Auf integrative Kunststofftechnik fokussiert
Unter dem Motto „Integrative Kunststofftechnik“ lädt das Institut für Kunststoffverarbeitung Branchenexperten zum 26. Internationalen Kunststofftechnischen Kolloquium nach Aachen ein. In mehr als 40 Vorträgen werden am 7. und 8. März 2012 Forschungsergebnisse für effizientere Produktentwicklungs- und Kunststoffverarbeitungsprozesse präsentiert.
„Integrative Kunststofftechnik steht für die kombinierte Betrachtung von Produktentwicklung und Verarbeitungsprozessen“, erklärt Prof. Christian Hopmann, der im April als neuer Leiter des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV), Aachen, die Nachfolge von Prof. Walter Michaeli angetreten hat. Sie umfasst die integrative Simulation von der Materialdatenermittlung über die Simulation aller Prozessschritte bis zur Vorhersage der Bauteileigenschaften und die Funktionsintegration mittels Multi-Material-Systemen. Und sie ist ein wesentlicher Teil des Aachener Exzellenzclusters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“, wie Hopmann, der zugleich Inhaber des Lehrstuhls für Kunststoffverarbeitung an der RWTH Aachen ist, betont.
Die Komplexität der integrativen Kunststofftechnik wollen die wissenschaftlichen Mitarbeiter des IKV den Fachleuten aus der Branche während ihres internationalen Branchentreffs in 14 Tagungssitzungen und mehr als 40 Vorträgen aufzeigen und dazu ihre Forschungsergebnisse aus den Bereichen Spritzgießen, Extrusion und Weiterverarbeitung, Kautschuktechnologie, Formteilauslegung und Werkstofftechnik, Faserverstärkte Kunststoffe und Polyurethane (PUR) präsentieren.
Integrative Kunststofftechnik betrachtet Produktentwicklung und Verarbeitungsprozesse
In vier Workshops werden zusätzlich aktuelle übergreifende Themen mit Referenten aus der Industrie diskutiert. Die Workshops behandeln die Themen Lebensdauervorhersage von Kunststoffprodukten, Standort- und Portfoliostrategien, leistungsfähige und hochpräzise Werkzeuge für die Medizintechnik sowie das Leichtbaupotenzial von faserverstärkten Kunststoffen im Automobilbau.
Thermoplastische endlosfaserverstärkte Kunststoffe (TP-FVK) sind aufgrund ihrer geringen Dichte und den guten mechanischen Eigenschaften ein hervorragender Leichtbauwerkstoff. Das immer größer werdende Anwendungsspektrum erfordert jedoch speziell angepasste Prozesse, um den Einsatz in der Mittel- und Großserie zu ermöglichen. Die am IKV entwickelte Doppel-Diaphragma-Umformtechnik (DDF) ist ein solches serientaugliches Verfahren. Ebene thermoplastische Prepregs (Organobleche) werden dabei zwischen zwei Silikonmembranen (Diaphragmen) eingelegt, in einer Heizstation (Infrarot- oder Kontaktheizung) erwärmt und anschließend in einer einseitigen Werkzeugkavität mittels Druckluft umgeformt. Mit dem Verfahren können sowohl Massenkunststoffe wie Polypropylen (PP) als auch technische Thermoplaste wie Polyamid (PA) verarbeitet werden. Durch die abnehmende Lebensdauer der Diaphragmen bei hohen Temperaturen ist die Verarbeitungstemperatur aber auf 250 °C begrenzt.
Integrative Kunststofftechnik: Leistung steigern und Lebensdauer verlängern
Zur Erweiterung dieses Einsatzbereichs wurde am IKV nun das Hochtemperatur-Diaphragma-Umformverfahren (HTDF) entwickelt. Es ermöglicht unter Beibehaltung der Vorteile der DDF-Technik auch die Verarbeitung technischer Thermoplaste wie PA6.6 und Polyphenylensulfid (PPS). Durch eine neue Prozessführung konnte die Dauer der thermischen Belastung der Diaphragmen um etwa 95 % reduziert werden. Somit können im Umkehrschluss, bei gleicher Lebensdauer der Diaphragmen, auch höhere Verarbeitungstemperaturen realisiert werden. Der erweiterte Anwendungsbereich eröffnet dem Kunststoffverarbeitungsverfahren z. B. den Zugang zu Anwendungen in der Luftfahrt. Im Rahmen des Kunststofftechnikkolloquiums soll das HTDF-Verfahren Teilnehmern der Institutsbesichtigung im laufenden Betrieb vorgeführt werden.
Für die Herstellung von polymeren Hohlkörpern im Spritzgießprozess zeigen die Aachener Wissenschaftler die Projektilinjektionstechnik (PIT) als hocheffiziente Verfahrensvariante der Fluidinjektionstechnik (FIT). Sie ermöglicht Produkte, bei denen die konventionelle FIT an ihre wirtschaftlichen und prozesstechnischen Grenzen stößt. Durch den Einsatz eines Projektils können die Restwanddicken der Bauteile praktisch unabhängig von den rheologischen Eigenschaften des Materials eingestellt werden.
Ein Beitrag von: