Kunststoffverarbeitung 18.11.2011, 12:04 Uhr

Bauteile aus Kunststoff mit weniger Chemie herstellen

Beim Herstellen von Kunststoffbauteilen lässt sich auf umweltgefährliche Stoffe verzichten. Das zeigten innovative Mittelständler auf der internationalen Fachmesse für Kunststoffverarbeitung „Fakuma“ in Friedrichshafen. Insbesondere der Einsatz von Trenn- und Lösemittel kann deutlich reduziert werden, wie Entwicklungsprojekte belegten, die von der Bundesstiftung Umwelt (DBU), Osnabrück, betreut wurden.

Kunststoffproduktion und Umweltschutz gehen Hand in Hand. Das zeigte die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) an drei Projekten auf der Kunststoffmesse „Fakuma“ vom 18. bis 22. Oktober in Friedrichshafen. Die Stiftung mit Sitz in Osnabrück dürfe zwar keine Projekte vermarkten, aber helfen, deren Ergebnisse etwa auf Messen bekannt zu machen, erklärte DBU-Umweltexperte Michael Schwake. Er betreut Projekte vor allem bei Mittelständlern, die das Ziel haben, Energie und Rohstoffe effizienter zu nutzen oder gefährliche Stoffe zu ersetzen.

Ein in Friedrichshafen präsentiertes Projektbeispiel galt den Trennmitteln. Diese seien beim Herstellen von Kunststoffbauteilen zwar unverzichtbar, aber unbeliebt. Denn dank ihnen ließen sich ausgehärtete Kunststoffteile vom Negativ – dem Formwerkzeug – leicht entfernen, sie enthalten jedoch oft umweltschädliche Lösemittel, die in die Umwelt emittieren, werden sie auf die Formen gesprüht oder gewischt.

Plasmapolymere trockene Trennschicht kann Bedarf an Trennmitteln senken

Der Bedarf an Trennmitteln lässt sich senken, werden Formwerkzeuge mit einer plasmapolymeren trockenen Trennschicht überzogen. Die Beschichtung mit permanenter Trennwirkung entsteht in einem aufwendigen Prozess, den der Bremer Trennmittelhersteller Acmos Chemie gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM), Bremen, entwickelt hat. Die Form wird dabei in einen Niederdruckreaktor geschoben. Ein Gas, das die Vorläufersubstanzen des Polymers, das die spätere Trennschicht bildet, enthält, wird eingeleitet. Das Gas wird gezündet und die Substanzen ionisiert und radikalisiert. Das Gas befindet sich dann in einem Zustand, das als „Plasma“ bezeichnet wird. Durch geschickte Prozessführung dieser Plasmapolymerisation schafften es die Entwickler, dass sich aus dem aktivierten Gas eine etwa 500 nm dünne Trennschicht auf der Form abscheidet.

„Durch diese feste Trennschicht kann man jetzt nahezu trennmittelfrei entformen“, betonte Peter Prochnow von Acmos. In der Praxis werde auf Trennmittel zwar nicht ganz verzichtet, aber ihr Verbrauch werde um etwa 90 % gesenkt. Die Beschichtung übernimmt dann die Rolle eines Gleitmittels, damit sich Kunststoffteile gut vom Negativ lösen. Zudem dient sie als Hilfsmittel, um Farbe, Glanz oder Haptik des Kunststoffteils beeinflussen zu können. „Durch den geringeren Einsatz an Trennmitteln wird das optische Erscheinungsbild der Kunststoffoberfläche viel einheitlicher und gleichzeitig werden die Herstellungskosten erheblich gesenkt“, so Prochnow.

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Die mit einer DBU-Fördersumme von insgesamt rund 405 000 € entwickelte Technik hat ihren Praxistest bereits bestanden. Beispielsweise stellt der Automobilhersteller BMW die Instrumententafeloberfläche des 5er GT mithilfe dieser Prozesstechnik her und lässt die Oberflächen der Formwerkzeuge durch Acmos beschichten.

Kunststoffe: Sächsischer Kunststoffverarbeiter senkt Anteil von Styrol

Auch die Lätzsch Kunststoffverarbeitung aus Thierbach bei Leipzig will den Einsatz gesundheits- und umweltschädigender Stoffe verringern. Dem Kunststoffverarbeiter geht es dabei auch um Styrol, einem Lösemittel zur Verarbeitung von Polyesterharzen in glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK), das Haut und Atemwege reizt. Der Gesetzgeber hat daher festgelegt, dass GFK-Verarbeiter ihren Styrolverbrauch begrenzen. „Viele Verarbeiter arbeiten bereits an ihrem oberen Limit“, erklärte Reymond Kreuziger. Wolle ein Hersteller mehr GFK produzieren, so der für Entwicklung und Produktion im Polyurethanbereich zuständige Maschinenbauingenieur, müsse sie Styrol auffangen und wiederverwenden oder ein neues Verfahren entwickeln.

Kreuziger: „Wir tauschen das Trägermaterial des Kunststoffs aus.“ Der sächsische Kunststoffverarbeiter will Teile für Nutzfahrzeuge nun aus glasfaserverstärktem Polyurethan (PUR) herstellen statt wie bisher aus glasfaserverstärktem Polyester. Zusammen mit Fachleuten der TU Chemnitz und des Maschinenherstellers Krauss Maffei wurde eine umweltfreundliche Sprühtechnologie für PUR zur Serienreife entwickelt. Die Metallform wird dabei auf einen Drehkipptisch eingespannt dann sprüht der erste Roboter mit hoher Präzision Farbe hinein, der zweite kurz danach ebenso passgenau ein schnell härtendes PUR inklusive Verstärkungsfasern. Nur 5 min später lässt sich das Teil ausformen. Kreuziger: „Wir arbeiten trennmittelfrei und kommen dadurch ohne Styrol sowie ohne Lösemittel und Weichmacher aus.“ Und es lohnt sich nach den Angaben des Kunststoffexperten auch wirtschaftlich: Brauchte der Hersteller bislang etwa 6 h, um die Klappe eines Lkw-Radladers aus GFK herzustellen, sind es jetzt nur noch 30 min. Ab 2012 sollen die Klappe eines Liebherr-Radladers sowie die Haube eines Weidemann-Kompaktladers in Serie gehen.

Aramidfasern in kugelsicheren Westen

Das dritte Projekt, das die DBU auf der Kunststoffverarbeitungsmesse vorstellte, wartet noch auf den industriellen Praxistest. „Wir wollen gebrauchte Aramidfasern hochwertig in Kunststoffen einsetzen“, so Gerald Ortlepp vom Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoffforschung (TITK) in Rudolstadt, denn Aramidfasern seien teuer (etwa 20 €/kg), hätten aber ausgezeichnete Festigkeitseigenschaften. Sie würden deshalb z. B. in kugelsicheren Westen oder als ballistisches Gewebe in Fahrzeugen eingesetzt. „Man kann mit ihnen aber auch reibverschleißfeste, langlebige Bauteile herstellen“, so Ortlepp.

Ihm und seinem Team gelang es, die gebrauchten Hochleistungsfasern in Kunststoffen wieder nutzbar zu machen. Dazu werden die Aramidfasern mit Fasern des Kunststoffs gemischt, aus dem die spätere Kunststoffmatrix besteht. Besteht ein Produkt etwa aus Polyamid, wird als Bindefaser ebenfalls Polyamid verwendet. Die Mischfasern werden dann verdrillt, aufgeheizt und nach dem Abkühlen in Granulatkörner geschnitten. Tests zeigten, dass die Recyclingfasern die Eigenschaften etwa eines Zahnrads aus Polyamid ebenso verbessern wie neuwertige Aramidfasern, so Ortlepp.

Ein Beitrag von:

  • Ralph H. Ahrens

    Chefredakteur des UmweltMagazins der VDI Fachmediengruppe. Der promovierte Chemiker arbeitete u.a. beim Freiburger Regionalradio. Er absolvierte eine Weiterbildung zum „Fachjournalisten für Umweltfragen“ und arbeitete bis 2019 freiberuflich für dieverse Printmedien, u.a. VDI nachrichten. Seine Themenschwerpunkte sind Chemikalien-, Industrie- und Klimapolitik auf deutscher, EU- und internationaler Ebene.

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