die mit diesen Rotoren ausgestattet sind, um die aktuellen Frachter zu ersetzen.

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Airbus Frachtschiff mit Flettner-Rotoren

So könnten die Frachtschiffe von Airbus mit Flettner-Rotoren aussehen.

Foto: Airbus

Die Flettner-Rotoren allein reichen jedoch nicht für den kompletten Antrieb aus. Bei starkem Wind übernehmen sie die Hauptarbeit, bei schwachem Wind kommen Elektroantriebe zum Einsatz. Diese werden von Generatoren gespeist, die mit Marinediesel oder grünem Methanol betrieben werden. Diese Kombination ergibt einen „energiesparenden Hybridantrieb“, der von Schiffsingenieuren entwickelt wurde.

Zusätzlich zu den sechs Flettner-Rotoren verfügen die neuen Frachter über zwei Motoren, die sowohl konventionellen Marinediesel als auch fortschrittliches grünes Methanol nutzen können. Eine speziell entwickelte Software plant die Seeroute über den Atlantik und passt sie den aktuellen Windverhältnissen an. Airbus plant, die neuen Schiffe ab 2026 in Betrieb zu nehmen. Das Ziel ist, die CO2-Emissionen auf den transatlantischen Transportrouten bis 2030 im Vergleich zu herkömmlichen Antrieben zu halbieren.

Konzept #2: Windwings setzt die Pyxis Ocean unter Wind

Im August 2023 stach in Singapur ein besonderes Frachtschiff in See: Die Pyxis Ocean. Ziel war Brasilien, und der Antrieb erfolgt teils durch Windkraft. Mit historischen Segelschiffen hat die Pyxis Ocean wenig gemeinsam.

Es gibt keine komplizierten Leinen, und niemand muss in die Takelage klettern. Stattdessen sind die beiden Masten an der Steuerbordseite montiert. Das Windantriebssystem namens Windwings stammt von BAR Technologies aus Großbritannien. Die Windwings wurden von Yara Marine Technologies in Norwegen gebaut, einem Spezialisten für saubere Schiffstechnologien.

Pyxis Ocean

De Pyxis Ocean wurde nachträglich mit Segeln ausgestattet.

Foto: BAR Technologies

Ein Windwing besteht aus Glasfaserverbundwerkstoff und ähnelt eher einer Tragfläche als einem Segel. Das Design basiert auf High-Tech-Segeln aus dem Spitzensport, wie sie beim America’s Cup verwendet werden. BAR Technologies wurde von Sir Ben Ainslie gegründet, einem vierfachen Olympiasieger und America’s Cup Teilnehmer.

Jeder Windwing ist 37,5 Meter hoch und besteht aus drei Elementen. Das mittlere Element ist 10 Meter breit, die beiden äußeren je 5 Meter. Das gesamte System lässt sich nach dem Wind ausrichten, und die äußeren Elemente können im Winkel zum mittleren Element verstellt werden. Bei Bedarf können die Masten gelegt werden, etwa beim Passieren von Brücken oder im Dock.

Sensoren überwachen kontinuierlich Windrichtung und -geschwindigkeit und stellen sicher, dass die Windwings optimal ausgerichtet sind. Bei starkem Wind (ab etwa 40 Knoten bzw. 74 km/h) werden die Windwings automatisch eingefahren. Weitere Sensoren überwachen die Neigung des Schiffes, Kursabweichungen und die Rudereinstellung. John Cooper, Chef von BAR Technologies, betont: „Wir haben Ben nicht an Bord, also muss das automatisch gehen.“

Konzept #3: Autotransporter mit 40 Meter hohen Segeln

Die Königliche Technische Hochschule (KTH) entwickelt zusammen mit Wallenius Marine und der SSPA die Orcelle Wind, einen Autotransporter für 7000 Fahrzeuge, der ausschließlich durch Windkraft angetrieben wird. Auf den ersten Blick unterscheidet sich der 220 Meter lange Spezialfrachter kaum von herkömmlichen Schiffen. Erst beim Auslaufen aus dem Hafen wird seine Besonderheit deutlich. Vom Oberdeck ragen vier 40 Meter hohe Segelpaare wie Flugzeugflügel in den Himmel. Diese Segel nutzen den Wind als Antriebskraft.

Das von der EU mit 9 Millionen Euro geförderte Projekt basiert auf sogenannten Wing Sails. Diese festen Segel sind wie Flugzeugtragflächen geformt. Ursprünglich planten die Ingenieure 50 Meter hohe Segel, die hydraulisch bis auf 100 Meter ausfahrbar wären. Tests mit einem Modellschiff zeigten jedoch Stabilitätsprobleme und Platzmangel für die ausfahrbaren Segel.

Orelle Wind

Auf der Orcelle Wind sollen einmal 4000 Fahrzeuge transportiert werden.

Foto: Wallenius Marine

Im April 2022 präsentierten die Entwickler eine überarbeitete Version. Die Segel wurden auf 40 Meter Höhe reduziert und in zwei Teile aufgeteilt. Diese ähneln den Segeln einer modernen Yacht. Der vordere Teil der Segel ist um 180 Grad drehbar. Bei starkem Wind lässt sich das „Vorsegel“ vollständig einklappen. Die Segelposition kann optimal an Kurs und Windrichtung angepasst werden.

Das neue Segelsystem soll nicht nur für den Orcelle Wind genutzt werden. Auch konventionelle Frachtschiffe könnten von dieser Technologie profitieren. Laut Berechnungen der Entwickler kann ein einzelnes Segel den Treibstoffverbrauch eines herkömmlichen Autotransporters um 480.000 bis 680.000 Liter Diesel pro Jahr reduzieren – das entspricht 7 % bis 10 % des Gesamtverbrauchs.

Auf unserer Schwesterseite berichten wir ausführlich über dieses Konzept: Schifffahrt: Der segelnde Autotransporter

Konzept #4: Absenkbare Zylindersegel unterstützen den Dieselmotor

Ein Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität von Miami entwickelt windbetriebene Zylinder, die die heutigen riesigen Frachtschiffe antreiben könnten, um die Abhängigkeit der Schifffahrtsindustrie von fossilen Brennstoffen zu verringern und Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die Zylinder sind mehrere Stockwerke hoch und können abgesenkt werden, damit sie unter Brücken hindurchfahren können. Sie erzeugen Schub, indem sie Luft ansaugen, unter Druck setzen und in die andere Richtung ausstoßen.

Auf einigen Schifffahrtsrouten könnten diese Zylinder den Treibstoffverbrauch um bis zu 50 Prozent senken. Der Erfinder GeCheng Zha befindet sich derzeit in der Entwurfs- und Simulationsphase für seine Windantriebe. Der Bedarf an solchen Innovationen ist größer denn je. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) hat eine neue Strategie angekündigt, nach der die internationale Schifffahrt bis 2050 keine Treibhausgase mehr ausstoßen soll.

Konzept Frachtschiff mit Segel

Professor GeCheng Zha befindet sich mit seinem Konzept für ein windangetriebenes Frachtschiff noch in der Planungsphase.

Foto: Universität Miami / GeCheng Zha

„Die Schifffahrtsindustrie hat sich bisher gegen Veränderungen gesträubt, weil Dieselmotoren so effizient sind“, sagt Zha. „Aber jetzt, wo der Druck wächst, wird sie sich ändern müssen.“ Derzeit nutzen etwa 30 der weltweit rund 60.000 Frachtschiffe Windantriebe mit starren Segeln aus Aluminium, Glas- oder Kohlefasern. Nach Angaben der International Windship Association wird diese Zahl bis zum Ende des Jahrzehnts auf fast 11.000 steigen.

Laut Zha ist seine Erfindung „viel effizienter“ als die bisher wenigen bei Frachtschiffen eingesetzten windunterstützte Antriebe. „Wir wären in der Lage, eine größere Schubkraft zu erzielen“, erklärte er. Die einzige Herausforderung für Zha besteht nun darin, die Finanzierung für die Entwicklung eines Prototyps zu sichern. „Wir werden es schaffen“, sagte er. „Da etwa 90 % des Welthandels per Schiff abgewickelt werden, ist diese Technologie ein echter Glücksfall“.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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