Glas im Wandputz saugt die Luftfeuchte auf
Mit Glaspartikeln, die im Wandputz integriert sind, wollen Forscher Schimmel aus den heute oft schon fast zu gut gedämmten Wohnungen vertreiben. Die hochporösen Glaspartikel können zusätzlich das Raumklima verbessern.
Schimmel in den Wänden kann nicht nur zu chronischen Atemwegserkrankungen führen. Es ist auch immer wieder ein heftiges Streitthema zwischen Vermietern und ihren Mietern um das richtige Lüftungsverhalten. Grundsätzlich kann sich Schimmel in Wohnräumen dann bilden, wenn die Rauminnenluft mit zu viel Feuchtigkeit gesättigt ist.
Schnelle Aufnahme der Luftfeuchte
Verschärft hat das Problem die Energieeinsparverordnung der Bundesregierung aus dem Jahre 2002, die festlegt, dass Außenbauteile von Neubauten und sanierten Altbauten luftdicht ausgeführt werden müssen. Das Ziel dieser Verordnung ist, Energie zu sparen, in dem die Wärme im Haus bleibt. Die Kehrseite: Auch die Feuchtigkeit bleibt in den Zimmern gefangen. „Feuchtigkeitsregulierende Baustoffe gewinnen daher immer mehr an Bedeutung“, sagt Ferdinand Somorowsky, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg.
Mit künstlich hergestellten porösen Glaspartikeln als Zusatz für Farben und Putze wollen Somorowsky und sein Team gemeinsam mit Forschern der Universität Bayreuth und dem Mineralfarbenhersteller Keimfarben mit Sitz in Diedorf jetzt den Schimmel aus Innenräumen vertreiben. Die Glaspartikel, die insbesondere in Form von Flakes untersucht wurden, haben eine ganz besondere Eigenschaft: Sie nehmen die Feuchtigkeit sehr schnell auf, speichern sie und geben sie nur langsam wieder ab.
Bislang kaum feuchteregulierende Zusätze im Putz
So können sie optimal die Raumfeuchte ausgleichen. „Wasser ist als unsichtbarer Dampf ein Bestandteil der Luft. Damit das Raumklima angenehm ist und bleibt, muss das Wasser, dass wir beim Duschen, Kochen und Schwitzen zusätzlich an die Raumluft abgeben, irgendwie auch wieder abgeführt werden“, erläutert Somorowsky. „Wände und Decken bieten große Flächen, die für das Feuchtemanagement genutzt werden können. Wenn wir die Glaspartikel in Gipse, Putze und Farben für Innenwände einbringen, können sie täglich und jahreszeitlich bedingte Feuchteschwankungen abpuffern. Die Wohnung ist dann einfach behaglicher“, so der Forscher. „95 bis 98 Prozent der bislang erhältlichen Putze haben keine Zusätze.“
Die Forscher können die Porengröße der porösen Gläser genauso gezielt einstellen, wie das Porenvolumen und die Form der Partikel. So lassen sich im Gegensatz zu anderen Materialien mit Sorptionseigenschaften wie etwa Zeolithe oder Keramiken mit dem beim ISC verwendeten Vycor-Glas auch runde Partikel, Fasern und Flakes produzieren. Das hochporöse Vycor-Glas wird auch gerne in der Chromatografie, als Träger für Katalysatoren und in der Membrantechnologie eingesetzt.
Von wenigen Nanometern bis zu mehreren Millimetern skalierbar
Die Forscher können Füllstoffe mit Porengrößen zwischen wenigen Nanometern bis zu mehreren Millimetern gezielt herstellen. „Da sich die Porosität und die Größe der Poren exakt einstellen lässt, kann man die Feuchtigkeit effektiv regulieren“, erläutert Somorowsky. „Indem wir die Porengröße minimal verändern, passen wir das Material für unterschiedliche Temperaturen und verschiedene Anwendungen wie Wohn-, Feucht- oder Kellerraum an.“
Dazu kommt: Die ungiftigen und zudem nicht brennbaren porösen Gläser sind preisgünstig. Die Wissenschaftler haben bereits in den ersten Vorversuchen große Mengen von mehreren 100 Kilogramm des innovativen Feuchteregulierers produziert. Der Praxistest zeigte: Putze mit den eingearbeiteten Glasflakes nahmen deutlich mehr an Feuchtigkeit auf als Zeolithen und Holzfaserplatten.
Und die Glaspartikel geben die Feuchtigkeit zeitverzögert auch wieder vollständig ab. Für ihre Testreihen simulierten die Forscher die Luftfeuchtigkeit eines normalen Innenraumklimas und hielten die Temperatur dabei konstant.
Putz mit den Glaspartikeln kann einen halben Liter Wasser adsorbieren
Somorowsky rechnet vor: „In einem 30 Kubikmeter-Raum stehen über Decke und Wände etwa 40 Quadratmeter Fläche für einen feuchteregulierenden Putz zur Verfügung. Um die Luftfeuchtigkeit von 72 auf 47 Prozent zu reduzieren, müssen rund 180 Milliliter Wasser aufgenommen werden können. Tatsächlich kann unser Putz mit Glasflakes mehr als einen halben Liter Wasser adsorbieren.“ Zusätzlich können auch noch Schimmelpilz hemmende Substanzen in den Putz integriert werden.
Die kleinen Glaspartikel können aber noch mehr: Sie beeinflussen auch die Energiebilanz eines Gebäudes positiv. Wenn sich bei hoher Luftfeuchte das Wasser an der Glasoberfläche im Putz anreichert, macht die dabei freiwerdende Energie die Raumluft trockener und wärmer. Ist die Luftfeuchtigkeit geringer, wird die Raumluft abgekühlt und feuchter. Da diese beiden physikalischen Vorgänge im Sommer genauso gut funktionieren wie im Winter, lässt sich primäre Energie zum Heizen oder zum Kühlen einsparen. Besonders im Winter, wenn geheizt wird, verbessert das im Putz eingebrachte Glas das Raumklima.
Lüften hilft immer noch am besten gegen Schimmel
Jetzt weiten die Projektpartner ihre Testreihen aus und suchen mehr Realitätsnähe: Sie wollen wissen, wie sich die glasbasierten Werkstoffe im Putz unter zusätzlichen Farbschichten und Tapeten verhalten. Denn in Räumen mit reinem Putz lebt hierzulande wohl kaum jemand. Ein bisschen Farbe oder Muster an den Wänden ist schon normal. In rund zwei Jahren wollen die Forscher die umweltfreundlichen und feuchteregulierenden Putze in den Fachhandel bringen. Bis dahin hilft ein altbewährtes Mittel gegen Schimmel: Lüften.
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