Geschäft mit der Lagerhaltung verteuert Metalle
Banken und große Rohstoffhändler gewinnen immer mehr Einfluss auf die Entwicklung der Metallpreise. Und das nicht nur durch den Handel, sondern auch vermehrt durch die Lagerhaltung dieser Rohstoffe.
Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise entdecken Investoren und Finanzinstitute Metalle mehr denn je als neue Anlagemöglichkeit. Die Bestände der London Metal Exchange (LME), der größten Metallbörse der Welt, sind seitdem kräftig gestiegen. Lagen sie vor der Lehman-Pleite 2008 bei 1,5 Mio. t, erhöhten sie sich 2009 auf 6,2 Mio. t. Im laufenden Jahr haben sie schon einmal die 7 Mio t Grenze überschritten.
Mit höheren Beständen laufen Kosten für die Lagerung auf. Diese können bis zu 0,53 $ je Tonne und Tag betragen. Das bringt den Lagerhausgesellschaften hohe Gewinne.
Ein Geschäft, das auch Rohstoffhändler und Banken zunehmend für sich entdeckt haben. So übernahm das Handelsunternehmen Glencore, 2010 die italienische Logistikgruppe Pacorini mit ihren 148 bei der Metallbörse akkreditierten Lagerhäusern. Auch Goldman Sachs und JPMorgan gingen 2010 auf Einkaufstour und besitzen heute 234 der weltweit insgesamt 734 LME-Lagerhäuser.
Banker und Rohstoffhändler verstoßen gegen das Prinzip der Trennung zwischen LME-Mitgliedern und Lagerhausgesellschaften
Generell sieht die LME-Satzung eine Trennung zwischen LME-Mitgliedern und Lagerhausgesellschaften vor. Dass LME-Mitglieder wie Banken und Rohstoffhändler jetzt Lagerhäuser betreiben, verstößt gegen dieses Prinzip. In den USA verbieten die Zentralbankvorschriften – zumindest in der Theorie – den Banken sogar, Aktiva zu halten, die nicht mit dem Bankgeschäft direkt in Verbindung stehen. Ob die amerikanischen Aufsichtsbehörden gegenüber Goldman Sachs und JPMorgan den Rechtsweg beschreiten werden, ist bisher nicht bekannt.
Die Geschäftsstrategie der Banken und Handelshäuser besteht darin, möglichst große Mengen an Metallen in die eigenen Lager zu bekommen und dort auch zu halten.
Das wiederum macht die großen Metallverarbeiter zornig. Der Grund liegt meist an der zu langsamen Auslieferung der Metalle. Etwa in dem zur Goldman Sachs-Tochter Metro gehörenden Lager in Detroit warteten seit Mitte Juni vorigen Jahres 235 825 t Aluminium dringend auf die Auslieferung: Bei dem üblichen Tempo, so rechnete die Deutsche Bank aus, würde die Entladung drei Jahre dauern.
Preisanstieg bei Metallen: 10 % durch hohe Lagerhauskosten verursacht
Das Ärgernis: der Käufer muss nicht nur lange auf sein Metall warten, sondern auch noch die Lagerkosten zahlen. Das kann zu erheblichen Preisaufschlägen gegenüber dem LME-Kurs führen. Bis zu 10 % des Preisanstieges bei Metallen sind auf die hohen Lagerhauskosten zurückzuführen, schätzen Experten.
LME Vorstandschef Martin Abbot hat deshalb die Mindestmenge der täglichen Auslieferungsverpflichtung heraufsetzen lassen. An der Frage, wie viel angemessen ist, scheiden sich aber bis heute die Geister. Selbst nachdem die Mindestauslieferungsmenge für große Lagerhäuser wie Detroit seit April 2012 auf 3000 t pro Tag verdoppelt wurde, hagelt es noch Kritik. Aluminium-Verarbeiter Noveli und Automobilhersteller General Motors (GM) sind noch nicht zufrieden. Börsenchef Abbott spricht jedoch, mit Blick auf die physischen Grenzen der Auslieferung, von „unüberwindbaren logistischen Problemen“.
Zwar könnten Verarbeiter wie GM und Novelis ihr Aluminium auch direkt von den Produzenten kaufen – nur müssten sie dann entweder einen Aufschlag für eine Just-in–time-Lieferung zahlen oder selbst Vorratshaltung betreiben.
„Gründlich reformieren“ will das Lagerhaussystem der LME nun die Hong Kong Exchanges and Clearing (HKEx), die am 25. Juli die Metallbörse übernommen hat.
Chinas Marktöffnung betrifft nicht unbedingt Lagerhausketten
Da die HKEx auch Hilfe bei der Marktöffnung Chinas versprochen hat, rechnen sich Goldman Sachs und JPMorgan, die beim Verkauf der LME eine Führungsrolle gespielt hatten, große Chancen aus, ihr Lagerhausgeschäft nach China auszuweiten. Bisher konnten sie im Reich der Mitte nämlich nicht Fuß fassen.
Doch die Öffnung des chinesischen Marktes muss keineswegs eine Öffnung des chinesischen Marktes für die Lagerhausketten der Investmentbanken bedeuten – im Gegenteil: Es kann auch heißen, dass die Chinesen mit ihren eigenen Logistikkonzernen, wie Cosco, das Geschäft selbst übernehmen.
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