Forscher „strecken“ Diesel mit Wasser
VDI nachrichten, Köln, 30. 9. 05 – Lässt sich Dieselkraftstoff mit Wasser „strecken“? Prof. Reinhard Strey und sein Team von der Uni Köln sind davon fest überzeugt. Unter Zusatz spezieller Tenside entwickelten sie einen stabilen Dieselkraftstoff mit hohem Wassergehalt, der zugleich den Ausstoß von Partikeln und Stickoxiden mindert. Die Mineralöl- und Automobilindustrie steht der Entwicklung skeptisch gegenüber.
Strey erklärt dies mit diversen Effekten. Das verdampfende Wasser senke die Verbrennungstemperatur und erhöhe den Druck im Brennraum. Vorteile: Es bildeten sich von vornherein weniger Stickoxide (NOx) und es gebe weniger Wärmeverlust, obwohl der Motor die gleiche Arbeit leiste. Zusätzlich beeinflusse das Wasser den Verbrennungsprozess. Wo es normalerweise schwierig sei, genug Sauerstoff ins Zentrum der eingespritzten Kraftstoffwolke zu bekommen, wirke das Wasser im Diesel positiv. Es spaltet sich bei hohen Temperaturen und versorge die Verbrennung praktisch von innen mit freien H, O und OH-Radikalen. Der Kraftstoff brenne gleichmäßiger durch und es würden sich erst gar keine Rußpartikel bilden, so Strey.
„Die Erklärung ist nachvollziehbar und der Ansatz goldrichtig“, bestätigte auf Anfrage Prof. Cornel Stan er lehrt Technische Thermodynamik, Verbrennungsmotoren und Alternative Antriebe an den Universitäten Paris, Pisa, Perugia sowie an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Allerdings, so Stan, stehe und falle der Kraftstoff mit der Verteilung und der Stabilität des Wasser-Diesel-Gemisches.
Strey bedauert zögerliche Haltung von Auto- und Mineralkonzerne. Er solle den Kraftstoff erst zertifizieren lassen, hat man ihm dort u.a. gesagt, und „die Beimischung von Wasser sei ja nun wirklich ein alter Hut“.
In einem so frühen Forschungsstadium könne er den Kraftstoff wohl kaum zertifizieren lassen, sagte Strey. Auch sei seine Mikroemulsion mit früheren Beimischversuchen nicht vergleichbar, weil sie wesentlich stabiler wäre. Strey vermutet hinter der Reaktion ökonomische Vorbehalte. Jetzt wo die Autoindustrie viel Geld in den Partikelfilter investiere und Mineralölkonzerne Premiumkraftstoffe anböten, sei eine derart einfache Lösung, die Schadstoffe zu minimieren, wohl nicht willkommen.
Dem Professor schwebt vor, Wasser und Tenside erst an Bord beizumischen. „Das hätte den Vorteil, dass man billigere Tenside aus nachwachsenden Rohstoffen verwenden könnte“, so Strey, der mit 10 ct/l Mehrkosten rechnet. Die Beimischung an Tankstellen oder in Raffinerien sei dagegen schwierig und teurer, weil natürliche Tenside nicht unbedingt langzeitstabil seien.
Genau hier liegt für Dr. Wolfgang Lüke, Forschungsleiter der Deutschen Shell, der Knackpunkt: „Langzeitstabilität ist ein absolutes Muss, an dem bislang alle Versuche mit Diesel-Wasser-Emulsionen gescheitert sind.“ Der Vorschlag einer Beimischung an Bord sei ein deutlicher Hinweis, dass auch die Mikroemulsion keine entsprechende Stabilität gewährleiste, so Lüke.
„Wenn die Wissenschaftler in Köln einen Durchbruch in Sachen Stabilität erzielt haben, wäre das aber sicher eine interessante Angelegenheit“, räumte Lüke ein, der die Forschungen nicht im Einzelnen kennt. Doch auch dann würde es Jahre dauern, bis ein solcher Kraftstoff auf den Markt käme. Denn noch schreiben die Kraftstoffnormen für Diesel einen max. Wassergehalt von 0,075 % vor, so Lüke. Für eine Beimischung von bis zu 27 % Wasser müsste die Norm in einem langwierigen Verfahren geändert werden.
Auch Autohersteller winken ab. Bei neuen Modellen werde um jeden Zentimeter Bauraum und jedes Gramm Gewicht gekämpft. Zusatztanks für Wasser und Tenside seien unrealistisch auch weil es dem Fahrer damit überlassen sei, Kraftstoffnormen einzuhalten – schließlich würden die Motoren ja auch ohne Wasserzusatz laufen. Zudem sei unklar, wie moderne Einspritzsysteme auf das Wasser im Diesel reagieren. Denn in und vor den Injektoren herrschen, so Bosch, Temperaturen um 110 °C. Die Mikroemulsion ist laut Strey jedoch nur bis 95 °C stabil.
Lüke von Shell hält es für sinnvoll, die neue Mikroemulsion zunächst einmal stationär zu nutzen. Das bereitet Strey derzeit mit seinem Team in einem Blockheizkraftwerk vor. Für den Einsatz von einem Jahr „stellen wir gerade den geeigneten Tensid-Mix zusammen“, berichtet er.
Allerdings hat Strey nicht vor, sich auf stationäre Anwendungen zu beschränken. Aktuell plant er mit einem Kölner Entsorgungsunternehmen einen Lkw-Flottenversuch. Noch stehen aber Verhandlungen über mögliche Garantieeinschränkungen mit dem Lkw-Hersteller an. Strey weiß, dass die schwierig werden. Doch er will nichts unversucht lassen, damit seine Lösung zur Schadstoffreduktion eine Chance bekommt. Strey: „Ich bin gerne bereit, mitzuhelfen und mit darüber nachzudenken, wie sich die angesprochenen Vorbehalte konstruktiv lösen lassen.“ PETER TRECHOW/WOP
Ein Beitrag von: