Rohstoffe 20.05.2011, 19:53 Uhr

Bakterien steigern Nickelausbeute aus finnischen Erzen

Die weltweit steigende Nachfrage nach Metallen macht die Ausbeutung europäischer Lagerstätten wieder interessant – etwa in Finnland. Das Bergbauunternehmen Talvivaara Mining Company verdient dort inzwischen Geld mit Nickel, Zink und Kupfer. Künftig soll auch Uran verkauft werden.

Mitten in der hügeligen ostfinnischen Region Kainuu liegen vier schwarze Halden. Sie sind 8 m bis 10 m hoch und erstrecken sich über eine Länge von 2,4 km und eine Breite von 800 m. Hier hat das Bergbauunternehmen Talvivaara Mining Company (TMC) gemahlenes Gestein aufgehäuft. Es stammt aus dem Tagebau wenige Hundert Meter entfernt.

Die Halden bestehen aus ca. 27 Mio. t Erz und enthalten rund 55 000 t Nickel. Das entspricht einem Wert von rund 850 Mio. €. „Unsere Aufgabe ist es, das Geld herauszuholen“, erklärte die Biochemikerin und Mikrobiologin Marja Riekkola-Vanhanen.

Stellenangebote im Bereich Kunststofftechnik

Kunststofftechnik Jobs
ITW Fastener Products GmbH-Firmenlogo
Ingenieur oder Techniker als Projektmanager Innovation (m/w/d) ITW Fastener Products GmbH
Creglingen Zum Job 
Völkl Sports GmbH-Firmenlogo
Entwicklungsingenieur - Projektleiter Entwicklung Ski (m/w/d) Völkl Sports GmbH
Straubing Zum Job 
PARI Pharma GmbH-Firmenlogo
Senior Projekt-/Entwicklungsingenieur (m/w/d) in der Konstruktion von Medizingeräten PARI Pharma GmbH
Gräfelfing bei München Zum Job 
PASS GmbH & Co. KG-Firmenlogo
Entwicklungsingenieur/in oder Chemieingenieur/in (m/w/x) PASS GmbH & Co. KG
Schwelm Zum Job 

Klassisch wird Nickel mit einem Flotationsverfahren angereichert. In Talvivaara funktioniert das nicht, da das Erz bis zu 10 % Graphit enthält. Dieses behindert die Nickelanreicherung an der Wasseroberfläche: Nickel ließ sich in Flotationsversuchen nur auf 1,5 % konzentrieren. „Mehr als 98 % des Nickels gehen so verloren“, sagte Riekkola-Vanhanen.

Doch die Mikrobiologin hat eine Lösung parat: „Bakterien können das Metall aus dem Mineral auslaugen.“ Ihr Know-how hat sie sich über 30 Jahre hinweg im Forschungszentrum des finnischen Stahlkonzerns Outokumpu angeeignet, dem bis 2006 auch Minen und Metallhütten gehörten. Die Lagerstätten am „Winterberg“ (‘talvi’ bedeutet auf Finnisch Winter und ‘vaara’ Berg) gehörten dem Stahlkonzern von 1978 bis 2004.

Doch erst Bergbauingenieur Pekka Perä erkannte den Wert von Riekkola-Vanhanens Forschungsergebnissen. Er gründete 2004 TMC und kaufte Outokumpu für 1 € die Abbaurechte und Forschungsergebnisse ab. Und so lief der Deal: Arbeitet Perä fünf Jahre erfolglos, muss er alles incl. Abbaurechte abgeben, bekommt dafür aber den Euro zurück. Hat er Erfolg, erhält der Stahlkonzern ein Fünftel des Bergbauunternehmens.

TMC-Geschäftsführer Perä bat Riekkola-Vanhanen 2004 um Zusammenarbeit. Nach kurzem Zögern willigte sie ein: „Ich wollte als Wissenschaftlerin etwas Reales schaffen.“ Sie hat es nicht bereut: „Es ist toll, mit jemanden zu arbeiten, der an die Idee glaubt.“

So macht sich TMC heute im Gestein vorkommende eisen- und schwefeloxidierende Bakterien zu nutze. Die eisenoxidierenden Bakterien wandeln Eisen-II- in Eisen-III-Ionen um. Die oxidierten Eisen-Ionen reagieren im sauren Milieu mit dem Schwefel in Metallsulfiden. Dabei entstehen verschiedene Schwefelverbindungen, die schwefeloxidierende Bakterien zu Sulfaten umwandeln. Bei diesen bakteriellen Oxidationsprozessen wird Wärme frei: Rund 40 °C beträgt die Temperatur in den Halden. Selbst im Winter stechen die schwarzen Halden aus der weißen Landschaft hervor.

Die Bakterien wachsen normalerweise sehr langsam, doch TMC bietet ihnen beste Lebens- und damit Arbeitsbedingungen: Die Halden werden von unten mit Luft durchblasen und von oben mit saurer Lösung berieselt. Der pH-Wert wird mit schwefeliger Säure auf 1,6 bis 1,8 eingestellt. Nun leben in einem Teelöffel Lösung rund 50 Mio. Bakterien, „die umsonst für uns arbeiten“, so Riekkola-Vanhanen.

Die 40 °C warme ablaufende Flüssigkeit wird in Becken gesammelt. Hauptprodukt ist grünes Nickelsulfat. Die Lauge enthält zudem Zink-, Kobalt-, Kupfer- und Uransulfat. Rd. 90 % der Lauge werden im Berieselungskreislauf rückgeführt, nachdem der pH-Wert mit schwefeliger Säure auf 1,6 eingestellt wurde.

Der Rest der Lauge geht in die Metallgewinnung – der zweite Schritt beginnt. Durch Zugabe von Schwefelwasserstoff werden Metallsulfide schrittweise abgetrennt. Zuerst fällt Kupfersulfid aus, dann Zink- und schließlich Nickel- und Kobaltsulfid. Das lösliche Uransulfat wird nicht ausgefällt. Uran wird u. a. mit Magnesium und Mangan als Abfall im Gipsbecken deponiert.

Das biologische Auslaugen habe einen Vorteil, so Riekkola-Vanhanen, „es lassen sich auch Erze mit geringen Nickelgehalten von 0,07 % wirtschaftlich ausbeuten“ – vorausgesetzt, dass die entsprechenden Bakterien dort leben. Der Nachteil: „Man braucht Jahre, bis sich investiertes Geld rentiert.“

Bis zu 18 Monate lang werden die Halden belüftet und mit saurer Lösung berieselt. Dann haben die Bakterien rund 80 % des Nickels und Zinks ausgewaschen. Die Halden werden abgebaut, neu aufgeschichtet und weitere 3,5 Jahre belüftet und berieselt: Ziel ist, über 90 % des Nickels und Zink zu extrahieren.

Den Euro erhält Ingenieur Perä jedenfalls nicht zurück. Die Produktion begann 2008. Im Februar 2009 verkaufte TMC erstmals Nickelsulfide. Sie gelangen heute per Eisenbahn zur Nickelhütte von Norilsk Nickel in Harjavalta im Südwesten Finnlands nah am Bottnischen Meerbusen. Ab 2012 soll die Anlage im Vollbetrieb laufen. Die Firma ist an Börsen in Helsinki und London vertreten.

Und TMC will noch mehr. Die Firma will künftig Gelbkuchen – sprich Uranoxid – isolieren und verkaufen. Bevor eine Firma aber mit Uran arbeiten darf, muss sie Formalitäten einhalten. TMC hat 2010 die Genehmigung bei der finnischen Regierung beantragt – und sie immer noch nicht erhalten.

Doch Perä ist optimistisch: Bereits Anfang 2011 hatte TMC einen Vertrag mit der kanadischen Uranfirma Cameco geschlossen. Cameco soll für ca. 45 Mio. € eine Extraktionsanlage bauen, um Uranoxid mit Wasserstoffperoxid auszufällen. Diese Anlage könnte die Menge des innerhalb der EU gewonnenen Urans verdoppeln und 80 % des heutigen Bedarfs der vier laufenden finnischen Atomkraftwerke decken. Dem Geschäftsvertrag aber müssen die Euratom-Versorgungsagentur Esa sowie die EU-Kommission noch zustimmen. R. AHRENS

 

Ein Beitrag von:

  • Ralph H. Ahrens

    Chefredakteur des UmweltMagazins der VDI Fachmediengruppe. Der promovierte Chemiker arbeitete u.a. beim Freiburger Regionalradio. Er absolvierte eine Weiterbildung zum „Fachjournalisten für Umweltfragen“ und arbeitete bis 2019 freiberuflich für dieverse Printmedien, u.a. VDI nachrichten. Seine Themenschwerpunkte sind Chemikalien-, Industrie- und Klimapolitik auf deutscher, EU- und internationaler Ebene.

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.