Interview zu Ressourcenknappheit 15.06.2012, 11:55 Uhr

„Die meisten Rohstoffe sind auch in Zukunft ausreichend verfügbar“

Knappheit wird bei Rohstoffen primär durch politisches Versagen und weniger durch physischen Mangel erzeugt. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Transatlantic Academy. Wie die Politik nun handeln sollte, um Marktturbulenzen und gewaltsame Konflikte zu verhindern, erklärt Mitautor Raimund Bleischwitz, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Wuppertal.

VDI NACHRICHTEN: Herr Bleischwitz, die Studie der Transatlantic Academy, trägt den Titel ‚The Global Resource Nexus‘. Was verstehen Sie unter diesem Begriff?

Bleischwitz: Natürliche Ressourcen sind durch dynamische Wechselwirkungen untrennbar miteinander verbunden. Man benötig eine Ressource, um eine andere für die wirtschaftliche Nutzung zu erzeugen. Wir gehen davon aus, dass dieses Wirkungsgeflecht in der Zukunft von größerer Wichtigkeit sein wird, weil die Märkte globalisiert sind und weil lokale Wirkungen sich rasch ausbreiten. Dies wollen wir der Politik und den Unternehmen näher bringen.

Können Sie das an einem Beispiel erklären?

Bleischwitz: Um den steigenden Energieverbrauch zu decken, will China viele weitere Großstaudämme bauen. Diese und die Stromverteiler benötigen Tonnen an Materialien, deren Erzeugung energie- und umweltintensiv ist, und die importiert werden müssen. Darüber hinaus verändern Staudämme die Landnutzung, die Biodiversität und die Wasserläufe. Die Überflutung von Biomasse und Siedlungen führt zu Umweltschäden. Bereits ein Einziger der mehr als zwanzig geplanten Staudämme – Hutiaoxia – soll zur Umsiedlung von hunderttausend Personen führen.

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Die Nachbarstaaten in Asien sind natürlich besorgt über die potenzielle Machtpolitik Chinas, das sich bislang internationalen Wasserabkommen verschließt. Das Beispiel zeigt, wie eine nachvollziehbare Nachfrage zugleich auch Nachfragen nach anderen Rohstoffen nach sich zieht und so international sowohl Märkte als auch die Politik beeinflusst.

Wodurch kommt die heute spürbare Knappheit im Bereich der Rohstoffe zustande?

Bleischwitz: Die Knappheiten kommen durch Spannungen zwischen Angebot und Nachfrage zustande. Das geologische Angebot ist eigentlich gar nicht schlecht. Die meisten Rohstoffe sind auch in Zukunft ausreichend verfügbar.

Zum Beispiel gilt für sogenannte Seltenen Erden, dass diese nicht grundsätzlich knapp sind. Doch es wird mindestens zwei Jahre dauern bis neue Minen erschlossen sind. In diesen zwei Jahren soll sich die Nachfrage verdoppeln. Die Chinesen, die die größten Anbieter sind, fahren aber ihre Kapazität zurück. Solche Spannungen mögen kurzfristig sein, treiben aber die Preise ganz enorm in die Höhe.

Also ist die politische Einflussnahme verantwortlich?

Bleischwitz: Politische Einflussnahme ist das eine. Hinzu kommt, dass die Märkte unterschiedliche Zeithorizonte haben. Ein großer Teil der Nachfrage nach kritischen Metallen wie Platin und Gallium kommt von der Hightech-Industrie, deren Produktlebenszyklus oftmals unter zwei Jahren liegt. Dort vorauszusagen, was die Märkte in zwei Jahren oder längerfristig wollen, ist sehr schwierig. Bergbauunternehmen hingegen haben einen Zeithorizont von 20 oder mehr Jahren. Diese zeitliche Kluft macht den Märkten zu schaffen. Wir bräuchten also dringend ein besseres Radar, um zu wissen in welche Richtung die Märkte sich entwickeln.

Was muss die Politik nun tun?

Bleischwitz: Wir schlagen zwei Dinge vor. Zum einen ein internationales öffentliches Datenportal, das sowohl die verfügbaren Daten zu geologischen Verfügbarkeiten zusammenstellen als auch Daten zu Landwirtschaft und Wasser und zur Umweltverträglichkeit von Stoffen aufbereiten könnte. Es müsste ein Analysezentrum für Nachfragetrends umfassen, ähnlich wie die Internationale Energieagentur dies tut. Auf dieser Informationsbasis kann man dann das globale Wirkungsgeflecht zwischen den Ressourcen zukunftsgerichtet in Szenarien abbilden.

Der zweite Schritt wäre ein multinationales Stakeholder-Forum. Wir schlagen vor es gezielt über die Regierungsebene hinaus aufzubauen, um Unternehmen und Nicht-Regierungs-Organisationen eine Stimme zu geben. Dieses Forum soll vorhandene Initiativen unterstützen, z.B. zur Transparenz von Rohstoffketten, und das Risikoradar weiterentwickeln. So könnte es möglichst frühzeitig Spannungen in Landnutzung und Wassernutzung und potenziellen Konflikten thematisieren und politiknahe Vorschläge entwickeln. Vielleicht hätten die internationalen Landnutzungskonflikte bei Biokraftstoffen frühzeitig vermieden werden können, wenn die EU und die USA ihre Pläne auf einem derartigen Forum vorgestellt hätten.

Wie könnten Ihre Forderungen in die Tat umgesetzt werden?

Bleischwitz: Es wird um einen schrittweisen Aufbau gehen. Ein erster Schritt könnte darin liegen, dass sich die geologischen Dienste weltweit miteinander vernetzen und ihr Know-how zur Verfügung stellen. Die EU könnte dabei durchaus eine Vorreiterrolle wahrnehmen. Die EU ist größter Rohstoffimporteur der Welt, aber ohne ein eigenes Kompetenzzentrum für Ressourcen.

Was passiert wenn China, Südamerika oder Länder aus dem arabischen Raum nicht teilnehmen wollen?

Bleischwitz: Letztlich funktioniert es ohne diese Länder nicht. Man kann jedoch Abschätzungen vornehmen und die Länder einladen selber beizutragen. Für Erdöl- und Agrarmärkte gibt es neue Datenportale, die einzeln einigermaßen funktionieren und dringend in einen größeren Zusammenhang gehören.

Was können die Unternehmen tun?

Bleischwitz: Unternehmen haben eine Reihe von Handlungsmöglichkeiten. Ein grundlegender Ansatzpunkt ist die Ressourceneffizienz. Die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes haben eine Materialkostenrechnung, die oft über 40 % der Produktionskosten liegt. Hier sind gute Potenziale vorhanden, die im Wesentlichem durch Prozessinnovation im Unternehmen oder in der zwischenbetrieblichen Kooperation realisiert werden können. Man kann also in einem weiteren Schritt ein besseres Wertschöpfungskettenmanagement machen, das alle Zulieferer bis hin zum Bergbau und Recycling-Unternehmen international erfasst. Und man kann die Zulieferer auch zertifizieren lassen, um Schwachstellen vorzubeugen. Eine Verdopplung der Ressourceneffizienz ist möglich. Die Rahmenbedingungen können die Unternehmen jedoch nicht beeinflussen. Hier ist die Politik gefragt.

Was passiert, sollte die Politik nicht reagieren?

Bleischwitz: Falls sich gegenwärtige Trends fortsetzen, werden die internationalen Märkte schwerwiegend gestört und die Risken bewaffneter Auseinandersetzungen steigen. Viele Krisen um Wasser- und Nahrungsmittel finden in Asien, Afrika und Lateinamerika statt und betreffen die Menschen vor Ort. Die Konfliktspiralen berühren jedoch Sicherheitsinteressen und die Rohstoffversorgung und damit vitale Interessen in Deutschland und in der EU.

 

Ein Beitrag von:

  • Christoph Böckmann

    Redakteur VDI nachrichten. Fachgebiete: Wirtschaft, Konjunktur, Geldpolitik.

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