Alles nur Käse? Wie Mozzarella hilft, Windkraft weiterzuentwickeln
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an der Technical University of Denmark (DTU) erforschen Käse und helfen mit ihrer Arbeit nicht nur der Lebensmittelbranche. Ihre Erkenntnisse lassen sich voraussichtlich auf andere Bereiche übertragen, etwa auf Windkraftanlagen.
Der italienische Mozzarella-Käse sieht eigentlich nicht so aus, als würde er große Geheimnisse bergen. Weiß und rund geformt wirkt er eher schlicht, und auch sein Geschmack ist unauffällig. Im Gegensatz zu den meisten anderen Käsesorten wird er jedoch bei der Herstellung geknetet, was ihm eine strähnige Konsistenz verleiht, also eine Struktur, die für einen Käse sehr ungewöhnlich ist. Außerdem dehnt er sich beim Backen. Genau jetzt kommt die Forschung ins Spiel.
Denn nicht jeder Mozzarella verhält sich im Ofen gleich, und damit ist auch nicht jede Charge perfekt dafür geeignet, um zum Beispiel als Pizza-Belag zu dienen. Winzige Stellschrauben scheinen zu wesentlichen Veränderungen zu führen. Woher die Unterschiede kommen, versucht Pawel Pieta, Doktorand an der DTU, mithilfe der Computertomografie zu entlarven. Spielerei im Namen der Wissenschaft? Keineswegs, denn seine Erkenntnisse können auch für andere Branchen sehr hilfreich sein. Kein Wunder also, dass seine Arbeit vom Innovationsfonds Dänemark gefördert wird.
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CT liefert 3D-Bilder der Käse-Struktur
Pietas Ziel ist es, Informationen über die Struktur einer Probe mit ihren funktionellen Eigenschaften in Beziehung zu setzen. Dafür muss er zunächst die Struktur im Detail ermitteln. Einfach ist das mit der Röntgenstrahlung des CT-Gerätes nicht. „Proteine und Fette, aus denen Mozzarella besteht, halten Röntgenstrahlen kaum auf. Um also nicht nur zu erkennen, dass es sich hier um einen Käse handelt, sondern auch die Struktur im Inneren zu erfassen, müssen wir sehr lang belichtete Bilder machen, und zwar Tausende davon, um die Informationen für ein 3D-Bild zu sammeln“, sagt Pawel Pieta.
Im Ergebnis würde es bis es zu zwölf Stunden dauern, einen Mozzarella-Würfel mit einer Kantenlänge von zwei Zentimetern zu scannen. Doch bei Zimmertemperatur schmilz der Käse langsam oder wird zumindest matschig und verliert seine Form. Das Team um Pieta entwickelte daher einen Spezialbehälter für den Mozzarella, den sie kühlen, indem sie kaltes Ethylenglykol durch den oberen und unteren Teil des Behälters spülen. Zusätzlich statteten sie den Behälter mit einem Ventilator aus, um die kalte Luft zirkulieren zu lassen.
Holz und manche Kunststoffe verhalten sich ähnlich
Die bisher erstellten Scans haben die Annahme beleget, dass Mozzarella anisotrop ist. Die Struktur des Materials verläuft also im Großen und Ganzen in dieselbe Richtung. Anisotrope Materialien haben unterschiedliche Eigenschaften in verschiedenen Richtungen. Holz zum Beispiel ist anisotrop, was seine Zugfestigkeit entlang der Maserung erhöht. Die Zugfestigkeit ist ein Maß dafür, wie viel Spannung ein Material aushalten kann, wenn es gedehnt wird, bevor es bricht. Im Falle von Mozzarella führt die Anisotropie dazu, dass er sich in einige Richtungen stärker dehnen kann als in andere.
Diese ersten Erkenntnisse reichen aber noch nicht aus. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen arbeiten daran, noch bessere Bilder von der Richtung der Struktur zu erstellen, bevor sie diese Informationen mit Daten über die Leistungsfähigkeit des Käses abgleichen. Die DTU hat extra einen neuartigen CT-Scanner angeschafft, damit die Forschenden die Proben schneller scannen können und voraussichtlich klarere Bilder erhalten.
Natürlich wird der Käse auch auf Pizza getestet und seine Dehnbarkeit maschinell gemessen, aber bei diesem Projekt geht es nicht nur um die Lebensmittelproduktion.
Erkenntnisse helfen anderen Industriebranchen weiter
Pawel Pieta sagt, dass die Erkenntnisse auch auf andere Arten von Materialien anwendbar sein werden, die anisotrop sind. Alle faserbasierten Materialien, die im Inneren Strukturen aufweisen, die näher betrachtet und charakterisiert werden müssen, seien potenzielle Kandidaten, wie zum Beispiel Rotorblätter für Windkraftanlagen, Textilien oder Dämmstoffe. „Wenn das Material so beschaffen ist, dass es einer bestimmten Kraft in einer Richtung standhält und in der anderen nicht, können wir mithilfe der 3D-Bildgebung überprüfen, ob das Material eine Anisotropie aufweist. Sie kann uns dabei helfen, zu bestätigen, ob es gut genug hergestellt wurde, um der Kraft standzuhalten“, sagt Pieta.
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Er hat noch viel vor, denn eine wesentliche Frage ist aus seiner Sicht offen: Was genau sorgt in der Struktur dafür, dass sich die Belastungsfähigkeit erhöht? Vielleicht liefert ein harmlos aussehender Käse die Antwort.
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