Fenster aus Keramik hält 1.800 Grad Hitze aus
Unter unvorstellbar hohem Druck und bei einer Temperatur von 1.800 Grad Celsius verwandelt sich eine Allerwelts-Keramik in ein transparentes Material. Es könnte als Guckloch in sehr heiße Kammern genutzt werden.
Nur Diamanten und kubisches Bornitrid sind härter als ein kleines Fenster, das Forscher an Deutschlands größtem Teilchenbeschleuniger Desy in Hamburg hergestellt haben. Das neue Material hält Temperaturen von bis zu 1.400 Grad Celsius aus. Und eignet sich damit als Guckloch in Räume, in denen extreme Temperaturen herrschen. Im Prinzip jedenfalls. Praktisch gibt es ein Problem: Das Fenster hat einen Durchmesser von gerade mal zwei Millimetern. Desy-Forschungsleiter Norimasa Nishiyama, der inzwischen außerordentlicher Professor am Tokyo Institute of Technology ist, hält Fenster dieser Art mit einem Durchmesser von bis zu einem Zentimeter für machbar. Diamant ist zwar auch durchsichtig, hält allerdings nur 750, Bornitrid, das intransparent ist, nur 1.000 Grad aus.
Siliziumnitrid für Formel-1-Motoren
Ausgangsmaterial ist eine weit verbreitete Industrie-Keramik: Siliziumnitrid. „Es wird vor allem für Kugellager, Schneidwerkzeuge und Motorteile in der Auto- und Flugzeugindustrie verwendet“, sagt Nishiyama. Es ist so strapazierfähig, weil die Bindung zwischen Silizium und Stickstoff sehr stark ist. Einer der wichtigsten Hersteller von Wälzlagern etwa für Formel-1-Motoren aus diesem Material ist Cerobear aus Herzogenrath bei Aachen.
Die speziellen Eigenschaften, die die Desy-Variante hat, weist normales Siliziumnitrid nicht auf. Dazu ist eine Sonderbehandlung nötig, die es in sich hat. Normalerweise hat das Material eine hexagonale Kristallstruktur – die Atome sind in Form von regelmäßigen Sechsecken angeordnet. Das Desy-Fenster hat dagegen eine würfelförmige Struktur. Die bekommt es, wenn man das Material einem unvorstellbar großen Druck von mehr als 13 Gigapascal aussetzt. Das entspricht dem 130.000-fachen Atmosphärendruck. Wissenschaftler sprechen vom „Spinell-Typ“ – Spinell ist ein Edelstein mit kubischem Kristallgitter, der Magnesium, Aluminium und Sauerstoff enthält.
Transparenz durch extremen Druck
Transparent ist er nach dieser Tortur allerdings nicht. Dazu ist ein noch höherer Druck nötig, nämlich 15,6 Gigapascal. Zudem muss das Material auf eine Temperatur von 1.800 Grad Celsius aufgeheizt werden. „Es handelt sich um die erste transparente Probe dieses Materials“, betont Nishiyama.
Das Gitter ist tatsächlich makellos kubisch. Das zeigten Analysen mit Hilfe eines sehr hellen und scharfen Röntgenstrahls, den das Synchrotron Desy III erzeugt. „Die Transformation gleicht der von Kohlenstoff, der ebenfalls eine hexagonale Struktur bei Normalbedingungen besitzt und sich unter Hochdruck in eine kubische Variante namens Diamant umwandelt“, so Nishiyama.
Kristallfehler minimiert
Die Transparenz des Materials ist keineswegs selbstverständlich. Sie kommt zustande, wenn es an den Korngrenzen – das sind Kristallgitterfehler – kaum Poren und Lücken gibt. Untersuchungen mit einem Transmissions-Rasterelektronenmikroskop an der Universität Tokio zeigten, dass die Probe nur wenige Fehler hat. Außerdem verteilen sich in der Hochdruck-Phase Sauerstoff-Verunreinigungen in dem gesamten Material und sammeln sich nicht wie unter Normalbedingungen an den Korngrenzen. „Das ist entscheidend für die Transparenz“, sagt Nishiyama.
Ein Hydrogel, das zu 90 % aus Wasser besteht und trotzdem ultrasteif und extrem zäh ist. Das neue Material könnte künftig als druckstabile Trennmembran in der Mehrwasserentsalzung oder als hochporöses Elektrodenmaterial für Batterien oder Brennstoffzellen zum Einsatz kommen.
Und Augsburger Wissenschaftlern ist es gelungen, den größten synthetischen Diamanten der Welt herzustellen. Er wiegt 155 Karat und hat einen Durchmesser von 92 mm.
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