EU-Kriterien für Kunststoffrecycling sollten praxistauglich sein
Mit rechtlichen Vorgaben greift die EU immer stärker in das Kunststoffrecycling ein. Vor allem die gesetzlichen Vorgaben zu „End-of-Waste“, die das Ende der Abfalleigenschaft für mehrere Abfallströme beurteilen, bedeuten für die Wiederverwertung der Kunststoffe eine entscheidende Weichenstellung. Im Expertenkreis kommen jedoch immer mehr Zweifel auf, ob der End-of-Waste-Prozess die werkstoffliche Kunststoffverwertung tatsächlich fördern wird.
Den unverbindlichen europäischen Programmen und nationalen Strategien müssen nun endlich konkrete politische Entscheidungen folgen, die mehr Kunststoffrecycling ermöglichen. Dies forderte Eric Rehbock beim 15. Internationalen Altkunststofftag des Bonner Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (Bvse) Mitte Juni in Bad Neuenahr. Schließlich, so begründete der Bvse-Hauptgeschäftsführer die Forderung der meist mittelständischen Verwerter, schone das Kunststoffrecycling Ressourcen, spare Energie und vermindere die Kohlendioxidemissionen (CO2).
Praxisgerechte Kriterien entscheidend für die Zukunft des Kunststoffrecyclings
Rehbock betonte vor den mehr als 400 Teilnehmern des internationalen Altkunststofftags, dass die Zukunft des Kunststoff-Recyclings entscheidend von praxisgerechten Kriterien für End-of-Waste sowie einer konsequenten Kaskadennutzung von Kunststoffen mit einer klaren Priorität des Recyclings vor der Verbrennung und anspruchsvollen Recyclingquoten abhängt. In der Praxis hätten die Kunststoffrecyclingunternehmen mit dem Abfall-, Chemikalien- und Produktrecht drei hochkomplexe Rechtsgebiete zu beachten. Das führe zu nicht zu unterschätzenden Schwierigkeiten und zu Beschränkungen im Alltagsgeschäft der Kunststoffrecycler.
Rehbock: „Gerade deshalb haben wir ja so große Hoffnungen in den End-of- Waste-Prozess gesetzt.“ Inzwischen kommen bei den Branchenvertretern aber immer mehr Zweifel auf, ob der von der EU-Kommission vorgeschlagene End-of-Waste-Prozess tatsächlich das Kunststoffrecycling fördern wird. Unter Verweis auf die Schrottwirtschaft, die aufgrund von Überregulierung und praxisfernen Kriterien weitgehend auf die Anwendung der End-of-Waste-Kriterien verzichten will, warnte Rehbock vor einer ähnlichen Entwicklung im Kunststoffbereich. Er verwies darauf, dass die Herbeiführung eines vorzeitigen Abfallendes als Instrument zur Förderung des Recyclings gedacht war.
End-of-Waste-Prozess für das Kunststoffrecycling von besonderer Bedeutung
„Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass praxisferne Detailregelungen dieser Maxime nicht folgen, sondern geradezu verhindern sollen, dass wertvolle Materialien vorzeitig aus dem Abfallrecht entlassen werden“, kritisierte Rehbock. Doch sei gerade das Kunststoffrecycling auf den Produktstatus in besonderer Weise angewiesen. „Unsere Position ist daher klar: Der bestehende Produktstatus für Rezyklate ist unter allen Umständen zu erhalten“, betonte der Branchensprecher und forderte die europäischen Parlamentarier auf, genau hinzusehen, ob die End-of-Waste-Kriterien auch tatsächlich zu mehr Ressourcenschutz und mehr Recycling führen werden.
In der momentanen Realität aber würden zu viele Kunststoffe verbrannt oder deponiert, obwohl sie ein besonderes Stoff- und Energiepotenzial besäßen, das ökologisch und ökonomisch vorteilhaft vor allem durch die werkstoffliche Verwertung genutzt werden könne. Rehbock: „Es ist an der Zeit, diesen Trend mithilfe einer speziellen Kunststoffverordnung zu stoppen und umzukehren. Wir brauchen dazu einen Abbau der vorhandenen Überkapazitäten der Müllverbrennungsanlagen in Deutschland und ein europaweit wirksames Deponierungsverbot.“
Auch Dirk Textor, Vorsitzender des Fachverbandes Kunststoffrecycling im Bvse, verwies in Bad Neuenahr darauf, dass die europäischen rechtlichen Vorgaben immer mehr in das tatsächliche Kunststoffrecycling eingreifen. Gleichzeitig erfahre das Recycling von Kunststoffen europaweit immer mehr Aufmerksamkeit. „Es gibt noch ein großes Ressourcenpotenzial, das ökologisch und ökonomisch vorteilhaft genutzt werde sollte“, so der Experte von der Hubert Eng Kunststoffverwertung, Gescher.
Daher begrüße der Bvse prinzipiell den von der EU initiierten Prozess, das Ende der Abfalleigenschaft auf europäischer Ebene verbindlich zu definieren. Aber aus seiner Sicht sei das Abfallende dann erreicht, wenn die gewonnenen Rezyklate direkt bei den Kunststoffverarbeitern als Substitut für Neuware eingesetzt werden können. Die End-of-Waste-Kriterien und auch deren Überprüfung dürften dieser Zielstellung nicht zuwiderlaufen.
End-Of-Waste-Vorgaben für Kunststoffrecycling sind komplex
„Mit Sorge erfüllt uns, dass die Vorgaben bei End-of-Waste für Altpapier auf Kunststoffe übertragen werden sollen. Kunststoffe sind von Schrotten und Altpapier vollkommen unterschiedlich“, erklärte Textor. Das Kunststoffrecycling sei kunststoffartenspezifisch durchzuführen und dabei abhängig von den unterschiedlichen Polymeranteilen beim Altkunststoffinput. Hocheffiziente, sehr unterschiedliche Systeme würden sich deshalb den kleinteilig angelieferten verschiedenen Kunststoffen widmen. Marktnahe End-of-Waste-Kriterien müssten daher einen sehr großzügigen Rahmen für das Kunststoffrecycling zulassen. Textor: „Kunststoffrezyklate haben heute bereits weitgehend den Produktstatus, und das europäische Recht darf dies nicht ändern. Hier sind dann Vorgaben von nur 1 % an Fremdstoffen für einen Teil der Rezyklate äußerst wirklichkeits- und marktfremd.“
Herbert Snell berichtete im Rahmen des Altkunststofftags von deutlichen Umbrüchen beim Kunststoffrecycling. Ein Indiz dafür sieht der Bvse-Vizepräsident in den vermehrt auftretenden Insolvenzen von Kunststoffrecyclern, die seit Jahren auf dem Markt tätig gewesen sind.
„Die Dualen Systeme greifen jetzt verstärkt in die Märkte ein, und zwar über die gesamte Kette der Sammlung, Sortierung, Aufbereitung und Verwertung bis hin zum Handeln und Makeln. Die vertikale Integration der Dualen Systeme weitet sich auf diese Weise zunehmend aus“, kritisierte Snell. Für die angedachte Einführung der Wertstofftonne forderte der Bvse-Vizepräsident daher, dass die Neuregelung der Wertstofferfassung auf eine breite Basis gestellt wird. „Wir brauchen ein Modell, das nicht ständig in Frage gestellt oder durch unnötige Streitigkeiten belastet wird, wie bei den Dualen Systemen“, forderte Snell. Deshalb sei eine Arbeitsteilung von Privatwirtschaft und Kommunen sinnvoll. Das vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebene Gutachten, das die rechtlichen Möglichkeiten zur Einführung der Wertstofftonne untersuchen sollte, habe zuverlässig herausgearbeitet, dass die Ausschreibungsverpflichtung der Kommunen unter Ausschluss der Inhouse-Vergabe – auch in Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie – als verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung anzusehen ist.
Eigentumsverhältnisse beim Kunststoffrecycling: Gesetzliche Regelung notwendig
Snell: „In diesem Gesetz muss noch ein Punkt geregelt werden: Wir wehren uns gegen den Eigentumsanspruch des Dualen Systeme an den Wertstoffen. Die Praxis aller Dualen Systeme, sich den physischen Zugriff auf die Wertstoffe, egal welcher Fraktion, vorzubehalten, ist nach unserer Auffassung rechtlich unzulässig und marktverzerrend.“ Mit Sorge sehe der Bvse eine zunehmende Oligopolisierung (eine Marktform, bei der viele Nachfrager wenigen Anbietern gegenüberstehen) bei der Lizenzierung, die jetzt auch vermehrt in die Entsorgung und Verwertung eingreift.
„Wenn sich die Anbieterstruktur auf den Wertstoffmärkten durch eine faktische Andienungspflicht der Wertstoffe aus Haushaltungen bei den Systemen in ähnlicher Weise entwickelt, werden die mittelständischen Strukturen der deutschen Sekundärrohstoffwirtschaft verschwinden und das Recycling, gerade auch das Kunststoffrecycling, weiter schwächen“, prognostizierte der Branchensprecher.
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