Dieses Material leitet oder isoliert, abhängig von der Richtung
Ein deutsches Forscherteam hat ein neues Material entwickelt, das interessante Eigenschaften aufweist. Während es auf der einen Seite transparent und extrem dünn ist, verfügt es zudem über unterschiedliche Wärmeleiteigenschaften. Es kann sowohl leiten als auch isolieren.
Der Umgang mit Wärme spielt in der modernen Industriewelt und in unserem Alltag eine wichtige Rolle. Beispielsweise in Produktionsbereichen oder in Serverräumen mit leistungsstarken Rechnern ist es zwingend notwendig, Wärme so schnell wie möglich abzuleiten, um einen Kühleffekt zu erreichen. Gleichzeitig ist Wärme eine wichtige und gut nutzbare Form der Energie. Sie sollte also nach Möglichkeit nicht verloren gehen. Das betrifft vor allem Bereiche, in denen sie gezielt eingesetzt wird, vor allem in Gebäuden. Hier sind also Materialien gefragt, die gute isolierende Eigenschaften besitzen und die Wärme innerhalb der vier Wände halten.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung (MPI-P) in Mainz und der Universität Bayreuth haben nun gemeinsam ein neues Material entwickelt, was beides kann: isolieren und leiten, als wären leitendes Kupfer und Styropor zur Isolierung vereint. Mit dem Styropor teilt die Neuentwicklung ein weiteres Merkmal: Sie ist besonders leicht.
Grenzflächen blockieren die Wärmeleitung
Das neue Material besteht aus mehreren Schichten: Zwischen hauchdünne Glasplättchen werden einzelne Polymerketten geschoben. „Im Prinzip entspricht unser so hergestelltes Material dem Prinzip einer Doppelverglasung“, sagt Markus Retsch, Professor an der Universität Bayreuth. „Es zeigt nur den Unterschied, dass wir nicht nur zwei Schichten haben, sondern Hunderte“.
Dieser besondere Aufbau führt zu interessanten Eigenschaften. Denn das Material isoliert nur in einer Richtung gut, nämlich senkrecht zu den Schichten. Das lässt sich erklären, wenn man die Moleküle unter einem Mikroskop betrachtet. Faktisch ist die Wärme dann nämlich nichts anderes als eine Bewegung beziehungsweise Schwingung einzelner Moleküle in dem Material, die sich auf die jeweils benachbarten Moleküle überträgt und so weitergeleitet wird. Da jedoch viele Schichten aufeinander aufgebaut werden, nimmt die Übertragung der Bewegung immer weiter ab. Denn jede neue Grenzschicht erschwert die Übertragung und blockiert somit die Wärmeleitung.
Anders sieht es in waagerechter Richtung aus, also innerhalb einer Schicht. Grenzflächen existieren hier nicht. Die Schwingungen der Moleküle können ungehindert weitergegeben werden, der Wärmefluss funktioniert. Entsprechend groß ist die Leitfähigkeit: Die Wärmeübertragung innerhalb einer Schicht ist 40 Mal höher als in senkrechter Richtung. Dieser Wert ist nach Angabe der beteiligten Wissenschaftler vergleichbar mit der Leitfähigkeit von Wärmeleitpaste, die zum Beispiel verwendet wird, um Computerprozessoren zu kühlen. Für elektrisch isolierende Materialien auf Polymer/Glas-Basis sei dieser Wert außergewöhnlich hoch – er übertreffe die Leitfähigkeit handelsüblicher Kunststoffe um den Faktor sechs.
Transparenz ist nur bei hoher Präzision möglich
Für die praktische Verwendung hat es außerdem eine große Relevanz, dass es den Forschern gelungen ist, das Material transparent zu gestalten. Dafür mussten sie die Schichten mit sehr hoher Präzision aufeinander aufbringen, da jede Inhomogenität die Transparenz stören würde, wie ein Kratzer in einem Stück Plexiglas. Dabei hat jede einzelne Schicht insgesamt nur eine Höhe von etwa einem millionstel Millimeter, also einem Nanometer.
Den Wissenschaftlern reicht es jedoch nicht, dieses neue Material entwickelt zu haben, sie möchten auch die Ursache für die besonderen Eigenschaften im Detail verstehen. Deswegen haben sie eine spezielle Laser-basierte Messung angewendet, mit der sich die Ausbreitung von Schallwellen charakterisieren lässt. Das sei vergleichbar mit der Wärme, die durch Schwingungen der Moleküle im Material weiterwandert. „Dieses strukturierte, aber dennoch transparente Material, eignet sich hervorragend, um zu verstehen, wie unterschiedlich der Schall sich entlang der verschiedenen Richtungen ausbreitet“, erklärt Georg Fytas, der als Professor den Arbeitskreis Physik der Grenzflächen am Max-Planck-Institut leitet. Aus den unterschiedlichen Schallgeschwindigkeiten könne direkt auf die richtungsabhängigen mechanischen Eigenschaften geschlossen werden, welche mit keiner anderen Methode zugänglich seien.
Anwendung für Leuchtdioden denkbar
Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler testen, wie Abweichungen in der genauen Struktur der Glasplättchen-Polymer-Schichten die Schall- und Wärmeausbreitung im Material verändert. Gegebenenfalls lassen sich die Eigenschaften dann noch gezielter steuern beziehungsweise einsetzen.
Einen möglichen Anwendungsbereich haben die Forscher aber jetzt schon im Kopf: Bei leistungsstarken Leuchtdioden könnten die Glas-Polymerschicht als Verkapselung dienen, weil sie dafür nötige Transparenz mitbringen. Gleichzeitig sind sie in der Lage, die überschüssige Wärme seitlich abzuleiten.
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