Federleichte Federn aus Karbon offenbar ohne jede Ermüdung
In manchen Industriebereichen zählt jedes Gramm. So ist im Automobilbau der Leichtbau mit Karbonfasern ein zentrales Thema, um den Kraftstoffverbrauch weiter zu senken. An der TU Wien haben sich Ingenieure jetzt an ziemlich filigrane Produkte aus Stahl gewagt, um diese künftig aus Karbonfasern zu fertigen: Federn in allen denkbaren Formen.
Im Automobilbau und erst recht in der Luft- und Raumfahrt gelten Karbonfasern als Ersatz für Stahl als das Material der Zukunft. Denn diese sind superleicht und bieten trotzdem optimale Materialeigenschaften, die sich problemlos mit Stahl vergleichen lassen. Seit kurzem betreibt BMW in Moses Lake im US-Bundesstaat Washington eine High-Tech-Anlage, um im großen Stil Karbonfasern zu spinnen. Ebenfalls seit kurzem ist der BMW-Elektroflitzer i3 in der Grundausstattung für 34.950 Euro zu haben, dessen Karosserie zu großen Teilen aus Karbon besteht. Entsprechend groß ist das Interesse der Branche am Leichtbau mit Karbon.
TU Wien hat sich der technischen Trivialität der Feder angenommen
Aber auch so unscheinbare Bauteile wie Federn in Armbanduhren oder Messgeräten sind heute noch aus Stahl, geben zum Beispiel in der Uhr als Unruhe den Takt vor und sorgen im Messgerät für die erforderliche Messgenauigkeit. Federn sind in der Tat allgegenwärtig und werden gerne als technische Trivialität abgekanzelt. Sie gelten als auserforscht.
Der Diplom-Ingenieur Richard Zemann vom Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik der TU Wien hat sich jetzt der technischen Trivialität der Feder angenommen und sich der Herausforderung gestellt, auch so filigrane Bauteile wie Spiralfedern aus Karbonfasern fertigen zu können. Nur einige Mikrometer dick sind die Fasern, die das Team um Zemann verwendet, doch ihre Länge kann in die Kilometer gehen.
Um den Fasern eine Form zu geben, betten die Forscher diese in eine Matrix ein, zum Beispiel aus Epoxidharz. „Das Harz selbst nimmt im optimalen Fall keine Kräfte auf, aber es bindet die Kohlenstofffasern aneinander und sorgt so für die nötige Statik“, erklärt Richard Zemann. Um auch komplexe Federformen herstellen zu können, hat das Team der TU Wien gemeinsam mit der Wiener Fabrik für technische Federn, der Rudolf Tmej GmbH, einen Prozess entwickelt, der die Fertigung aller wichtigen Federgestalten erlaubt.
Auch nach 100.000 Belastungszyklen ermüdungsfrei
Nach dem Leitsatz des Unternehmens „Uns ist kein Problem zu groß und keine Serie zu klein“ haben die Forscher nun ein Herstellungsverfahren für komplizierte spiralförmige oder schraubenförmige Formen entwickelt. Den jetzt gefundenen Prozessweg will der Ingenieur nicht verraten. „Wir stellen jedenfalls zuerst einen dicken Draht her, der danach zu einer schraubenförmigen Feder umgeformt werden kann“, verrät Zemann.
Die aus den Karbonfasern jetzt hergestellten Spiralfedern sind so extrem belastbar, dass die Forscher sich nicht in der Lage sehen, eine Belastungsgrenze zu ziehen. Erste Spiralfedern konnten 100.000 Belastungszyklen unbeschadet überstehen. „Wir haben den Versuch dann einfach abgebrochen – die Federn zeigten überhaupt keine Ermüdung und hätten sicher noch eine viel größere Zahl von Belastungen ausgehalten“, sagt Richard Zemann.
Jetzt geht es darum, den entwickelten Herstellungsprozess der Federn für die Serienfertigung zu verbessern. Zemann sieht hierbei vor allem Forschungsbedarf bei der Harz- oder Kunststoffkomponente. Die Karbonfasern halten die vieltausendfache Belastung ohne Probleme aus, aber die Matrix, in die diese eingebettet sind, könnte irgendwann doch geringfügig ihre Form ändern. An der Formstabilität der Matrix wird in Wien derzeit noch geforscht.
Bis zu 80 Prozent leichter als Stahl
Die aus den Karbonfasern entstehenden neuartigen Federn sind äußerst korrosions- und chemikalienbeständig und stehen Stahlfedern nicht nach. Allerdings haben sie einen weiteren, einen entscheidenden Vorteil: Sie sind superleicht. Bei gleicher Steifigkeit reduziert sich die Masse um 70 bis 80 Prozent im Vergleich zur herkömmlichen Stahlfeder. Und diese extrem große Gewichtsreduktion macht die Federn einer neuen Generation hochinteressant für alle die Industriebereiche, in denen das Gewicht von Bauteilen eine entscheidende Rolle spielt. Für Autobauer, aber auch für den Luft- und Raumfahrtbereich, korreliert ein geringeres Gewicht immer sofort mit einem geringeren Treibstoffverbrauch. Und damit geht es um die Betriebskosten, die sich über diese neuen Materialien deutlich senken lassen.
Zwar ist die Herstellung von Bauteilen aus Karbonfasern noch sehr viel teurer, als die Herstellung von Bauteilen aus Stahl. Das gilt auch für die neuen Wiener Federn. Das wird sich aber mit der Zeit ändern. „Zunächst werden sich Karbonfaser-Verbundfedern sicher im gehobenen Marktsegment durchsetzen“, prognostiziert Richard Zemann. „Doch langfristig soll die neue Technologie auch in Massenprodukten verwendet werden – das ist unser erklärtes Ziel.“
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