Das Wegwerfzelt, von dem nur Kompost übrig bleibt
Eine britische Architektin hat ein Zelt erfunden, das sich nach Gebrauch umweltfreundlich zersetzt. Damit ist die Kurzzeitbehausung ein guter Ansatz, um das Müllproblem nach Musikfestivals zu lösen. Noch ist das Einmalzelt in der Erprobungsphase, doch die Erfinderin hat schon weitreichendere Pläne.
Die letzte Zugabe ist verklungen, die letzten Dosenravioli sind gegessen, das letzte lauwarme Bier getrunken: Das Festival ist endgültig Geschichte. Müde werden die Habseligkeiten zusammengesucht und im Auto verstaut – doch was tun mit dem Zelt, das völlig verdreckt im Matsch steht? Es wird stehen gelassen. Tausende von Zelten blieben nach dem wegen sintflutartigem Regen und Gewittern abgebrochenen Festival Rock am Ring stehen. Auf diversen anderen Festivals in diesem Sommer war es nicht anders.
400 Tonnen übriggebliebene Zelte weltweit pro Jahr
Jedes fünfte Zelt, so die Schätzung der Festivalindustrie, ereilt dieses unrühmliche Schicksal – egal ob in Glastonbury in Großbritannien, bei Rock am Ring in der Eifel oder beim Metal-Festival Wacken in Schleswig Holstein. Die Veranstalter weltweit kostet das jedes Jahr Millionen, und die Umwelt? Die muss jährlich 400 Tonnen schwerst zersetzbaren Abfall verkraften.
Das ist zu viel, findet die passionierte Festivalbesucherin Amanda Campbell aus London, die während ihres Architekturstudiums am University College London als Mitglied von Aufräumkommandos auf diversen Festivals regelmäßig Müllfeldern aus verlassenen Zelten gegenüberstand. Die 23-Jährige hat deshalb ein kompostierbares Einmalzelt entwickelt, dass sich nach rund vier Monaten in Wasser, Luft und Kompost auflöst – ideal für den Festivaleinsatz, der selten länger als ein paar Tage dauert.
Die Plane aus Biokunststoff ist wasserfest
Die ersten Versuche basierten komplett auf Pappe, die sich allerdings schnell als zu schwer und unhandlich entpuppte. Inzwischen bestehen nur noch die Zeltstangen aus Papier, das mit Kleber aus Milchbestandteilen zusammengesetzt und verstärkt ist. Schutz vor den Elementen und Blicken von außen bietet jetzt eine zartgrüne Plane aus einem wasserfesten Biokunststoff.
Umweltfreundlich ist dabei nicht nur die Entsorgung auf natürlichem Wege, sondern auch die Herstellung: Amanda Campbell setzt schon bei der Herstellung auf erneuerbare Energien und klimaneutralen Transport – Faktoren, die das Zelt deutlich teurer werden lassen als die bisherigen Plastikbehausungen.
Damit schrumpft die Zielgruppe für ihre Erfindung erst einmal empfindlich – denn wer bereit ist, der Umwelt zuliebe einen höheren Preis zu zahlen, dürfte auch vorher schon hochwertigere Zelte für die Mehrfachverwertung gekauft haben.
Gewinnerin des renommierten Ideenwettbewerbs „Bright Ideas Award“
Auch die Festivalveranstalter wird das Biozelt erst einmal nicht entlasten, denn solange noch konventionelle Kunststoffe in der zurück gelassenen Zeltstadt stehen, kann man die schlaffen Ruinen nicht einfach unterpflügen, sondern muss sie weiterhin von Hand aussortieren. Dass die Idee dennoch Zukunft hat, findet allerdings nicht nur Amanda Campbell, die inzwischen das Startup „Comp-A-Tent“ gegründet hat.
Auch die Jury des renommierten und gut dotierten Bright Ideas Award an ihrer Uni ist von der Idee überzeugt. Einen Geschäftspartner hat sie auch schon gefunden.
Noch kann man das Biozelt nicht kaufen, jedoch kann man es bereits in diesem Sommer mit sehr viel Glück auf dem ein oder anderen Festival in England erleben: Die Unternehmerin verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen und ist ihre eigenen Produkttesterin. Ist sie zufrieden, will sie 2017 eine Crowdfunding-Kampagne starten, damit die ökologisch korrekte Kurzzeitbehausung in Produktion gehen kann.
Nachhaltige Versionen für Flüchtlingsunterkünfte und Militärzelte
Bereits jetzt denkt Amanda Campbell über weitere Einsatzmöglichkeiten ihres nachhaltigen Zeltes nach: Für Flüchtlingsunterkünfte oder Zelte im militärischen Bereich sei der Bioansatz ebenfalls ein Gewinn, glaubt sie. Allerdings müssten die Materialien dann natürlich deutlich länger halten als ein paar Tage, wie das Beispiel Idomeni in der nordgriechischen Region Zentralmakedonien zeigt: Hier mussten die Planen mehrere Monate Matsch und Regen standhalten – ohne sich zu zersetzen.
Wenn Sie statt in einem Biozelt lieber in einem völlig transparenten Zelt übernachten und ungestört die Sterne anschauen wollen, dann wäre das Bubble-Zelt etwas für Sie.
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