Zweisitzer fährt mit 1 l Diesel 100 km weit
Schon 2013 will Volkswagen die Kleinserie eines „1-l-Autos“ auf den Markt bringen. Der Prototyp XL1 hat sich als Technologieträger der dritten Generation vom leichten Kabinenroller zum Hightech-Zweisitzer gemausert. VW-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn sieht den Plug-in-Hybrid mit Kohlenstofffaserkarosserie als „Meilenstein“ für seinen Konzern.
„Dieses Fahrzeug ist ein Meilenstein für den Konzern. Wir zeigen damit, was technologisch in einer Kombination von Verbrennungsmotor, Elektromotor und konsequentem Leichtbau möglich ist“, erklärte Ende Januar Volkswagen-Chef Martin Winterkorn bei der Präsentation des Prototypen XL1 anlässlich der Qatar Motor Show.
In der dritten Evolutionsstufe der „1-l-Auto“-Strategie ist es laut Winterkorn gelungen, einen Pkw zu realisieren, in dem zwei Insassen nebeneinander Platz finden, der die heutigen Qualitäts-, Komfort- und Sicherheitsstandards erfüllt und dabei das Verbrauchsziel von 1 l je 100 km Diesel sogar noch unterbietet.
Der Sparkünstler bringt es mit 0,8-l-Zweizylinder-Diesel, Turbo und Common-Rail-Direkteinspritzung (TDI) auf 35 kW. Zum Plug-in-Hybrid macht ihn sein 20-kW-Elektromotor, der den Strom aus Lithium-Ionen-Akkus bezieht, aufzuladen an jeder Haushaltssteckdose. Nachschub erhalten die Akkus unterwegs: Wird gebremst, schaltet der E-Motor auf Generatorbetrieb, sorgt damit für Verzögerung und somit für Strom.
Bis zu 35 km weit soll der XL1 rein elektrisch kommen. Wird der Diesel wieder gebraucht, schleppt ihn die E-Maschine schnell auf Drehzahl. Der Start geht zudem ohne störende Momente vonstatten, weil VW ein Doppelkupplungsgetriebe (DSG) einsetzt. Seine sieben Gänge sorgen zudem im Normalbetrieb für effiziente Kraftübertragung.
Der Dieselverbrauch des Plug-in-Hybrids wird im technischen EU-Normzyklus mit 0,9 l/100 km angegeben (CO2-Äquivalent 24 g/km). „Wir wollten zeigen, dass man auch mit Verbrennungsmotor unterhalb 1 l Verbrauch kommen kann“, erklärte Winterkorn. Man arbeite auch an Batteriefahrzeugen, halte sich aber unterschiedliche Optionen offen. Ziel sei es, den Konzern bis 2018 an die Spitze der Automobilindustrie zu führen – und zwar „ausdrücklich auch in Sachen Ökologie“, betonte Winterkorn.
Neben radikalem „Downsizing“ verfolgt VW in dem Projekt neue Ansätze beim Leichtbau. Der XL1 wiegt leer 795 kg, was vor allem mit seiner Monocoque-Karosserie aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff (CFK) sowie dem umfassenden Leichtmetalleinsatz erreicht wurde. Von den 184 kg Gesamtgewichts gehen nur 23 % auf das Konto von Stahl und Eisen.
Geringsten Luftwiderstand erzielten die Entwickler, weil sie sich beim Design an der aerodynamisch optimalen Tropfenform orientierten. Vorn ist der Zweisitzer so breit wie ein Polo (1,665 m), an dem er sich auch in der Länge (3,888 m) orientiert. Doch wird die Karosserieform nach hinten immer schmaler und am Heck ist sie mit 1,156 m so flach wie ein Sportwagen. Aus Maßen und Form resultiert ein cW-Wert von 0,186 – der VW Polo BlueMotion mit 1,2-l-Dreizylinder-TDI (55 kW Verbrauch 3,3 l/100 km Diesel) hat einen cW-Wert von 0,307.
„Diät“ bei der Masse und optimierter Luftwiderstand lassen den Zweisitzer im Verkehr mühelos mithalten. Denn aus dem Stand verfügt die E-Maschine über 100 Nm Drehmoment, das mit den 120 Nm des TDI-Motors dem Hybridantrieb insgesamt ein max. Drehmoment von 140 Nm verleiht.
Der XL1 beschleunigt in 11,9 s von Null auf 100 km/h bei 160 km/h regelt die Elektronik den Vortrieb ab. Das 1-l-Auto ist somit für Autobahntouren geeignet, zumal seine Reichweite laut VW 550 km beträgt. Dabei ist die Antriebseffizienz bemerkenswert: Um konstant 100 km/h zu fahren, reichen dem XL1 6,2 kW Leistung. Der Golf 1,6 TDI mit 7-Gang-DSG braucht dafür 13,2 kW. Und wenn der Kleine 1 km rein elektrisch fährt, begnügt er sich mit 82 Wh – dem stündlichen Verbrauch einer 80-W-Lampe.
Angesichts dieser Leistungen gerät VW-Forschungschef Ulrich Hackenberg regelrecht ins Schwärmen: „Bei mir sind die Mundwinkel immer weit oben, wenn ich aus dem Prototypen aussteige.“ Der XL1 mit Flügeltüren sei ein Spaßfahrzeug, das dazu verführe, so sparsam wie irgend möglich zu fahren.
Ab 2013 sollen auch erste Kunden dieser Verführung erliegen. „Wir wollen das Fahrzeug als Kleinserie auf den Markt bringen“, sagte Hackenberg. Noch stünden aber Erprobung und die Weiterentwicklung der Fertigungsprozesse an. Entsprechend sei es zu früh, über Preise zu reden. Doch weil nur edelste Materialien darin verbaut sind, wird der Sparflitzer sicher kein Schnäppchen. Dennoch rechnet Hackenberg mit Käufern oder Leasingkunden: „Der XL1 richtet sich an Technik-Freaks, die ein Bewusstsein für Umwelt-, Ressourcen- und Klimaschutz haben und das mit so einem Fahrzeug zum Ausdruck bringen wollen.“
Allerdings war es laut Hackenberg nie vordringliches Ziel, das Auto in Serie zu bringen. Es sei ein Technologieträger mit kontinuierlicher Entwickelung und es seien immer neue Erkenntnisse eingeflossen, aus deren Erprobung man viel für Serienprojekte gelernt habe. „Das ist der wahre Hintergrund des Fahrzeugs: Wir entwickeln daran neue Technologien für den Konzern“, sagte er.
Ein Schwerpunkt ist dabei der Leichtbau mit CFK. Laut Winterkorn hat sich VW gerade mit Qatar auf gemeinsame Materialforschung auf diesem Gebiet geeinigt. Der Ölstaat biete beste Produktionsbedingungen für Kohlenstofffaserwerkstoffe.
VW hat im Zuge des XL1-Projekts mit Zulieferern ein neues Fertigungsverfahren entwickelt und patentiert, mit dem das teure Leichtbaumaterial dem Großserieneinsatz näher kommt: Advanced Resin Transfer Moulding. Dabei handelt es sich um ein Injektionsverfahren bei dem die vorgefertigten Kohlenstofffasergelege in beheizten Pressen in Epoxidharz getränkt und dann in Form gebracht werden. So lassen sich laut VW CFK-Bauteile präzise und schnell in reproduzierbarer Qualität fertigen. Die Oberflächengüte sei so gut, dass zeit- und kostenaufwendige Nachbearbeitungsschritte entfielen.
Leichtbau gilt als Schlüssel bei Ökologie und Elektroautos mit akzeptablen Reichweiten. Beide Ziele bringt Volkswagen mit dem XL1 auf den Punkt: „Das 1-l-Verbrauchziel ist natürlich für die gesamte Branche interessant“, fasste Hackenberg zusammen. Allerdings sei ihm nicht bekannt, dass Hersteller ein ansatzweise vergleichbares Fahrzeug in Arbeit hätten. P. TRECHOW/WOP
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