Aus der Steinzeit: Ältester Zweikomponentenkleber Europas gefunden
Im französischen Le Moustier wurde der älteste bekannte Zweikomponentenkleber Europas gefunden. Er wurde vor mehr als 40.000 Jahren entwickelt, eventuell von Neandertalern.
Bereits vor über 40.000 Jahren verwendeten die ersten Menschen auf dem Gebiet des heutigen Frankreichs einen ausgeklügelten Mehrkomponentenkleber, um ihre Steinwerkzeuge mit Griffen zu versehen. Die Mischung aus Ocker und Bitumen wurde aus Rohstoffen hergestellt, die sie in der Umgebung fanden. Dies ist die älteste bekannte Verwendung eines solchen Klebstoffs in Europa. Das Forschungsteam der Universität Tübingen ist nicht ganz sicher, wer den Kleber angerührt hat. Sowohl der Neandertaler als auch der Homo sapiens hatten die kognitiven Fähigkeiten, einen solchen Klebstoff herzustellen, wie ältere Funde aus Europa und Afrika zeigen.
Klebstoff erst über 100 Jahre nach dem Fund identifiziert
1907 führte der Schweizer Archäologe Otto Hauser Ausgrabungen unter dem Felsüberhang von Le Moustier in der Dordogne durch. Die dabei entdeckten Neandertalerfunde werden heute im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin aufbewahrt. Bislang lagerten die Artefakte unberührt in Kisten und ihr Wert für die Wissenschaft wurde schlichtweg einfach nicht erkannt.
Unter der Leitung von Dr. Patrick Schmidt aus der Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen und Dr. Ewa Dutkiewicz vom Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin wurden die Fundstücke nun erstmals eingehend analysiert. Sie identifizierten fünf Steingeräte mit Spuren von roter und gelber Farbe sowie Resten eines schwarzen Materials.
Mit Infrarot- und Röntgenspektroskopie sowie mikroskopischen Untersuchungen stellten sie fest, dass dieses Material zu etwa 50 Prozent aus natürlichem Bitumen und Ocker besteht. Außerdem fanden sie Hinweise darauf, dass die Werkzeuge – Abschläge, Schaber und Klingen – ursprünglich in einer klebrigen Masse steckten, die vermutlich als Griff diente. Eine solche Verwendung ist von Birkenpech-Funden in Europa bekannt, die alle dem Neandertaler zugeschrieben werden.
Birkenpech – der Kunststoff der Neandertaler
Lange Zeit galt der Neandertaler als kulturell und kognitiv dem Homo sapiens unterlegen. Inzwischen hat sich dieses Bild jedoch grundlegend gewandelt. Funde von Birkenpechresten deuten darauf hin, dass der Neandertaler über bemerkenswerte technische Fähigkeiten verfügte. Vor etwa 200.000 Jahren entwickelten die Neandertaler ein Verfahren zur Herstellung von Birkenpech, einem aus Baumrinde gewonnenen Kunststoff. Archäologen werten diese Entdeckung als Beweis für die ausgeprägten kognitiven und planerischen Fähigkeiten des Neandertalers.
Früher ging man davon aus, dass Birkenpech nur in aufwendigen Verfahren hergestellt werden konnte. Neuere experimentelle Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass es auch als einfaches Nebenprodukt entstanden sein könnte. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass die Neandertaler spezialisierte Werkzeuge aus Feuerstein herstellten, die ein erhebliches Maß an Planung erforderten. Dies geschah mit Hilfe des so genannten Levallois-Verfahrens, bei dem ein Stein durch mehrere Schläge vorbereitet und dann mit einem gezielten Schlag ein großer Abschlag erzeugt wurde.
Wie wurde die klebrige Knetmasse hergestellt?
Vom Birkenpech zurück zum Zweikomponentenkleber aus der Steinzeit. In Experimenten überprüfte die Arbeitsgruppe, wie die klebrige Knete hergestellt wurde. Flüssiges Bitumen allein war zu klebrig, stellten sie fest. Deshalb mischten sie Ockerpulver hinzu.
Bei einem Mischungsverhältnis von 55 Prozent Ocker und 45 Prozent Bitumen entstand ein formbares und festes Material, das noch klebrig genug war, um an Steingeräten zu haften und gleichzeitig nicht zu klebrig war, so dass es als Griff taugte.
Wer hat den Zweikomponentenkleber hergestellt?
Neben der Frage, wie der Zweikomponentenkleber entstanden ist, stand auch die Frage nach den Urhebern auf der To-Do-Liste der Forschungsgruppe. Wie eingangs geschrieben, wären dazu sowohl Neandertaler als auch Homo sapiens kognitiv in der Lage gewesen. Allerdings schreiben Fachleute den Fundort Le Moustier im Allgemeinen den Neandertalern zu.
Nach dem Fundort ist eine ganze Kulturgruppe der mittleren Altsteinzeit benannt – das Moustérien. Zeitlich verlief der Abschnitt etwa 120.000 bis 40.000 Jahre vor heute. Das Forschungsteam aus Tübingen ordnet die klebrige Knetmasse aus Bitumen und Ocker den Neandertalern zu.
Da die Artefakte nicht jedoch genau datiert werden können, bleibt letztlich unklar, wer den Klebstoff ursprünglich entwickelt hat. Es gibt Hinweise darauf, dass sowohl der Homo sapiens in Afrika als auch der Neandertaler in Europa Klebstoffe hergestellt haben.
Haben die Alteingesessenen den Kleber von den Neuankömmlingen erhalten?
Spätesten vor etwa 45.000 Jahren streiften anatomisch moderne Menschen in Europa umher, wo sie wahrscheinlich auf Neandertaler trafen, die bis vor etwa 42.000 Jahren existierten. Schmidt und sein Team schließen daher nicht aus, dass die Ureinwohner die Technik der Klebstoffherstellung von den Neuankömmlingen übernommen haben, zumal aus Afrika die Verwendung von Mehrkomponentenklebstoffen mit Ockerbestandteilen aus der Mittelsteinzeit bekannt ist.
Die Neandertaler waren jedoch technologisch durchaus in der Lage, Klebstoff selbst herzustellen. Sie wandelten Birkenrinde bereits vor 50.000 und sogar vor 200.000 Jahren durch Erhitzen in eine schwarze, teerähnliche Substanz um. Dieses Birkenpech gilt als der älteste bekannte Kunststoff. Möglicherweise haben die Neandertaler also selbst die Technik entwickelt, Bitumen und Ocker zu einem Klebstoff zu verarbeiten.
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