Herstellung ohne Petrochemie 07.10.2019, 07:00 Uhr

Biobasierte Carbonfasern mit neuer Pyrolysetechnologie

Sie sind aus allen Bereichen des Leichtbaus nicht mehr wegzudenken: Carbonfasern sorgen für Stabilität bei geringem Gewicht. Forscher zeigen jetzt, dass sich die Werkstoffe nachhaltig aus Cellulose herstellen lassen.

Carbonfasern

Im Labor werden bei 2.900 Grad Celsius Bio-Fasern aus Cellulose zu Graphit umgewandelt.

Foto: Fraunhofer IAP

Kohlenstofffasern, auch Carbonfasern genannt, entstehen aus organischen Ausgangsmaterialien der Petrochemie. In 95 % aller Fälle handelt es sich um Polyacrylnitril, einem Kunststoff aus dem Monomer Acrylnitril. Beim Herstellungsprozess werden Kohlenstoffatome thermisch in Graphit umgewandelt, was die Festigkeit des Werkstoffs erklärt. Doch der Druck auf Hersteller, nachwachsende Rohstoffe wie Cellulose einzusetzen, wächst auch in diesem Bereich. Bisherige Verfahren waren wenig erfolgversprechend.

Forscher am Potsdamer Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP haben jetzt gezeigt, dass sich biologische Materialien entgegen früherer Befürchtungen gut als Ausgangsprodukte eignen. Für das Verfahren haben sie einen neuartigen Ofen verwendet, um Temperaturen von bis zu 2.900 Grad Celsius zu erzeugen. Dabei werden die Ausgangsstoffe gleichzeitig gestreckt. Ihre Fasern erreichen Eigenschaften wie Konkurrenzprodukte auf der Basis von Polyacrylnitril.

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Carbonfasern umwandeln: Schwierigkeiten im bisherigen Verfahren

Das Konzept, nachwachsende Rohstoffe wie Holz aufzuarbeiten und in Carbonfasern umzuwandeln, ist nicht wirklich neu. In der Vergangenheit standen technische Hürden einer breiten Anwendung jedoch im Weg. Zum Hintergrund: Im ersten Schritt benötigt man einen formbaren Vorläufer, Präkursor genannt, beispielsweise Polyacrynitril. Denn Kohlenstoff selbst ist weder löslich noch schmelzbar. Er lässt sich nicht direkt verarbeiten.

„Die Herstellung von Carbonfasern aus Präkursoren, die auf nachwachsenden Rohstoffen wie Cellulose, Lignin oder Hemicellulose basieren, war bisher zwar prinzipiell möglich, jedoch sind bei den üblichen Pyrolysetemperaturen von bis zu 1.600 Grad die mechanischen Eigenschaften Steifigkeit und Festigkeit sehr beschränkt“, sagt Jens Erdmann vom Fraunhofer IAP. „Solche biobasierten Carbonfasern stellen keine ernstzunehmende Alternative zu den erdölbasierten Pendants für Hochleistungsanwendungen dar.“

Der Experte nennt verschiedene Hürden, die sein Forscherteam zu überwinden hatte:

  • Bisher wurden nur etwa 10 bis 30 % des Präcursors zur Carbonfaser umgewandelt, die Ausbeute war zu gering. Nebenreaktionen wie Oxidationen führten zu hohem Materialverlust.
  • In den Fasern selbst gab es zu wenige geordnete Strukturen aus Kohlenstoff.
  • Die Kohlenstoff-Strukturen orientierten sich kaum entlang der Faserachse: ein Aspekt, der für mechanische Eigenschaften jedoch von großer Bedeutung ist.

Cellulose kurzzeitig hoch erhitzt 

Erdmann und sein Team untersuchte, wie es trotzdem gelingen könnte, aus Cellulose Fasern mit hoher mechanischer Festigkeit herzustellen. „Dafür haben wir einen speziellen Ultrahochtemperaturofen anfertigen lassen, in dem die biobasierten Carbonfasern zusätzlich für wenige Sekunden bei Temperaturen zwischen 2.700 und 2.900 Grad thermisch nachbehandelt werden“, berichtet der Wissenschaftler.

Um solche Werte zu erzielen, kam ein Prinzip aus Glühlampen zum Einsatz. Fließt Strom durch einen dünnen Faden, wird dieser zum Glühen gebracht. Im Labor kam ein massives Graphitrohr zum Einsatz. Bei Stromstärken von bis zu 1.500 Ampere begann es zu glühen. Durch dieses Rohr zogen Erdmann und seine Kollegen langsam Fasern hindurch und verstreckten diese. Ein Schutzgas verhinderte dabei unerwünschte Oxidationen.

Unter diesen Bedingungen ordnen sich Kohlenstoffstrukturen beim Verstrecken in Richtung der Faserachse an. Den Forschern gelang es, Carbonfasern mit mechanischen Eigenschaften herzustellen, wie man sie sonst nur von erdölbasieren Produkten kennt. Die neuen Werkstoffe waren steifer und fester, verglichen mit früheren Experimenten. „Der Ofen ist ideal, um mit wenig Fasermaterial innerhalb kurzer Zeit viele Variationen von Parametern zu testen“, so Erdmann. Damit kann er die Reaktionsbedingungen weiter optimieren.

Vielfältige Einsatzbereiche in der Industrie  

Im Verfahren sieht er große Potenziale für unterschiedliche Branchen. Derzeit setzen Hersteller von Flugzeugen auf den Werkstoff. Diverse Sportartikel wären ohne Carbonfastern nicht zu realisieren. Auch im Bereich erneuerbarer Energien hat sich der Werkstoff bewährt – in erster Linie bei Windkraftanlagen, Tendenz steigend. Carbonfasern gelten zudem als gutes Verstärkungsmaterial für Wasserstofftanks in Autos.

Nicht zuletzt profitiert die Baubranche vom innovativen Material. Carbonbeton ist ein dem Stahlbeton ähnlicher Werkstoff. Er besteht neben Beton aus einer Bewehrung aus Kohlenstofffasern in Form von Matten und Stäben. Ingenieure schätzen die höhere Korrosionsbeständigkeit und die längere Lebensdauer bei geringerem Gewicht. Da die Carbonbewehrung nicht wie die Stahlbewehrung vor Korrosion geschützt werden muss, lassen sich Schichten auf wenige Millimeter Dicke reduzieren. 

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Ein Beitrag von:

  • Michael van den Heuvel

    Michael van den Heuvel hat Chemie studiert. Unter anderem arbeitet er für Medscape, DocCheck, für die Universität München und für pharmazeutische Fachmagazine. Seit 2017 ist er selbstständiger Journalist und Gesellschafter von Content Qualitäten. Seine Themen: Chemie/physikalische Chemie, Energie, Umwelt, KI, Medizin/Medizintechnik.

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