Bakterien machen Mörtel wasserdicht
Biofilm-Partikel, die Trockenmörtel untergemischt werden, lassen unzählige winzige Stacheln wachsen. Die tragen Wasser, das die Oberfläche erreichen will, gewissermaßen auf Händen: Es kann nicht eindringen und das Material zerstören. Stattdessen perlt es einfach ab.
Oliver Lielegs Fachgebiet sind Hydrogele. Das sind Kunststoffe, die Wasser enthalten. Sie sind flexibel und anpassungsfähig. Ein Beispiel: Weiche Kontaktlinsen, die sich an den Augapfel schmiegen.
Lieleg, Professor für Biomechanik am Zentralinstitut für Medizintechnik und der Fakultät für Maschinenwesen der Technischen Universität München, hat sein Know-how auf diesem Gebiet jetzt in einem Bereich umgesetzt, der fernab von seiner Forschungstätigkeit zu liegen scheint: Er hat mit Hilfe von speziellen Hydrogelen, die von Bakterien erzeugt werden und Biofilme heißen, Mörtel veredelt, wie ihn Handwerker auf Fassaden auftragen oder Maurer nutzen.
Anfangs ist Mörtel in der Regel wasserdicht. Kriegt er allerdings feine Risse, dringt Feuchtigkeit ein. Bei Minustemperaturen wird sie zu Eis, das ein größeres Volumen hat als Wasser. Es sprengt den Mörtel, die Risse werden größer und es dringt noch mehr Wasser ein.
Die Baustoffindustrie kommt aufs Bakterium
Nicht so beim Lieleg-Mörtel. Den hat er mit Biofilmmaterial geimpft, den ein Bakterium namens Bacillus subtilis produziert. Es kommt in der Erde vor und ist weit verbreitet. „Wir haben für unsere Experimente einen einfachen Laborstamm genutzt, der sich gut vermehren lässt, viel Biomasse bildet und völlig ungefährlich ist“, sagt Lieleg.
Das Bakterienprodukt mischt er unter die Mörtel-Trockenmasse. Ist dieser abgebunden, also fest geworden, ist seine Oberfläche hydrophob, also Wasser abweisend. Es benetzt die Oberfläche nicht flächig, sondern bildet auf Grund seiner Oberflächenspannung Kügelchen, die wie an einem Lotusblatt abperlen (Lotuseffekt).
Bremst aufsteigendes Wasser
Was die wundersame Veränderung des Mörtels bewirkt zeigte sich erst unter dem Elektronenmikroskop bei starker Vergrößerung. Die Oberfläche des Mörtels ist stachelig wie die Haut des Igels. Nur dass diese Stacheln eben winzig sind. Sie recken sich wie Ärmchen dem Wasser entgegen und verhindern, wiederum wegen dessen Oberflächenspannung, dass die Flüssigkeit den Mörtel erreicht. Die Tropfen kullern einfach herunter.
Auch im Inneren des Mörtels fanden die Forscher derartige Stacheln. Dort verhindern sie, dass Wasser entgegen der Schwerkraft emporsteigt Kapillarwirkung. Die Stacheln sind kein Alleinstellungsmerkmal für Lieleg-Putz. Sie sind auch auf nicht-imprägniertem Material zu finden, allerdings in so geringer Dichte, dass das Wasser die Oberfläche erreichen kann. Der Biofilm regt, wie die Forscher vermuten, das Stachelwachstum an.
Jetzt soll auch Beton wasserdicht werden
Derzeit wird der Mörtel auf seine Verwendbarkeit in der Praxis geprüft. Das hat Professor Christian Große vom Lehrstuhl für Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung übernommen. Wenn der Mörtel tatsächlich geeignet ist, sehe ich wenig Probleme, ihn im großen Stil herzustellen“, sagt Lieleg. Denn der Biofilm lässt sich auch gefriertrocknen. Das Pulver lasse sich leicht transportieren und unter den Trockenmörtel mischen. Jetzt prüft Lieleg, ob sich die Methode auch für Beton eignet.
Schon vor 2000 Jahren haben antike Baumeister einen Spezialmörtel verwendet, der stabiler ist als so mancher moderne Beton. Sie mischten Vulkanasche bei, die Mikrorisse verhindert.
Ein Beitrag von: